6598686-1953_23_07.jpg
Digital In Arbeit

Sollen die Leidenschaften dargestellt werden?

Werbung
Werbung
Werbung

Ein Einwand wird stets vom religiösen Standpunkt aus gegen die Darstellung der menschlichen Leidenschalten erhoben. Er ist so ernsthaiter Natur, daß er einem Racine Schweigen aulerlegte; und Bossuet hat ihn in seinem Brie! an den Pater Caflaro mit

;einer ganzen U eher zeugung skr all entialtet. Er läßt sich im folgenden Satz zusammenlassen: „Die menschliche Natur ist so schwach, und unsere Leidenschaften haben

iine solche Macht über sie, daß von ihrer Darstellung auf der Bühne oder in einem Buch abgeraten werden sollte“ Ich glaube, daß es auf dieses vom Jansenismus getränkte Argument eine Antwort gibt, hat es doch authentische Christen und sogar Priester wie Calderon und Lope de Vega nicht zurückhalten können. Ich meine, kein Teil der menschlichen Seele sollte derart mit Untergang getroffen werden und, wenn ich so sagen darf, mit Exkommunikation, mit Ausnahme jener Wüsteneien unserer Innenwelt, in denen die Triebkräfte und Motive, die unser ganzes Dasein bilden, ihren Ausgang im Gewände ungezähmter Instinkte nehmen. Es gibt keinen Bezirk der menschlichen Seele, der sich nicht zur Erforschung und Evongelisation eignete und nicht Studium und Aufmerksamkeit verdiente, und sei es auch nur in der Form eines Lehrgemäldes. Die Leidenschaften bedeuten für den Menschen nicht nur eine Quelle des Irrtums, der Versklavung und der Züchtigung, sie sind auch ein Mittel der Läuterung, nach den Worten des Aristoteles, und der Heilung. Ich fasse dahingehend zusammen, daß eine Leidenschaft nie losgelöst vom Kreuze gedacht werden sollte. Es fehlt der Leidenschaft etwas, wenn der Schmerz nicht einbezogen ist, wenn es nicht ein Kreuz dabei zu umarmen gilt. Und anderseits fehlt etwas dem Kreuz und dem Gekreuzigten, wenn diese Magdalena mit den entblößten Schultern und dem aufgelösten Haar nicht mit auf dem Bilde erschiene, in das sie auf alle Zeiten eingegangen ist. Christus und Magdalena sind auf alle Zeiten nicht mehr voneinander zu trennen. Zu Seinen Füßen hat die heidnische Schönheit sich erfüllt, das ist der Platz, der ihr von Anbeginn an vorbestimmt war und ihr nie mehr genommen werden kann.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung