Mit der Berufung des deutschen Regisseurs Claus Peymann an die Spitze des Burgtheaters könnten der ersten Bühne des Landes neue Möglichkeiten eröffnet werden. Diese betreffen nicht nur die Theaterbesucher. Durch die Spielplangestaltung, durch den Stil der Aufführungen, durch das Hervorheben bedeutender Schauspielerpersönlichkeiten können vom Burgtheater kulturhistorisch bedeutsame, auch politisch wirksame Vorbilder geschaffen werden. […]Die Lehren aus der Ära Benning und die Hoffnungen, die an eine Direktion Peymann geknüpft werden können, machen es notwendig, auf eine einfache,
Sommer für Sommer durchwanderte er allein die Dolomiten. Diesmal kehrte er nicht zurück. Er ist verschwunden; vielleicht verunglückt, vielleicht einem Herzleiden erlegen. Wir hoffen immer noch: er könnte auftauchen, lächeln, seine Arbeit fortsetzen, als wäre nichts geschehen. Aber die Hoffnung ist gering. Es gilt, Abschied zu nehmen.Alfred Focke war ein gütiger, kluger, um Wahrheit ringender Mensch, heiter und geduldig, wortkarg im Gespräch und wortgewaltig, wenn es darum ging, den geistigen Kern der Dinge zu formulieren. Er stellte sich den Herausforderungen unserer unruhigen Zeit,
Im Jahr 1864 heiratete Regina, die damals gerade das Handwerk einer Hebamme erlernte, den um viele Jahre älteren Josef Garzö, einen Witwer, der in der Nähe von Nyiregyhäza mit Hilfe dreier halbwüchsiger Söhne eine große verlotterte Wassermühle betrieb. Er war noch schweigsamer als sie, auch um einen Kopf größer und' von außergewöhnlich breiter Statur, sodaß er an die Mehlsäcke erinnerte, die er seit Jahren zu schleppen hatte. Seine riesenhafte Gestalt, der buschige graublonde Bart, die kleinen veil-chenfarbenen Augen, deren Ausdruck man je nach innerer Einstellung für
Garzö, Regina, geboren 1846 in Kisvärda, gestorben 1917 in Nyiragyhäza, Ungarn, wäre ihren tiefsten Neigungen nach gerne Hexe geworden, wurde aber durch ihren Stolz zurückgehalten, die finsteren Mächte, die sie von allen Mächten der Welt noch am wenig; sten verachtete, zu Hilfe zu rufen. Ihr Vater diente lebenslang einem Dorfschmied, ihr Großvater hatte das Schmiedehandwerk als Wandergeselle meistens auf eigene Rechnung ausgeübt. Dessen Vater war Waffenschmied gewesen. Über die Mütter und Töchter war wenig bekannt. Regina Garzös Mutter war angeblich das jüngste Kind eines
Vargha, Jänos, geboren 1879 in Nädundvar, Ungarn, gestorben 1945 an den Folgen eines Fliegerangriffes in Budapest, war das siebente Kind eines besitzlosen Bauern, dessen Urahnen allerdings im 17. Jahrhundert im Rahmen der Nobilitierung von fünftausend Heiducken3” durch Istvän Graf Bäthori, Fürst von Siebenbürgen, in den Adelsstand erhoben worden waren. Während der Erntezeit war der Vater als Schnitter beschäftigt, sonst verrichtete er Gelegenheitsarbeiten und wurde als Kutscher und Pferdekenner geschätzt. Obwohl er sich nicht schonte, brachte er es nie soweit, seine Kinder mit
Was wir heute in Ost und West erleben, ist vor allem eine Rebellion der Seelen. Sie steht in mannigfaltiger Hinsicht in den Traditionen des Kontinents. Europäer sind es, die sich veranlaßt sehen, den Gleichklang zwischen der menschlichen Natur und den Lebensbedingungen wiederherzustellen; ihre Sehnsucht folgt ganz bestimmten Denkmodellen und tief sitzenden Dispositionen der Empfindung. Ihr Vorhandensein in unserem Wesen ist kein Anlaß, stolz oder überheblich zu sein, doch gibt es keinen vernünftigen Grund, die beglückende Kraft und verfeinerte Bildhaftigkeit einer Kultur zu verleugnen,
Indem ich die hinterlassenen Papiere meines verstorbenen Onkels Ren£ Powolny der Öffentlichkeit übergebe, glaube ich, meine Pflicht gegenüber der Firma Just vormals Powolny & Hawlik zu erfüllen, zur Klärung der politischen, ja historischen Rolle meines Großonkels Leopold Powolny alias Gerd Golding beizutragen und schließlich die Erinnerung an den Forschergeist des verstorbenen Verfassers wach zu halten.Ich habe mit der Veröffentlichung lange gezögert. Unsere Firmengruppe ist in der Welt nicht gerade unbekannt, und es erschien bedenklich, manche bisher unbekannte Einzelheiten
Die kochende Milch hob sich in Form einer weißen beben- den Kuppel über den Topfrand, während ein Soldat in Pickelhaube die Herdtür aufriß, sodaß sein Schatten im zuckenden Wider- schein des Feuers an der Wand und an der Zimmerdecke erschien. Später hörte ich sein heiseres La- chen und die ruhige Stimme meiner Amme, die die Korbflasche aus der Ecke hob, einen Bierstutzen mit Wein füllte und auf die Tischkante stellte, wie sie es jedesmal tat, wenn ihr Bruder zu Besuch kam. Der Soldat hatte sich währenddessen aus einem Blatt Zeitungspapier einen Fidibus gedreht, den er ins Herdfeuer
Ist die deutsche Literatur dazu verdammt, tiefgründige Aussa- gen zu machen, moralische Stand- orte der idealistischen Philosophie in belletristischer Form vorzufüh- ren (oder anzugreifen), selbst um den Preis krampfhaften Würgens, unbedingt etwas gänzlich Neues hervorzubringen, und dabei den Sinn dafür verloren zu haben, die Möglichkeit eines erfreulichen Ne- beneinander mehrerer gleicherma- ßen erfreulicher Experimente, Stil- richtungen und Geisteshaltungen in Erwägung zu ziehen?Wirkt der schwer verständliche Mythos einer absurden Götterdäm- merung auf die deutschen Maße und
Ernst Jünger, dessen 95. Ge- burtstag wir feiern, hat von Anfang an heftigen Widerspruch, noch mehr Bewunderung geweckt; vom Publikum wurden vielesseiner Werke nicht verstanden. Daran war der Autor selbst schuld: er formu- liert stets im Geiste einer unbe- kümmerten Hermeneutik. Er läßt den Leser am lebendigen Fluß des Denkens, Erinnerns und Erkennens Anteil haben; die mystischen Codes der Jüngerschen Sprache muß die- ser wohl selber knacken.Die berühmt gewordene Flucht Jüngers in die Fremdenlegion kurz vor dem Ersten Weltkrieg zeigt den Achtzehnjährigen im Zustand des Aufruhrs gegen
Durch die europäische Wende des Herbstes 1989 gewinnt die geistige Struktur, damit aber auch die kul- turelle Dimension der Weltausstel- lung neue Facetten und zusätzliche Farben - und zwar in mehrfacher Hinsicht: Das Motto „Brücken in die Zukunft“ kann, ja muß neu definiert, der österreichische An- teil mit Rücksicht auf die Möglich-keiten der ARGE Donauländer gewiß erweitert, das Auftreten neuer demokratischer Kräfte aus dem mitteleuropäischen Raum über- dacht werden. Erweiterungen, Ver- schiebungen, sich eröffnende gei- stige und ökonomische Quellen schaffen neue
