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„Thomas More” in Bregenz

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Das wäre eine Eröffnungsvorstellung für die Bregenzer Festspiele gewesen, ein Stück, historisch und zeitnah, dazu noch in blendender Regie und Besetzung! Das Theater für Vorarlberg tat einen guten Griff mit dem Schauspiel des Engländers Robert Bolt, den die große Welt als Drehbuchautor des „Lawrence von Arabien” kennt. Das Theater in der Josefstadt hat nobel auf die österreichische Erstaufführung zugunsten von Bregenz verzichtet und das Burgtheater lieh Curth Tichy für die Titelrolle, deren Interpretation eine Höchstleistung war.

Sir Thomas More war kein Mann, der mit dem Heiligenschein umherlief. Zweimal verheiratet, Vater mehrerer Kinder, Rechtsanwalt, Parlamentsmitglied und zuletzt Lordkanzler — ein sehr weltlicher Weg. Und noch im letzten Gewissenskampf bleibt Thomas More der Jurist: er würde wohl die Thronfolgerechte der Kinder von Anna Boleyn unterschreiben, nicht aber die Präambel, in der dem Papst die kirchliche Juristiktion über England abgesprochen wurde. Er hat nie etwas gegen den König gesagt: daß schlußendlich Schweigen als Hochverrat erklärt werden kann, hat er nicht geglaubt. Auch wir wußten es vor drei Jahrzehnten noch nicht; vielleicht sind wir heute klüger, als es Sir Thomas im Jahre 1534 gewesen ist.

Der Autor brauchte nur die Geschichte in 15 Bilder zu raffen, die ohne Vorhang auf offener Szene abrollen. Die Gestalten sind sämtlich geschichtlich. Nur einer ist erfunden: der Gemeine Mann, den Herwig Wurzer mit primitiver Bestialität verkörpert. Dieser „Herr Omnes” ist trinkgeldfreudiger Butler, Geschworener, Kerkermeister und zuletzt Henker, jener nur allzugut Bekannte, der sich mit sämtlichen Herrn arrangiert und nie unter die Räder kommen kann.

Die Besetzung in Bregenz hätte jeder Bühne Ehre gemacht: Wolfgang Krass- nitzer als der vorübergehend für Luther schwärmende William Roper, Alex Freihart, der auch die Regie führt, als wie aus dem Gemälde von Holbein heraustretend der Heinrich VIII., Robert Ma rencke als Herzog von Norfolk, der den besten Freund zum Tode verurteilen muß,

Günther Kropp als zynischer Thomas Cromwell, Harald Harth als Verräter Richard Rich, Richard Rieß als allzu diplomatischer Kardinal Wolsey und an deren. —- Dem dämonischen Bühnenbild von Karl Weingärtner und den prächtigen Kostümen von Elisabeth Gaisser gebührt ein Sonderlob.

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