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5000 Tote

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„Sie hatten sich, Skeptiker, die sie waren, naturgemäß der, wie sie sich, kaum da, wo das Fernrohr montiert gewesen war, angekommen, immer wieder vorgesagt hatten, einzigartigen Schönheit dieses Hochgebirges nicht entziehen können“, lautet ein Satz in Thomas Bernhards neuem Erzählband mit dem Titel „Der Stimmenimitator“. Sogar erfahrene und im Umgang mit Fernrohren geschulte Alpinisten werden Mühe haben, sich durch Bernhards zerklüftete Sprachlandschaft, die von seinem düsteren Lebensgefühl ironisch überschattet wird, in höhere Gedankenregionen emporzulesen. Wie leicht kann man, dem Vorbild des Autors folgend, auf jene von zahlreichen Leichen gesäumten Abwege ins scheinbare Tiefsinnbilderreich geraten, wo naturgemäß tödliche Langeweile herrscht.

Nekrophile Charakter kommen jedenfalls auf ihre Kosten.

In den mehr als hundert kurzen Prosastücken ereignen sich, grob gerechnet, etwa 5000 mehr oder weniger naturgemäße Todesfälle. Drei Phüosophieprofessoren sprengen sich samt ihren Familien in die Luft, ein gewisser Schluemberger zündet das Altersheim von Colmar an (478 Tote), 180 Linzer sterben an einem „falsch verstandenen Rezept“, und ein eigenwilliger Schriftsteller erschießt sein Publikum, das

seine geniale Begabung nicht erkennt. Wenn dieses Beispiel Schule macht...

DER STIMMENIMITATOR. Von Thomas Bernhard. Suhr-kamp Verlag, Frankfurt/Main 1978, öS 140,-.

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