Bei der neuerlichen Lektüre der Erzählungen Peter Roseggers weitet sich das Bewußtsein. Ein Element rückt ins Licht, das uns, Autoren erzählender Prosa, über Zeiten und Räume hinweg - und also auch mit Peter Rosegger - verbindet. Die Beschäftigung mit dieser Frage führt zu einem Punkt, an dem die Eigenart des Talents, vielleicht des Genies, von Rosegger zu orten ist, wie nicht anders zu erwarten in jenen Momenten der künstlerischen Arbeit, in denen sich das Instinktive mit dem Bewußtsein berührt. Das Ergebnis wird in der Sprache faßbar.Roseggers Prosa wurde und wird von
Zwanzig Jahre lang hatte sie sich nicht gemeldet, nun aber schrieb sie: Die Söhne wären erwachsen geworden, Lastkraftwagenfahrer der eine, Lehrer der andere, der Ehemann - Juraj, Du weißt doch -hätte sie vor neunzehn Jahren verlassen, ihr hätte man nun höheren Orts gestattet, in Frühpension zu gehen - die Hände wollen nichts mehr greifen -, und so lebte sie ruhig dahin, eine geschiedene Frau, für Söhne und Enkelkinder, imHaushalt gäbe es immer genügend zu tun.Dem kurzen Bericht folgte die Einladung: Ich möge sie doch demnächst besuchen, sie wäre immerhin meine Cousine und die
Durch den Schönbrunner Park zu streifen, allein, zu zweit, an einem nebligen Nachmittag im Herbst oder im filigranen Schatten eines nach Frische duftenden, unter dem zarten Blau des Himmels apfelgrün schimmernden Morgens im Frühling - in solchen Minuten, glücklichen halben Stunden läßt sich der genius loci vernehmen: vielleicht treten manche einstigen Bewohner des Schlosses in - imaginäre - Erscheinung, vielleicht auch nur ihre einstigen Ratgeber, Herzensfreunde, Domestiken oder Minister, vielleicht aber begnügt sich die Phantasie damit, sich einem nicht näher bestimmbaren, elegischen
Heimkehr nicht in die verlorene, sondern in die ersehnte Behausung der Kindheit: in das anders Geartete und durch wiederholte Tagträume dennoch bereits Vertraute.Vielleicht haben Urgroßväter hinter ähnlichem Gemäuer vorübergehend Zuflucht gefunden wandernde Handwerker, Gelegenheitsarbeiter, Musikanten oder mietbare Schreiber der Wochenmärkte im Dienste von verliebten Köchinnen oder prozessierenden Bauern, die es drängte, sich schriftlich zu äußern, ohne des Lesens und Schreibens kundig zu sein Vielleicht war einer der Ruhelosen in ein Haus solcher Beschaffenheit eingekehrt, in die
Autorender FURCHE waren bei diesem Gedankenaxistausch in großer Zahl anwesend. Der Philosoph Peter Kampits leitete den Arbeitskreis über die Zukunft des Donaufestivals, der Romancier Peter Marginter führte die Ge-sprächsrxmde über Kulturkontakte in der Donauregion, Autorinnen wie Jeannie Ebner, Elisabeth Schawer-da xmd Ilse Tieisch beteiligten sich an den Diskussionen, lasen aus ihren Werken. Zxim fünften Mal traf sich der Autorenkreis der Kxiltur-zeitschrift „morgen“ auf Schloß Ottenstein, xmd die Debatten waren lücht nxir sinnvoll, sie brachten auch handfeste
Ein neuer Bildband über Wien? Der österreichische Leser ist, was solche Darstellungen betrifft, skeptisch gestimmt. Zu oft wurden ihm - meistens liebliche, manchmal herbe - Klischees präsentiert, zu gut glaubt er die Residenz zu kennen.Das neue Wien-Buch von Ernst Hausner zeigt die historisch gewachsene Größe der Stadt und läßt auch ihre Anmut spüren; es konzentriert auf das Architektonische und verliert die Einzelheiten nicht aus den Augen; es gibt breiten Raum der Jahrhundertwende und den letzten Jahrzehnten, vermag aber auch die Gegenwart als Teil eines großen urbanen Prozesses
Wenn jemand die gegenwärtigen Vorgänge in der Sowjetunion besser verstehen will, sollte er Gontscharows Roman „Oblomow“ zur Hand nehmen. Denn dieser seltsamste aller russischen Erzähler des 19. Jahrhunderts hat mit Oblomow nicht nur einen Typus, sondern zugleich das Psychogramm einer für Rußland bis heute bezeichnenden menschlichen Haltung geschaffen.Iwan Alexandrowitsch Gontscharow (1812 bis 1891) schildert in seinem 1859 veröffentlichten Roman das Leben eines jüngeren Mannes, der seine Tage und Jahre meistens zu Hause und am liebsten im Bett ruhend verbringt. Oblomow ist weder
Egon Schieles Werk steht im Mittelpunkt der berühmten Sammlung von Rudolf Leopold. Nun werden Schiele und weitere vierundzwanzig Maler der Kollektion am Beispiel von Reproduktionen präsentiert. Das Buch „Egon Schiele und seine Zeit“ (herausgegeben von Klaus Albrecht Schröder und Harald Szeemann, Prestel-Verlag, München 1989, 296 Seiten, öS 608,—) ist ein wesentlicher Beitrag zur österreichischen Kunstgeschichte der Jahre 1900 bis 1930. Anton Kolig, Carl Moll, Max Oppenheimer, Alfons Walde, Franz von Zülow und andere Meister stehen für die Vielfalt einer bisher oft unterschätzten
Da stehen sie, die Kirchen in der Christnacht, flackerndes Licht hinter den schmalen Fenstern, und in den Orgeln die Spannung der bald erklingenden Musik. Sie sind Gehäuse eines Wunders, das leicht verständlich ist und unbegreifbar bleibt. Noch ist es der Glaube, der uns bewegt, aufzubrechen, die Kirche zu besuchen, vielleicht auch die Frömmigkeit, die Freude an der Gemeinschaft, das Bedürfnis, dem uralten Brauch zu folgen. Was sich dann während der Mette ereignet, ist das Geheimnis dieser Nacht.Wir alle kennen diesen Augenblick der Sehnsucht und des Leids, der Läuterung, der Scham und
Die Städte Wien, Prag und Budapest bilden seit nahezu tausend Jahren ein Dreieck fruchtbarer geistiger Spannung. Nicht zufällig sind in diesen drei Städten immer wieder Dynastien hervorgetreten, die die Einheit des Raumes begriffen. Der Kampf zwischen den frühen Habsbur-gern, den Przemisliden und den Arpäden hatte nicht einen Traum zum Ziel; er war der Erkenntnis geistiger und ökonomischer Zusammenhänge entsprungen.Prag, im Verhältnis zu den beiden anderen Städten im Westen und zugleich nahe dem Kern des Heiligen Römischen Reiches gelegen, hatte sich immer wieder als Mittelpunkt
Mein Vater lebte noch. Es war im Sommer. Ich ging in die Wohnung der Eltern, um den Briefkasten zu öffnen und ihnen die Briefe und die anderen Postsendungen der letzten Wochen nachzusenden. Da lagen nun all die Papiere auf der pastellfarben bestickten Tischdecke des kühlen Zimmers; ich sichtete, wählte aus, sah die Ansichtskarten an, las die Namen der Absender; eine gelbliche Postkarte fiel mir auf, die Schrift war mit einem Tintenbleistift hastig aufs Papier gekritzelt, die Briefmarke zeigte das Gesicht eines Politikers aus der Tschechoslowakei.Die Tante meiner Mutter hatte geschrieben.
