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Sehr vergnüglich

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Es ist kein Zufall, daß den besten deutschen Roman der letzten Jahre kein Literat verfaßt hat, sondern ein Mann, der der Zunft nicht angehört und folglich auch deren Verhaltensregeln nicht respektiert. Erwin Wickert, Jahrgang 1915, war Diplomat, zuletzt Botschafter in Peking. Sein Buch ist ein Werk der Sehnsucht nach dem Vergnügen, das uns Harmonie und klassisches Maß bereiten, und zugleich eine Satire auf den heutigen Zeitungsbetrieb.

Thema Nummer eins: Dem in Heidelberg lehrenden Mathematiker Carow gelingt es, sich mit Hilfe von höchst effektvollen Berechnungen in das klassische Altertum zu versetzen. Thema Nummer zwei: Seinem Gefährten gelingt es nicht, Carows authentische Aufzeichnungen dem heutigen Publikum zu vermitteln, denn die sonst so sensationslüsterne Presse ist viel zu ungebildet und viel zu kleinlich, um die Bedeutung einer wirklichen kulturhistorischen Sensation zu begreifen.

Carow wird im antiken Städtchen, in dem er angekommen ist, nach und nach zur Gottheit. Daß sich auch antike Philosophen mitttels mathematischer Methoden ins heutige Heidelberg versetzen können, versteht sich von selbst.

Wickert hat einen philosophisch anspruchsvollen und trotzdem amüsanten Roman geschrieben; er wollte sich Selbst ein Vergnügen bereiten und schuf, wie nebenbei, ein Stück deutsche Literatur.

DER VERLASSENE TEMPEL. Von Erwin Wickert. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1984. 478 Seiten, geb., öS 310,40.

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