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Abkanzler Kreisky

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Bundeskanzler Kreisky ist zum Abkanzler geworden. Er kanzelte seinen Staatssekretär Veselsky vor versammelter Joumalistenschar ab, worauf dieser - offiziell natürlich aus anderen Gründen - zurücktrat. Er kanzelte die Vertreter des Katholischen Familienverbandes ab, weil über ein Funkgerät („ein Abhörgerät” - so Kreisky), das ein Funktionär zu den Verhandlungen mitgebracht hatte, Schmährufe in die heiligen Hallen des Ballhausplatzes drangen. Und er kanzelte - mit etwas mehr Berechtigung - die Atomkraftgegner ab, mit und unter denen Linksradikale ihr politisches Süppchen kochen wollten, in offenbarer und naiver Unkenntnis des Umstands, daß aufgeklärter Absolutismus zwar bereit ist, alles für das Volk zu tun, das Volk selbst aber nichts zu tun lassen …

Daß Kreisky jeweils die erste Gelegenheit zum Abkanzeln zu nützen wußte, zeigt sein politisches Geschick, daß die Demonstrationsfüh- rer ihm rasch einen Vorwand zum Abkanzeln lieferten, deren politische Ungeschicklichkeit. Aber eines sollte sich der geschickte Abkanzler Bruno Kreisky vor Augen halten: Die Forderungen der Familienvertreter waren mehr als verständlich (und es stehen mehr Menschen dahinter als die 700 vom letzten Dienstag), die der Atomkraftgegner (von den paar echten „Lausbuben” und Sympathisanten” abgesehen, mit denen Kreisky alle in einen Topf werfen wollte) zumindest legitim. Die damit verbundenen Fragen lassen sich nicht so abkanzeln wie Demonstranten. Um sie zu lösen, bedarf es keines Abkanzlers, sondern eines Bundeskanzlers Bruno Kreisky!

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