Wir überfliegen gerade den Nordwesten Deutschlands; durch den Lautsprecher meldet sich der Pilot. Er stellt sich vor, wünscht einen angenehmen Aufenthalt an Bord und teilt mit, daß wir über dem Nordatlantik mit einem Sturmwind rechnen müßten. Wir, noch festgeschnallt in unseren Sitzen, lehnen uns behaglich zurück und versuchen, ein wenig belustigt oder wenigstens zerstreut zu wirken.Unter allen Umständen die Haltung zu wahren: es ist die Erbschaft unserer Zivilisation; Wir sind Meister im Spiel mit der Angst. Der nächste Satz schafft Erleichterung. Wegen der möglichen Turbulenzen
Der Büchermarkt dieses Herbstes erinnert im deutschen Sprachraum an einen wirklichen Markt. Ein Mittelpunkt ist nicht zu erkennen, eine vorherrschende Mode kaum zu orten.Während in vielen Kauf ständen vor der Vernichtung der Umwelt gewarnt wird, wobei einige Marktschreier mit lauter Stimme den herannahenden Weltuntergang verkünden, werden schräg gegenüber kostbare Kunstbücher angeboten, wahre Prachtexemplare der weltumfassenden Zusammenarbeit, denn ihr Text wurde in Irland hergestellt, der Druck in Hongkong besorgt, die Bindearbeit in Bayern erledigt und das Produkt in mehreren Ländern
Die Stunde lockt, der Geist weitet sich, sucht nach Nahrung; die leichte Müdigkeit, die den Körper mehr umspielt als erfaßt hat, fordert keinen Schlaf, im Gegenteil: Dieses wohlige Nachlassen physischer Spannkraft gegen neun Uhr abends setzt die Neugier in Bewegung. Etwas muß unternommen werden, etwas Erregendes und zugleich Sanftes, das wohl Neues erschließt, den Kreis der Vertrautheit aber nicht überschreitet.Neugier ist nicht das richtige Wort; das Gefühl beginnt festereForm zu gewinnen, es ist erfüllt von einer Erwartung, die sich allerdings auf eine Wiederholung richtet, auf ein
Dieses Buch ist, gerade durch seine Aufrichtigkeit und Subjektivität, ein Zeitdokument: Geschichte nicht nur eines Lebens, sondern einer Weltsicht. Wer künftig wissen will, wie Intellektuelle der „heimatlosen Linken“ in diesem halben Jahrhundert gedacht und empfunden haben, wird die Erinnerungen Milo Dors lesen müssen.Das Buch ist, nebstbei, auch ein Beitrag zur Literaturgeschichte unserer Zeit. Es zeigt, warum den etwa zwischen 1920 und 1930 geborenen österreichischen Erzählern der hermetische Standort des l'art pour l'art so fremd bleibt. Herbert Zand, Gerhard Fritsch, Reinhard
Die Szene werde ich nie vergessen. Da stand er, der Gelehrte aus Jerewan, auf der Rednertribüne, und sprach im sachlichen Tonfall, ein wenig melancholisch über die Zustände in Armenien. Die Fernsehreportage zeigte mitunter auch das Präsidium des Obersten Sowjets und unter den Zuhörern des Professors ein paar mißmutig, eher geduldig lauschende Männer. Einer von ihnen, Michail Gorbatschow, hielt es für angebracht, den Gelehrten zu unterbrechen. Wozu denn das alles derart ausführlich zu schildern wäre, fragte der Parteisekretär.Der Professor legte die Brille ab und die Papierbögen
Zum ersten Mal werden, im Rahmen des Niederösterreichischen Donaufestivals, Gelehrte und Autoren aus den sieben Donauländern zu einer sachbezogenen und doch freimütigen Beratung zusammentreten. Zu ihnen gesellen sich Forscher und Literaten aus jenen Teilen Italiens und Polens, die mit unserem Raum geistig eng verbunden sind. Eingeladen sind auch Gelehrte aus Frankreich, England, der Schweiz und den USA, die sich mit der Donauregion befassen. Einen Gedankenaustausch dieser Art hat es noch nie gegeben.Warum aber in Niederösterreich und warum gerade in diesem Jahr?Das Kernland Österreichs
Es ist über drei oder eigentlich vier Romane zu berichten, die hier in unserer Gegend geschrieben wurden, genauer im östlichen Teil jenes Mitteleuropa, das manchmal viel westlicher liegt als der Westen, wenn wir mit diesem Begriff die hohe Kultur der aus Stein oder aus Geist errichteten Kathedralen, die glühenden Auseinandersetzungen, das Leiden an der Verantwortung und an der Unwägbarkeit der Ratio und die Verinnerlichung der Welt durch den Glauben bezeichnen.Diese drei oder eigentlich vier Romane wirken, verglichen mit der erzählenden Prosa berühmter deutschsprachiger Autoren, unserer
Für unsere Generation begann die Bildhauerkunst der Gegenwart mit Auguste Rodin. Was vor ihm gewesen ist, war Gegenstand der Kunstgeschichte, was nach ihm kam, mußte sich mit ihm messen. So stießen wir später auf Aristide Maillol. Seine Liegenden in'Bronze, vor dem Louvre, auch andere seiner Skulpturen, die wir nach und nach kennenlernten, hatten die Rodinsche Idee der in sich ruhenden, materialgebundenen, aber gerade im Dialog mit dem Material über dieses hinauswachsenden Plastik weitergeführt. Die Lust an der Abbildung naturnaher Körper war geringer geworden, dafür trat das
Kennst du den Ball, wo Wiener Frohsinn blüht, vor Freud“ ein jedes Mädchenauge glüht?“ schrieb ein gewisses Fräulein Ce-lestina Truxa im Jahre 1909. Ihr liebliches Gedicht ist auf Seite 61 im „Ballbuch der Deutsch-österreichischen Schriftstellergenossenschaft“ dieses Jahres abgedruckt, anläßlich einer festlichen Veranstaltung in den Sofiensälen, die mit dem „Einzugsmarsch“ aus „Tannhäuser“ eröffnet und mit der Polka „Mit Chic“ von Eduard Strauß beendet wurde. Beinahe jedes Jahr lieferte das Fräulein Truxa einen Beitrag für das aktuelle Ballbuch; so trat sie
Seine Romane und Erzählungen zeigen das Leben aus der Sicht eines nachdenklichen, genau beobachtenden, manchmal erstaunten, aber stets verständnisvollen Spaziergängers; seine Essays und Betrachtungen lassen in den Wechselspielen der Natur, des Schicksals und der Kunst das Dauerhafte begreifen; selbst in den zum Tagesgeschehen verfaßten Marginalien ist die untadelige Haltung eines ebenso kritischen wie mitfühlenden Geistes zu spüren: Erik G. Wickenburg, der FURCHE seit vielen Jahren verbunden, feiert am 19. Jänner seinen 85. Geburtstag.Die österreichische Literatur verdankt ihm ein
In den letzten Jahren ist die Sehnsucht nach der Stille stärker geworden. Die zumeist jungen Leute, die Wälder und Felder durchwandern, Wasserfälle und Auwälder schützen, sehen sich als Bewahrer von Naturkräften, wollen sich aber auch dem Lärm der Großstadt entziehen. Wie zu Zeiten des Horaz ist das Leben in ländlicher Abgeschiedenheit zur Mode, zuweilen zum kultischen Akt geworden. Die Warenhäuser locken mit naturbelassener Nahrung; die Trauminseln der Prospekte der Reisebüros zeigen menschenleere Sandstrände. Einfachheit lautet die Parole. An einem Höhepunkt der technischen
Dem Ubermaß an Leid wird kein Wort gerecht. Die Wirklichkeit ist an diesem Punkt stärker als die Sprache. Qualen können in der Phantasie eines anderen nachvollzogen, nicht aber mitempfunden werden. Ihre Vielzahl wirkt lähmend: die Empfindung wehrt sich, indem sie sich stumpf stellt. Theodor Adornos bekannter Satz über die Unmöglichkeit, nach Auschwitz noch Poesie hervorzubringen, zielt freilich am Genius, der allen innewohnt, vorbei. Mit jedem Menschen wird die Poesie neu geboren. Aber über Auschwitz Gedichte schreiben kann man in der Tat nicht.Dennoch bleibt Zeugenschaft für Autoren
Preisverleihungen sollen Maße setzen. Sie dienen der Demonstration einer Einsicht In diesem Sinne ist die Verleihung des Manks-Sper-ber-Preises an Claudio Ma-gris zu begrüßen: sie ehrt ein bedeutendes Werk, das Sperbers Gesinnung vertritt.Der Preis wird vom Bundesministerfür Wissenschaft und Forschung vergeben. Dessen Vorgangsweise wird nun im „profil“ gewohnt ätzend attackiert. Was ist geschehen?Eine beratende Jury wollte den Preis mit Stimmenmehrheit zuerst dem Kritiker Franz Schuh, dann dem Schriftsteller Ossi Wiener vergeben. Auch Magris stand in der engeren Wahl.Wieners
Europalia: die Wortschöpfung wirkt auf den ersten Blick befremdlich. Die Phantasie sucht nach sprachlichen Analogien und findet endlich zum Bild einer ländlichen Landstraße unter dem renaissanceblauen Himmel Italiens. Der matte Glanz der schweren Steinquadern lädt zum Wandern ein, zwischen den Pinien am Wegrand leuchtet der verwitterte Marmor so zeitlos wie in den Gedichten von John Keats. Wir befinden uns auf der Via Aurelia, nahe Rom.Aurelia, Europalia, der Gleichklang weist die Richtung. Auf einer Via Europalia wollen wir gerne wandern.Die Vorstellung bleibt freilich abstrakt. Der
Der neue Analphabetismus greift um sich. Immer mehr Menschen in Österreich haben Schwierigkeiten mit dem Schreiben und dem Lesen. Was sind die Ursachen des Übels? Wie wollen die Schulen und die Erwachsenenbildung auf die neue Herausforderung antworten? Die alarmierende Lage fordert Taten.
