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In der Wiener Secession herrscht das große Chaos

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Wer wie Dieter Roth von der Voraussetzung ausgeht, daß Museen mehr oder weniger Begräbnisinstitute sind, in denen Dinge gehortet werden, ehe sie weggeschmissen werden, handelt ironisch richtig, wenn er die Wiener Secession mit seinen Hervorbringungen vollstopft: vom Buchobjekt zur Skulptur, vom Bild zur entleerten Flasche, von der niemand weiß, warum sie ausgerechnet an dieser und keiner anderen Stelle steht.

Dieter Both erweist der Wiener Secession einen ungeheuren Gefallen mit seiner Mischung von Bildern, Skulpturen, Videoarbeiten, Gefundenem und Gesammeltem und den Abfällen in jedem Stadium des Zerfalls: Ausstellungen sind meistens sinnlichkeitsverachtende Konstrukte.

Diesmal ist es ganz anders. Mit einer Uberfülle, die sich jeder Banalität lustvoll bedient, wird ein ehrwürdiges Haus vollgestopft. FjS hätte sich auch jede andere noch so große Aus-stellungsfläche füllen lassen. Allein das Archimedische Prinzip verhinderte eine weitere Materialfülle. Einzelne Arbeiten nehmen nur den Bang eines Dokuments in einem fortlaufenden Prozeß der Veränderung ein.

Über diesen Prozeß meint Both: „Vieles steht hier jahrelang herum, bis zu sechs oder sogar zehn Jahre ... Den Trieb, etwas schöner zu machen und noch schöner, den habe ich auch verlernen müssen. Lieber ist mir, wenn die heterogenen Teile auf dem Bild miteinander raufen. Dafür brauche ich keinen Plan, allenfalls ein technisches Programm. Aber das Interessante sind immer die Abweichungen von den Programmen. Alles, was das Bild runterzieht, ist erlaubt, weil es in Wahrheit das Bild hebt. Das Verunglückte, das Abgerutschte, das interessiert mich, wie es das Bild trotzdem hält und das Bild erst stark macht.”

Eine Arbeitsweise, die zwar der Phantasie verpflichtet ist, doch keinen Anspruch auf Endgültigkeit erhebt und vom Künstler selbst eher ironisch kommentiert wird: „Mir tut das irgendwie leid, daß die Leute da hingehen und das nicht selber machen.”

Sie muß sich die Interpretation gefallen lassen, daß Chaos nichts anderes ist als kreative Unordnung. In diesem Sinn ist Dieter Both ein liebenswerter Chaot, der allein und in Zusammenarbeit mit anderen Künstlern viel für die Befriedigung der Augenlust leistet. (Bis 19. März)

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