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Adieu, Marcel!

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Er war ein guter Schriftsteller, ein Grübler, sanft und melancholisch, war in skurrilen Erinnerungen und tiefsinnigen Phantasmagori-en daheim, schöpfte seine Inspiration vor allem aus dem guten Einfall des Augenblicks und aus dem Strömen der Sprache, und schrieb also vor allem Hörspiele. Eines von ihnen, „Grenzgänger“, wurde in dreißig Sprachen übersetzt.

In seiner alten Mühle in Unterrabnitz empfing er jährlich Hörspielautoren und Dramaturgen. Man lauschte Tonbändern, man diskutierte, man stärkte sich an den Schnäpsen des Burgenlandes. Die alte Mühle wurde zum Hörspiel-Zentrum, für die deutschsprachigen Rundfunksender bedeutsam.

Marcel Nehrlich, geboren in Mährisch-Ostrau, unter dem Pseudonym Jan Rys bekannt geworden, ist vor wenigen Tagen gestorben. Er war fünfundfünfzig. Durch seinen frühen Tod wird sein Lebensgefühl, auch die Phantasiewelt seiner Hörspiele, seltsam bestätigt: diese Bereitschaft zum ruhigen Verzichten, die Freude an der Vieldeutigkeit des Spiels, der Hang zur tragischen Groteske.

Adieu, Marcel. Wir haben dich gut leiden können, wir haben dich geschätzt, waren dir dankbar. Ich befürchte, wir haben unsere Zuneigung nicht deutlich genug gezeigt. Nun ist's zu spät.

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