Grenzen haben für den Geist kaum Bedeutung. Sie markieren den Übergang von der einen Spielart menschlichen Irrens und Wirrens zur anderen. In kritischen Phasen gilt es freilich, den Geist zu schützen. Die chinesische Mauer, der römische Limes sicherten das Gedeihen von Hochkulturen. Zur Zeit des Dritten Reiches fiel der Schweizer Grenze dieselbe Rolle zu.Nur für das Wirken materieller Interessen ist die Grenze bedeutsam. Das Militär sieht eine Linie der Verteidigung, einen möglichen Ausgangspunkt des Angriffs, die Wirtschaft eine Chance, den Zustrom fremder Produktion aufzuhalten. Das
Alles, was wir tun oder unterlassen, wirkt auf das Schicksal der Sozietät. Selbst das Verborgenste bricht sich, einem unterirdischen Strömen gleich, seinen Weg zum allgemeinen Geschehen; ebenso werden wir in jedem Augenblick von Wirkungen des kleineren oder größeren menschlichen Gemeinwesens erfaßt.Literatur, sofern sie diesen Namen verdient, stellt den Versuch dar, die Wirklichkeit in der Schrift zur Wahrheit zu verdichten. Dieses Streben betrifft freilieh vor allem die eigene innere Welt, ist der individuelle Versuch, nach den Sternen zu greifen, selbst bewußter zu werden oder auf der
Auf dem Hügelkamm stehen Zypressen neben Pinien. Der Anblick bewegt die Phantasie, man glaubt schlanke Türme und festes Mauerwerk zu sehen. Der Umriß ist unruhig: auch darin liegt ein Reiz, der uns anspricht. Abwechslung bringt das Hoffen in Bewegung, wir fühlen uns in einer sanften Art gefordert. Das heißt: nach einem ordnenden Gesetz zu suchen. Solche geistige Aufgaben bereiten Vergnügen. Varietes delectat. Was uns indessen noch tiefer berührt, ist die Vielfalt der Schöpfung. Hier offenbart sie sich gleichsam geometrisch: beide Bäume sind unter diesem Himmel, in diesem Boden
Attacken gegen Österreich sind auf der Tagesordnung;nicht selten werden sie von Österreichern geführt. Sie rühren indessen bloß an der Oberfläche, dringen nicht in die Tiefe. Das seicht Gedachte hat freilich breite Wirkung: es ersetzt die Wahrheitssuche durch Besserwisserei und enthebt das Publikum der Mühe, nachzudenken.Im Falle von Agitatoren österreichischer Herkunft ist solches Verharren bei dem Gekräusel der Tagespolitik verständlich. IhrZiel ist nicht die Erkenntnis, sondern die radikale Änderung. Diese ist ohne die Zerstörung des Gegenwärtigen nicht möglich. Die lebhafte
Lieben Sie Guttuso? Ich hörte die Frage damals, im Juli, vor fünf Jahren, immer wieder. Sie klang weder neugierig noch zerstreut, sondern leise lauernd, war Teil einer Prüfung, konnte den Fremden zwingen, endlich Farbe zu bekennen. Die Absicht wurde freilich durch den leichten Tonfall einer launigen Konversation getarnt. Die fragenden Stimmen flöteten oder gurgelten matt und gelangweilt; in diesem Kreis war es nicht üblich, Interesse zu zeigen; man sprach lediglich aus Höflichkeit, wartete auf keine Antwort, ließ das Geplauder von einem Gegenstand zum anderen hüpfen, wechselte von
Er war ein Mann, der seine Zeit mit klarem Blick betrachtete und ihrem Ungeist widersprach. In seinem literarischen Werk wendet sich christliche Moral gegen das Chaos, erlebte Kultur gegen den Anteil des Barbarischen in uns und um uns, menschenfreundliche Großzügigkeit gegen Haß und Verblendung. Sein Schreiben war der energische Versuch, die Welt zu formen. Damit war der Schritt zur Tat vorgezeichnet. Er zögerte nicht, als christlicher Reformer unmittelbar zu wirken. Nicht nur in seinen Büchern, auch in den von ihm geschaffenen oder geleiteten Institutionen wird er weiterleben.Rudolf
Das hier folgende Feuilleton ist vor dreißig Jahren entstanden, genauer: am 9. Dezember 1956. Drei Tage zuvor war ich nach einer mehrstündigen Wanderung über die Grenze in Österreich angekommen. Budapest, während der Revolution 1956 zerstört, lag hinter mir. In Wien wurde ich von einem der vielen Österreicher aufgenommen, die sich bereit erklärt hatten, für einen obdachlosen Flüchtling ein Bett bereitzustellen. Hier, in der kleinen Wohnung des Schriftstellers Herbert Eisenreich, brachte ich meine ersten Eindrücke zu Papier. Die Politik blieb ausgeklammert. Zu frisch waren die
Ich werde das Gesicht des jungen, nicht mehr blutjungen, aber immerhin jugendlich salopp wirkenden Experten, der mir aus dem Fernsehgerät entgegenblickte, nie vergessen. Es war weniger ein Gesicht als eine Visage: das Antlitz eines naiven und zugleich verschlagenen Menschen, der seinen etwas unbeholfenen Zynismus offenbar für charmant hielt, und zu einem fein gekünsteltemLächeln anhebend erklärte, daß in seinem Fach alles erlaubt sei, was die Kasse klingeln ließe, ohne Rücksicht auf Anstand, Diskretion, Geschmack und dergleichen mehr. Da saß er, der Luftikus, erläuterte die
Er war ein guter Schriftsteller, ein Grübler, sanft und melancholisch, war in skurrilen Erinnerungen und tiefsinnigen Phantasmagori-en daheim, schöpfte seine Inspiration vor allem aus dem guten Einfall des Augenblicks und aus dem Strömen der Sprache, und schrieb also vor allem Hörspiele. Eines von ihnen, „Grenzgänger“, wurde in dreißig Sprachen übersetzt.In seiner alten Mühle in Unterrabnitz empfing er jährlich Hörspielautoren und Dramaturgen. Man lauschte Tonbändern, man diskutierte, man stärkte sich an den Schnäpsen des Burgenlandes. Die alte Mühle wurde zum
Zu berichten ist über einen Augenblick der ohnmächtigen Wut, des dumpfen Zorns, der Verzweiflung. Der Anlaß war nicht gering: das Schicksal eines Landes, begreifbar geworden durch eine einzige Bewegung einer alten Frau. Dennoch war die Heftigkeit des Gefühls verblüffend. Sie wirkte auf die Physis. Fast hätte sie Tränen in die Augen gedrängt.Ich befand mich in Warschau, wurde von freundlichen Gastgebern im Wohnturm des Hotel Forum untergebracht, sah, roch, fühlte bereits seit Tagen die Armut eines stolzen Landes. Doch ist der Mensch ein anpassungsfähiges Wesen, nur allzu bereit, in
Der Literat, gebürtige Ungar und langjährige Kulturressortleiter der FURCHE beschreibt die Entwicklung von Ungarns Tagen 1956 zum österreichischen Nationalfeiertag 1986.
