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Steingewordene Geschichte Europas

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Rot, klein und handlich ist das Buch. Die grüne Glasfassade der „Neuen Staatsgalerie Stuttgart”, 1977-1984 von James Stirling und Michael Wilford erbaut, ziert frech und dynamisch den Einband, dahinter verweist die Tuschezeichnung der Giebelfront eines griechischen Tempels auf die Geschichte. „Europäische Architektur von den Anfängen bis zur Gegenwart”, heißt es im Untertitel. Kaum zu glauben, daß zwischen zwei Buchdeckeln die ganze Architekturgeschichte Europas in ihrer Vielfalt Platz haben soll.

Und doch bürgt der 1983 in London verstorbene Nikolaus Pevsner für Qualität: in komprimiert kompakter Form pickt er repräsentative Rosinen aus dem Kuchenteig der gebauten Masse. Mutig bekennt er sich zu selektiver Vorgangsweise und beschreibt Bauten kurz und knapp im historischen Kontext und Umfeld der jeweiligen Landesgeschichte. Selbst die Fotos sind nach sorgfältigen Kri-tierien ausgewählt: Nicht auf den Gesamteindruck kommt es an, sondern auf das für die Zeit wesentliche Detail. So betont er etwa im katholischen Barock die neu entdeckten und besonders lustvoll ausformulierten Stiegenhäuser, während die Architektur des protestantischen Nordens ganzheitlicher gezeigt wird.

Besonders gespannt blättert der Leser in der unmittelbaren Gegenwart, in der er sich nicht mehr auf die Qualität des verstorbenen Autors verlassen kann. Doch das Experiment ist geglückt. Auch das angefügte letzte Kapitel „Kontinuität und Wandel der Architektur seit 1960” von Winfried Nerdiger, Professor der Architekturgeschichte an der TU München, schließt nahtlos an die vorherigen Kapitel an.

Für Menschen, die sich im weiten Feld der Architektur einen Überblick jenseits des Oberflächlichen verschaffen wollen, ist dieser Band ein in jeder Hinsicht empfehlenswertes Standardwerk. Das Bemühen um zeitlose Gültigkeit und Objektivität läßt kaum eine Strömung aus. Selten ist also umfassenderes Wissen in komprimiertere Form gepreßt worden.

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