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Absurde Prater-existenz

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In seinem neuen Buch beschreibt Hermann Gail die widersprüchliche Mischung aus handfestem Amüsierbetrieb und tristem Selbstbetrug am Beispiel des Wiener Praters, Zu-flucbts- und Aufenthaltsort gescheiterter Existenzen, kleiner Ganoven, Spieler, Trinker, Betrüger, Schnorrer, Prostituierter nebst Gefolge, die von der Naivität Neugieriger profitieren. Um sich nun nicht mit oberflächlichen Impressionen aufhalten zu müssen, schlüpft Gail als Erzähler in die Rolle eines Praterbruders, der gelegentlich als Fälscher gearbeitet hat, vorübergehend als Deutschlehrer für Ausländer tätig ist und sich vom Bodensatz jener Gescheiterten angezogen fühlt, die in der Scheinwelt des Praters Zuflucht suchten.

Der Autor vermeidet tunlichst eine klare Trennung zwischen kleinbürgerlichen Wiener Bezirken, zwischen denen die Praterauen so etwas wie eine exterritoriale Zone des Vergnügens darstellen, und der Halbwelt. Die Übergänge bleiben fließend. Dabei fällt die widersprüchliche Figur des Helden auf, der im Grunde als gescheiterter Bürger instinktiv an Wirtshaustischen Zuflucht sucht, ohne die Kraft zu finden, das Milieu wieder zu verlassen. Diese zwiespältige, unentschiedene Haltung wird zum Stilprinzip für Gail. Sie dient dazu, die teils abschreckende, teils schillernde Ausnahme transparent zu machen. Mit einigen gut beobachteten Typen, kleinen Charakterporträts, zeigt Gail anschaulich, wie An-

lagen und Fähigkeiten verkümmern und schließlich als stumpfe Waffen gegen eine Gesellschaft dienen, mit denen die Menschen im Prater nicht mehr fertig werden können oder wollen.

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