Wer kennt die Namen? Sie starben im Schlamm der Schlachtfelder, in den Gaskammern von Auschwitz, unter den Trümmern ihrer brennenden Häuser, am Galgen, auf der Richtbank, sie verhungerten, verbluteten, verfielen dem Wahnsinn. Von ihnen waren wir gekommen und doch niemals losgekommen. Das Uberleben gab uns Pflichten auf; es galt, die unterbliebenen Taten der Verstorbenen zu Ende zu führen, ihre Träume weiterzuträumen. Wir waren, ohne unser Zutun, zu Vollstreckern unzähliger Testamente geworden. Der Geist der Toten, der über Europa schwebte, hatte sich in unseren eigenen Geist verwandelt.
Revolutionen sind historische Augenblicke, in denen — für das Gefühl vieler der intellektuellen Mitstreiter — die reine Idee in Wirklichkeit übergeht. Diese Erfahrung, die ich in Budapest während des Aufstandes 1956 gemacht habe, wird im Fernsehspiel .gefristeter Aufenthalt“ vom schwer verwundeten, zur Liebe erwachenden Helden verkörpert.Er ist so, wie wir wirklich gewesen sind: Grübler und Menschenfreund, der in diesem historischen Ausnahmezustand der Inspiration alles unternehmen will, um in aller Welt und vor allem daheim jeder Art von Unterdrückung entgegenzutreten und
Viele wußten, daß er nicht mehr gesund ist. Doch die Anfälle im Sommer sind glimpflich verlaufen. Für den Herbst waren neue Arbeiten geplant. Der Zustand verschlechterte sich plötzlich. Wir, seine Freunde, hätten uns auf das Eintreffen der bösen Nachricht vorbereiten, gegen das Gefühl, mit ihm selbst zu sterben, wappnen können. Die letzten Monate hatten uns gezwungen, dem Tod zu begegnen. Wir haben Jörg Mauthe begraben, nach ihm Herbert Eisenreich. Ein für fest gehaltenes Lebensfundament zeigte Sprünge, begann zu brök-keln. Die Einsicht nutzte uns wenig. Der Tod Helmut Qualtingers
Es ist hundertfünfzig Jahre her, daß Ferdinand Raimund seinem Leben ein Ende gesetzt hat, was ja nicht nur als Zeichen seiner Tragik oder gar einer Sinnesverwirrung zu betrachten ist, sondern als ein letztes Aufbäumen der Vitalität gegen den Wienerischen Zustand, weder anständig leben noch anständig sterben zu können, sondern im Zwischenbereich zwischen Leben und Tod dahinzuvegetieren, die eigene Herzenskälte mit andauerndem herzlichen Schnick-Schnack kaschierend.Raimund und Wien, das ist ein eigenes Thema: Wie eine Stadt immer ausgerechnet ihr jeweiliges Genie frißt. All diese
Der Aufstand gegen die „Glücksmaschine“ schreitet voran. Die Baukunst kämpft für mehr Phantasie - die Ergebnisse sind grotesk. Dennoch: die Wende ist deutlich.
Dem ebenso lesenswerten wie leider vergriffenen „Großen Österreichischen Weinlexikon“ des Autors ist diese Hommage an die charaktervollen steiri-schen Weine entnommen.
Der Schriftsteller Herbert Eisenreich ist tot. Eine Freundschaft von dreißig Jahren hat uns verbunden. Es ist schwer, einen ersten Rückblick zu wagen.An Körper und Seele verwundet ist er aus dem Krieg zurückgekehrt. Spätfolgen machten sich immer wieder bemerkbar. Anfälle der Krankheit mußten überwunden, Erinnerungen an die Bestialität verarbeitet und subli-miert werden. Die Lebensum-stände blieben schwierig, das Vordringen eines neuen Banau-sentums machte das Atmen nicht leichter.Die ersten Jahre nach dem Krieg hatten Hoffnungen erweckt. „So glücklich wie damals waren wir dann nie
Die Idee der engeren Zusammenarbeit der kleinen Völker an der Donau nimmt allmählich Gestalt an. Der Gedanke, lange Zeit vor allem in der Zeitschrift,J?an-nonia“ vertreten, entwickelt und verästelt sich nun in vielen Sym-posien und Publikationen. Das entspricht der Freiheit des Planens, auch der Vielfalt der ethnischen Gruppen und politischen Modelle.Längst hat die Diskussion auf Deutschland übergegriffen. Nach einem anspruchsvollen Symposion der Universität Erlangen ist in Berlin Karl Schlögels Buch „Die Mitte hegt ostwärts“ und in Stuttgart der Sammelband „Mitteleuropa im
Eine Lyrikerin ist zu begrüßen: Anna Maria Schiller. Sie lebt in Moosburg in Kärnten und steht im dreiundfünfzigsten Lebensjahr. Ihr erster Gedichtband „Geht ein Tier...“ mit dem Untertitel „Lyrische Texte“ ist ein Buch über Augenblicke des Empfindens, die das Unbewußte begreifbar und das in der Tiefe der Seele Verschüttete erkennbar machen. Hier ist eine Dichterin am Werk.Ihre „lyrischen Texte“ verdichten Ahnungen zur Sprache. Sie können als Regungen der Hoffnung oder der Angst, auch als Chiffren einer neu gewonnenen Bewußtheit verstanden werden. Sie formulieren bildhaft
Er hörte nicht auf zu hoffen, obwohl er, klaren Blickes, die kleinliche Selbstsucht xind die zähe Trägheit der Welt - und besonders dieser kleinen Wiener Welt -wie kaum ein zweiter erfaßte. Rund um ihn bastelten die Gleichaltrigen und die Jüngeren an ihren Karrieren, setzten mit matter Geschmeidigkeit, raunzend und nörgelnd, zuweilen liebedienerisch schweigend, das Räderwerk ihres Aufstiegs in Bewegung. Er betrachtete sie, all diese kleinen Seelen, mit einem Mitleid, demdie Härte nicht fehlte, durchschaute sie und blickte über sie hinweg: auf das Ziel, das ihn irgend einmal in der
Warum ist das Werk von Kurt Moldovan (1918-1977) derzeit so lebendig? Wie entstand aus leidvollem Schicksal eine Kunst der Vitalität? Die Antwort liegt in der Persönlichkeit des Künstlers.
