Das Werk - © Foto: Bettina Frenzel

Sehenswertes Kaprun-Werk Jelineks

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Das Wiener Kosmos Theater feiert sein 20-jähriges Bestehen mit Elfriede Jelineks „Werk“. Damit ist das Jubiläum nicht nur jener Autorin gewidmet, mit deren Texten die Bühne im Jahr 2000 eröffnete – Regisseurin Claudia Bossard setzt auch ein klares Zeichen für Klimaschutz. Wenn sich der Umgang mit den Ressourcen nicht sofort ändert, wird die Erde bald in Schutt und Asche liegen, so lautet ihre These. Denn nicht nur der Bau des Kraftwerks Kaprun bedeutete einen noch nicht da gewesenen Eingriff in die Natur, auch der Brandunfall im Jahr 2000 zeigte die Kehrseite des bedingungslosen Erschließens der Alpen. Grund allen Übels ist laut Jelinek die „Gier“, davon erzählt auch ihr gleichnamiger Roman. Das (Gesamt-)Werk der Autorin wird zu Beginn des Abends im Rahmen eines „literarischen Quartetts“ diskutiert. Vor dem Hintergrund einer beeindruckenden (animierten) Bergwelt sprechen vier Germanisten über Jelinek. Rechthaberei, hohle Metaphern, vor allem aber Versuche, die eigene Bedeutung über das Herstellen von Nähe zur Nobelpreisträgerin zu heben, dominieren das Gespräch, das sich als pointierte Persiflage auf den deutschsprachigen Literaturbetrieb gestaltet. Jelineks eigene Diskurs- und Medienkritik erfährt auf diese Weise eine szenische Entsprechung und entlarvt das Geltungsbedürfnis und den Machtanspruch selbsternannter Literaturpäpste.

In Bergschuhen und humorfrei diskutieren Veronika Glatzner, Alice Peterhans, Tamara Semzov und Wojo van Brouwer, immerhin soll es auch mit der eigenen Karriere steil bergauf gehen. Allesamt sind sie deklarierte „Feminist*Innen“ (wie es gendergerecht in der Aussprache betont wird), dennoch applaudieren die Damen dem einzigen Mann in der Runde. Statt Frauensolidarität herrscht Anbiederung nach oben vor. Doch solange sich die Haltung nicht ändert, bleiben auch die Inhalte wirkungs
los. Denn während das literarische Quartett damit beschäftigt ist, sich selbst zu loben, fährt im Hintergrund ein Kreuzfahrtschiff mitten durch den Berg. Der Tourismus macht vor dem Intellekt keinen Halt und vor der Natur schon gar nicht.

Beim Bau des Kraftwerks in Kaprun starben Aberdutzende nach Kaprun verschleppte Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene, in Friedenszeiten kam noch eine Vielzahl an Todesfällen hinzu, Arbeitsunfälle und Lawinen forderten einen hohen Blutzoll. In den Erfolgsgeschichten kommen sie nicht vor und auch nicht die Mütter, die ihre Söhne beweinen und deren Klagen nicht enden. Claudia Bossard gelingt eine kluge, raffinierte und kurzweilige Inszenierung dieses vielschichtigen Textes, die unbedingt sehenswert ist.

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