Er war Kunsthistoriker, unter den Österreichern wohl der bedeutendste der letzten Jahrzehnte. Er befaßte sich mit Michelangelo, mit Rembrandt, mit Fischer von Erlach, schrieb über die Entstehung der Kathedralen und über Fragen der Methodologie, zuletzt aber untersuchte er die Kunst der Moderne. Er betrachtete sie als Zeichen einer Zeit, die eines Tages durch eine neue Epoche überwunden würde.Hans Sedlmayr war nicht nur ein universell gebildeter Gelehrter, sondern auch ein Mensch mit lebendigem ge-schichtlichem Bewußtsein, das stark genug war, auch die Gegenwart als historische Kategorie
Tiefer liegende Strömungen des geistigen Lebens machen sich selten durch deutliche Zeichen bemerkbar. Zu verschiedenartig sind die Quellen, zu dünn die einzelnen Wasseradern, die das Erdreich durchziehen. Erst allmählich formt sich das Wirrwarr zum System, gewinnt die neue Einheitlichkeit eine deutliche Richtung. Endlich treten auch an der Oberfläche manche Veränderungen zutage. Sie sind vorerst von geringer Bedeutung und werden selten beachtet. Schließlich steigt, was bis dahin in der Stille wirkte und werkte, als elementare Kraft aus der Tiefe. Sie gibt dem Denken eine neue Richtung,
Zehn Jahre ist es her. In Ungarn war ein neuer Erzähler erschienen, und das literaturverliebte Land stürzte sich vergnügt und augenzwinkernd in diese anders geartete Welt einer geschmeidigen, tiefsinnigen und zugleich ironischen Prosa. Peter Esterhäzy hieß der Autor, damals fünfundzwanzig Jahre alt.Roman folgte auf Roman, und die Titel versprachen allerlei Überraschungen. „Laß das Kapern auf päpstlichen Gewässern“ (1977) hieß der eine, „Wer haftet für die Sicherheit der Lady?“ (1982) der andere, und zuletzt erschien gar eine „Kleine ungarische Pornographie“ (1984). Es
Während eines langen Lebens war Franz Theodor Csokor mit der Besserung der Menschheit beschäftigt. Er glaubte in jungen Jahren daran, die Welt durch die Macht des aufrechten Wortes zu erlösen, und ein Rest dieses Anspruchs wirkte noch in seinen späten Werken. Es blieb die Hoffnung, das Publikum durch die Kraft des Dramas ethisch zu läutern. Sie erzeugteUberschwang. Csokors Theaterstücke entspringen einem romantischen Lebensgefühl, er selbst lebte, wenngleich stets bescheiden, so doch im Sinne der Romantik heroisch.Die Germanisten zählen ihn zu den Autoren des Expressionismus. Sie
Die Hochebene rund um Zwettl ist reich an Hügeln. Uber das feuchte Grün der Flachtäler hinweg dringt der Blick bis an die finstere Grenze eines Waldes. Hinter diesem steht die nächste Baumgruppe; an ihr vorbei sieht man am Horizont das kompakte Blaugrün einer bedeutenden Waldung, und so geht es immer weiter auf Böhmen zu.Dieses waldreiche Land kann seinen Mann längst nicht mehr ernähren. An der toten Grenze stirbt der Handel; der Boden ist karg, die Arbeit hart; man produziert mit viel Mühe, auch mit hohen Kosten Feldfrüchte, Fleisch, Milch, Eier - das alles gibt es ohnehin in Hülle
(Bertoni-Mühle, Winden am See, Burgenland; bis 28. September) Unter den österreichischen Bildhauern seiner Generation gehört Wander Bertoni zu den bedeutendsten. Allerdings denkt er. nicht daran, sich als Vertreter eines rundum abgeschlossenen „Bertoni-Stils” zu zelebrieren; sein beweglicher Geist sucht immer wieder nach neuen Ausdrucksmitteln. In diesem Punkt erinnert er an Picasso.Zur Feier seines 60. Geburtstages in diesem Jahr hat der Künstler im Garten, im Ausstellungsraum und in einigen Zimmern seines burgenländischen Domizils zahlreiche Skulpturen aufgestellt, und diese bei
Bücher wie dieses sind unschätzbar: sie zerstören falsche Legenden.Milan Dubrovic, im Jahr 1903 geboren, erzählt, wie es gewesen ist: Der langsame Ubergang von der Monarchie zur Ratlosigkeit der Ersten Republik, das Treiben im Cafe Herrenhof in Wien und die Stunden in den letzten Wiener Salons, der Alltag in Wien nach dem Anschluß 1938.Der Autor schreibt keine Memoiren; Privates bleibt, sofern es kulturhistorisch keine Aussagekraft besitzt, weitgehend ausgespart; auf verallgemeinernde Folgerungen wird verzichtet.Dubrovic zeigt uns Menschen, stellt ihre Lebensform dar, erzählt
Und siehst du”, sagte vor gut dreißig Jahren der Poet, „das Schönste an meinem neuen Gedichtband ist wohl, daß man meinen Wunsch erfüllt und in der Setzerei Lettern vom Typ Bodoni genommen hat.” Der Neunzehnjährige nickte und verliebte sich auf der Stelle in die graziöse Würde und feine Ausgewogenheit einer heiter und klassisch anmutenden Schrift. Nun hatte er Gelegenheit, die Stadt zu besuchen, in der Giambattista Bodoni (1740-1813) seine Kunst der Typographie entwickelt hatte. Die Universität Parma lud zu einem Gedankenaustausch über Mitteleuropa.Ich wollte nicht nur meinen
Gemeinsam mit dem Verlag Styria veranstaltete die FURCHE einen Wettbewerb für christliche Literatur. Mit der Verleihung der Roman-Preise fand er dieser Tage seinen Abschluß.
Das europäische Denken duldet keine dauerhafte Alleinherrschaft von geschlossenen Weltbildern. Sein Lebenselement ist die Bewegung, seine Methodik der Widerspruch. Ahnung antwortet auf Erkenntnis, Wissen repliziert auf Vision. Kaum hat die reine Metaphysik ihr imposantes Gebäude errichtet, nisten rastlose Denker im massiven Gefüge, es kommt zum Aufstand des Rationalismus. Die Herrschaft der Vernunft wird dann als neuer Aberglauben entlarvt und gebrochen: die Vitalität der Instinkte überwindet das Vertrauen in der Berechenbarkeit aller Dinge. ' Abseits des Gewohnten, jenseits des von aller
Es ist kein Zufall, daß den besten deutschen Roman der letzten Jahre kein Literat verfaßt hat, sondern ein Mann, der der Zunft nicht angehört und folglich auch deren Verhaltensregeln nicht respektiert. Erwin Wickert, Jahrgang 1915, war Diplomat, zuletzt Botschafter in Peking. Sein Buch ist ein Werk der Sehnsucht nach dem Vergnügen, das uns Harmonie und klassisches Maß bereiten, und zugleich eine Satire auf den heutigen Zeitungsbetrieb.Thema Nummer eins: Dem in Heidelberg lehrenden Mathematiker Carow gelingt es, sich mit Hilfe von höchst effektvollen Berechnungen in das klassische
Sie ereifern sich für Bücher, die sie nicht gelesen haben und auch nie lesen würden; sie wollen in allen Künsten das Ausgefallene, ob es nun primitiv oder manieriert ist; sie fahren in schicken Limousinen zu Gründemonstrationen; sie sind einerseits für den Fortschritt, anderseits für den Rückschritt in eine vorindustrielle Gesellschaft; sie sind Softys, Machos und aus lauter Schickseinwollen mitunter Homosexuelle; sie wol-len um jeden Preis extravagant sein; sie spielen den Bürgerschreck, denn sie sind eigentlich erschrockene Bürger.Ihre Zahl ist so groß, daß sie von der
Wir leben in einer Plaudergesellschaft. Es wird viel diskutiert, doch enden die meisten Debatten ohne Ergebnis. Diesmal, in Budapest, ist es anders gekommen.Zwei Tage lang saßen wir im Saal des österreichischen Kulturinstitutes, hielten oder hörten, Vorträge, nahmen Stellung, entwarfen gemeinsame Pläne. Histo-riker, Schriftsteller, Soziologen, Publizisten beider Länder waren gekommen, der ungarische Universitätsprofessor Peter Hanäk, die Historikerin Waltraud Heindl, der Ästhetiker Roman Rocek und der Schreiber dieser Zeilen aus Österreich hatten Referate gehalten, schließlich
Komiker, sagt man, sind im Privatleben melancholische Intellektuelle. Fritz Muliar, der nun seinen 65. Geburtstag feiert, ist inder Tat ein nachdenklicher, gebildeter, mit Fragen der Bühnenkunst ringender Mann. Deshalb kann er das eine Mal derb sein und das andere Mal tragikomisch, zuweilen ein Clown und mitunter so etwas wie ein trauriger Held.Er bekennt sich zur alten, menschenfreundlichen Spielart der Sozialdemokratie: ein homo poli-ticus, der, wenn es sein muß, seinen Parteifreunden hart widerspricht. Das fällt auf. Nicht jeder Komiker hat Charakter.Er ist in all den Jahren zum Typus
Das Atelier eines Künstlers ist der Arbeitsraum eines Besessenen. Sein Wahn wurzelt in der Annahme, daß die Wirklichkeit lük-kenhaft und zu ergänzen sei, daß die Realität die in ihr liegende Wahrheit nur durch diese Ergänzung preisgeben könne. Die künstlerische Arbeit mag durch naive Hoffnungen angetrieben werden, die persönlich erfahrene Einsamkeit zu überwinden .oder die übrigen Mitglieder der Zunft durch eine Hochleistung zu übertreffen; sie mag der Eitelkeit entspringen, der Formverliebtheit oder dem Gefühl, eine ethische Mission zu erfüllen: Alle diese möglichen Motive
Es ist heute wieder notwendig geworden, über das Buch nachzudenken. Ich meine damit nicht die Arbeit der Autoren, der Drucker und Verleger, der Buchhändler und die so notwendige Mitarbeit der Leser, sondern einfach den Gegenstand, den wir auf deutsch — aufgrund des germanischen Brauches, Buchenholz als Schreibmaterial zu benützen — Buch nennen.Zuletzt waren es die Männer der französischen Aufklärung des 17. und 18. Jahrhunderts, die sich veranlaßt sahen, für das Buch einzutreten, vor ihnen die Humanisten der Renaissance. Beide Gruppen versuchten, dem menschlichen Denken mehr
Neuernannte Minister neigen dazu, ihren Amtsantritt mit großen Worten einzubegleiten. In Pathos macht sich Ergriffenheit angesichts der großen Verantwortung bemerkbar. Auch verlangt die Gelegenheit nach einem klaren Programm. Rhetorisch veranlagte Naturen kämen freilich auch in die Versuchung, in der feierlichen Minute die Öffentlichkeit, und sich selbst, zu blenden.Das Wahlvolk neigt jedenfalls angesichts solcher Deklarationen zu einer abwartenden Haltung. Man hat im Laufe der Zeit zu viele schöne Worte vernommen. Es gilt, ihre tiefere Bedeutung zu prüfen.Die ersten Äußerungen des
Sechs Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch der Monarchie Österreich-Ungarn erlebt das Bild des versunkenen Reiches eine Renaissance besonderer Art. Sie ist nicht nur im deutschen Sprachraum und in Staaten mit demokratischen Verfassungen zu verzeichnen. Das Interesse ist grenzüberschreitend. Bücher über Altösterreich werden in den USA und in Jugoslawien, in Italien und in Ungarn mit der gleichen Leidenschaft gelesen. Hohe Auf-lagen sind der Beweis. Man macht mit Altösterreich gute Geschäfte.Mannigfaltig sind die Gründe. Zu diesen gehört das allmähliche Verschwinden jener Generation, die
Mein Gott, auch Ephraim Kishon ist bereits sechzig geworden. Ich kann mich an den schlanken jungen Mann genau erinnern, der in den späten vierziger Jahren in der Budapester Presse auftauchte und frische Humoresken schrieb, allerdings in der Tradition von Molndr und Karinthy.Ferenc Hont war sein Name. Da es noch einen zweiten Ferenc Hont gab, einen bereits wohlbekannten Theaterdirektor, nannte sich der junge Satiriker Kis-Hont, der kleine Hont. Später emigrierte er nach Israel, ließ das t weg und hieß nun wie ein Fluß des Landes: Kishon.Er lernte Iwrid und arbeitete nun in neuhebräischer
Wir haben sie gewählt, diese Herren Bundesminister und Oppositionsführer, die seinerzeit Stein und Bein geschworen haben, der Republik und dem Wahlvolk zu dienen. Wir haben sie uns zwar nicht ausgewählt, aber immerhin gewählt, haben der einen oder anderen Partei unsere Stimme gegeben; und was bieten uns dafür in diesen Tagen die von uns gewählten und von uns besolde-ten Herren? Sie betätigen sich als Steuerschnüffler und führen uns vor Augen, daß sie den Sinn für die Wirklichkeit verloren haben.Wäre es nicht so traurig, verhängnisvoll und zudem geschmacklos — es wäre zum
Er kümmerte sich nicht um den Wechsel der literarischen Moden, blieb Einzelgänger, ging lächelnd seines Weges, schrieb moderne Gedichte im klassischen Versmaß, beschwor in seinem schönen Roman „Spielball der Götter" das von Zweifeln nicht angekränkelte Lebensgefühl der Antike: Rudolf Hagelstange, der nun im 72. Lebensjahr gestorben ist, war eine außergewöhnliche Gestalt der deutschen Literatur.Eine große Anzahl seiner Gedichte und Erzählungen behandelt religiöse Themen. Frömmelei war ihm fremd, auch seine Novellen über die Erlösungsgeschichte sind von einer stillen
Die Rechtschreibkenntnisse angehender Lehrer sorgten für Schlagzeilen. Was wurde hier wirklich getestet? Wie reagiert der Unterrichtsminister? Und: Wo steht unsere Gesellschaft heute geistig?
Vor vielen Jahren hat Gregor von Rezzori in seinem Roman „Ein Hermelin in Tschernopol" das schwierige und schöne, von gegenseitiger Achtung erfüllte Zusammenleben von Deutschen und Polen, Russen und Juden dargestellt; nun schrieb Valentin Polcuch ein köstliches Buch der Erinnerung, das Rezzoris Thema erklingen läßt und auch die tragikomische Größe des Romans erreicht.Die Geschichte des in Rostow am Don als Abkömmling deutscher Bauern geborenen Mannes, der in jungen Jahren mit seiner Familie nach Lodz, dann nach New York und endlich nach Posen zieht, um all die Irrfahrten als
Nicht nur Bücher haben ihre eigenen, oft verwunderlichen, Schicksale, auch Zeitschriften ändern mit dem Wandel des geistigen Umfelds ihre Bedeutung. Der Roman „Don Quijote", von seinem Verfasser als satirischer Abschied von der Ritterromantik gemeint, ist zum Kinderbuch geworden; die Zeitschrift „Ver Sa-crum", zur Erneuerung der Kunst gegründet, wirkt nach einem halben Jahrhundert wie der Spiegel einer schöngeistig schwärmerischen Ästhetik.Zeitschriften unternehmen den Versuch, Zeit und Schrift zu verdichten. Sie haben ihren eigenenStandort und ihre besondere Methodik.
Mit der Berufung des deutschen Regisseurs Claus Peymann an die Spitze des Burgtheaters könnten der ersten Bühne des Landes neue Möglichkeiten eröffnet werden. Diese betreffen nicht nur die Theaterbesucher. Durch die Spielplangestaltung, durch den Stil der Aufführungen, durch das Hervorheben bedeutenderSchauspielerpersönlichkeiten können vom Burgtheater kulturhistorisch bedeutsame, auch politisch wirksame Vorbilder geschaffen werden.Es wäre verfrüht, hier eine Bilanz der ablaufenden Direktionszeit Achim Bennings erstellen zu wollen. Benning hat als Regisseur manche faszinierende
„Albino" ist der Titel von György Sebestyens neuem Roman, den wir durch den Abdruck dieses Kapitels vorstellen wollen. Das Buch erscheint in diesen Tagen im Verlag Styria, Graz.
Kleider machen Leute — der ironische Satz, der auf den Unterschied zwischen Schein und Sein aufmerksam machen wollte, hat mit der Veränderung der Mode seine Gültigkeit verloren. Die Mächtigen der Welt tragen Pullover und Blue-Jeans und legen Wert darauf, auch in der Öffentlichkeit im schlichten Gewand zu erscheinen. Die alte, resignierte Weisheit kann heute in einem neuen, nicht mehr ironisch gemeinten Sinn korrigiert werden.Kleider machen Leute? Nein. Bücher machen Leute.Je seichter das Geschwätz, umso wertvoller die Konzentriert- heit des guten Buches. Je nachlässiger, ungenauer und
Er hatte die letzten fünf Wochen in seinem Zimmer verbracht und ging nun mit der gepackten Reisetasche an der Zimmerwirtin vorbei, die ihn mit Brot, Butter und Tee versorgt hatte, auf die Vorzimmertür zu, deren Messingklinke im Halbdunkel des frühen Abends wie ein Fisch im Aquarium glänzte, kehrte zurück, versuchte durch die dicken Brillengläser der Frau hindurchzusehen und im verschwommenen Blau der Augen den Schimmer irgendeines Ausdrucks zu erhaschen, murmelte etwas von Abschied und befand sich auf einmal auf der Straße. Autos rasten vorbei. Der Lärm erinnerte an drohende monotone
Persönliche Wünsche, politische Programme, Sehnsüchte, Abneigungen, Träume und die unzähligen kleinen Entscheidungen des Tages entspringen einer ganz bestimmten seelischen und körperlichen Struktur. Sie ist, um einen aus der Mode geratenen, aber zutreffenden Ausdruck zu bemühen, allgemein menschlich. Zwei junge Forscher haben den Versuch unternommen, diese Struktur in ihrer Entstehungsgeschichte darzustellen und die grundlegenden Fakten der menschlichen Existenz analytisch zu untersuchen.Die Zusammenfassung ihrer wissenschaftlichen Arbeit liegt nun vor. „Expedition Mensch" heißt das
El-Moallaka heißt die kleine Kirche aus dem 4. Jahrhundert. Sie steht, von zwei viel später — erst von den Römern — erbauten Türmen gestützt, im Hintergrund eines von Mauern und Bauwerken gesäumten länglichen Gartens, ist offenbar gut besucht und nicht nur von Touristen. Im unruhigen Licht der vielen Kerzen scheinen sich die dunklen Heiligenbilder wie lebendig zu bewegen. Aus dem Lautsprecher tönt die archaische Melodie eines monotonen Gebets in koptischer Sprache.Jenseits der Kirchenmauer, jenseits der Stadtmauer von Alt-Kairo spielen Kinder im Mist, sitzen alte Frauen
Teilnehmer eines literarischen Wettbewerbs machen sich das Leben nicht leicht. Sie stellen sich dem Urteil einer Jury, deren Mitglieder ihnen höchstens dem Namen nach bekannt sind; sie unterwerfen sich den Bedingungen der Ausschreibung; sie müssen ihre Manuskripte sauber abtippen, zeitgerecht einreichen.Aber auch die Veranstalter gehören nicht immer zum Kreis jener Leute, die sich durch die Verleihung eines oder mehrerer Preise selbst ehren und sich mit fremden Federn schmücken wollen.Wir, Veranstalter des Wettbewerbes „Christliche Literatur” — unsere Freunde vom Verlag Sty-ria, und
Es war an einem Tag im frühen Sommer, schwül, ohne Hoffnung; die Arbeit türmte sich; Ängste machten sie schwer; und doch war das rastlose Tun das einzige Mittel, die Beklemmung zu ertragen.In einem Augenblick der Ermüdung erschien plötzlich K.H., der väterliche Freund. Er war lange tot, im sechsten Jahrzehnt seines Lebens plötzlich gestorben. Die Art, aufzuhören, hatte zu seinem Stil gepaßt, zur gütigen Heiterkeit seiner Vitalität. Nun war er wieder da, aus dem Gedächtnis gestiegen, ohne verständlichen Grund, vielleicht nur zum Trost. Und er sagte auch etwas, klar und deutlich.
Eine Kunstgeschichte und ein Roman wenden sich gegen ein Weltbild, das alles für meßbar und machbar hält. Allmählich formiert sich der Widerstand.Ist es schon hundertfünfzig Jahre her? Ungefähr. Damals begann man an die Machbarkeit aller Dinge zu glauben. Die Schöpfung erschien plötzlich als gigantischer Mechanismus, die menschliche Gesellschaft erinnerte an eine Maschine, der Mensch selbst war das Produkt seiner Herkunft, geleitet von seinen Interessen. Quantum verdrängte die Qualität, Ökonomie ersetzte die kontemplative Phantasie, alles war meßbar und erforschbar, alles erhielt
Konkurs. In ihn gehen gegenwärtig viele Firmen. Zahlen kennen keine Rührung, wirtschaftliche Fakten sind nicht sentimental, und es gehört zum Wesen der freien Wirtschaft, daß die Schwächeren sich gegen den Stärkeren nur mühevoll und manchmal überhaupt nicht behaupten.Der Verlag Fritz Molden, der nun in Konkurs ging, war in zweifacher Hinsicht ein Vertreter dieser freien Wirtschaft: in seinen geistigen Zielsetzungen und in seinen Methoden. Sein Untergang steht im Zeichen eines Paradoxons. Dieser bewegt die Phantasie. Nicht nur die Revolution, sondern auch die freie Wirtschaft frißt
„Kein normaler Mensch kommt auf die Idee, so etwas zu machen", sagte ein Gendarm der Ortschaft Werfenweng im Tennengebirge. Fünfzehn junge Leute wurden von drei Betreuern bei größter Lawinengefahr in den Talkessel hinein und den Abhang emporgeführt. Schneemassen donnerten zu Tal, begruben die kleine Schar. Nur fünf junge Leute überlebten,Touristen?Nicht zur Freude, nicht zur Stärkung der Gesundheit, nicht zur heiteren Eroberung der Alpenhöhen waren die achtzehn Deutschen aufge-brochen, sondern mit einem Ziel, das von den Veranstaltern mit sportliche Ertüchtigung,
„Was haben die Polen hier zu suchen?" fragte die junge Dame gegen ein Uhr nachts nach der besinnlichen Weihnachtsfeier, während ihr der Schnee in schönen leichten Flocken auf den rotblonden Haarknoten fiel.Ich hatte sie nach Hause gebracht. Ratlos, zum Plaudern aufgelegt, ein wenig kämpferisch stand sie vor dem Tor. Wir hatten Autoradio gehört, natürlich auch Nachrichten aus Polen, Aufrufe, Hilferufe, und nun verzog die junge Dame nochmals die dünnen Lippen und wiederholte die Frage.Es gelang mir nicht gleich, sie zu verstehen. Endlich war ich soweit. Und also sagte ich ihr, daß
Er könnte noch unter uns sein, durch die Stadt gehen, das volle Gesicht im Schatten der breiten Hutkrempe halb verborgen. Er könnte noch Stücke schreiben: vielleicht über die Armen unserer Zeit, über das geistige Elend im Wohlstand und über die wortgewandten, hohlen Typen der neuen Oligarchie. Und er könnte lachen über die emsigen Deuter, die bemüht sind, sein Werk zu sezieren und dannmit den dummen Aufschriften ihrer engstirnigen Begriffswelt zu versehen, ödön von Horvath wäre in diesen Tagen erst achtzig.Wieviel Unsinn wurde über ihn während der letzten Jahre geschrieben! Wie
Da geht sie, die Holde, schreitet durch das alltägliche Gedränge der Großstadt, blickt starr und vielleicht ein wenig verträumt vor sich hin, und lauscht in sich hinein. Hört sie eine innere Stimme, die Stimme ihres Gewissens? Betet sie? Meditiert sie? Ein schlanker Zapfen aus Kunststoff steckt ihr im Ohr. Eine Leitung verbindet den Zapfen mit einem kleinen Gegenstand in der Jackentasche. Unterwegs von einer Verabredung zur anderen hört die Holde zwischendurch ein wenig Musik.Es gibt Taschenbücher, aber in seiner Tasche hat der Mensch keine Augen, er kann die Taschenbücher unterwegs