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Feiern mit Horváth

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Er könnte noch unter uns sein, durch die Stadt gehen, das volle Gesicht im Schatten der breiten Hutkrempe halb verborgen. Er könnte noch Stücke schreiben: vielleicht über die Armen unserer Zeit, über das geistige Elend im Wohlstand und über die wortgewandten, hohlen Typen der neuen Oligarchie. Und er könnte lachen über die emsigen Deuter, die bemüht sind, sein Werk zu sezieren und dann

mit den dummen Aufschriften ihrer engstirnigen Begriffswelt zu versehen, ödön von Horvath wäre in diesen Tagen erst achtzig.

Wieviel Unsinn wurde über ihn während der letzten Jahre geschrieben! Wie viele ganz offenbar falsche Vermutungen wurden über ihn anläßlich der vielen Horvath-Symposien vorgetragen! Niemand hat dabei das kurze Horvath-Essay von Lemet-Holenia zitiert, diese Erinnerung an einen freundlichen, trinkfrohen, nachdenklichen tyenschen.

Kaum jemand hat auf seinen gläubigen Katholizismus hingewiesen, auf die Rolle dieses Glaubens in der Ausformung einer eigentümlichen, bitteren und letztlich doch tröstlichen Dramaturgie. Oft blieb auch die gewissenhafte Beschreibung seines Lebens durch Traugott Krischke unbeachtet.

Viele suchten und suchen in Horvaths Werk eine Bestätigung ihrer Ideologie. Der wahre Anlaß ihres Stre- bens ist nicht ihre Liebe zu Horvath, nicht die Bewunderung, nicht das vermeintliche Verständnis, sondern allein: Horvaths Erfolg.

So ist es bis zum Anfang der sechziger Jahre nicht gewesen. Bis dahin warb Horvaths bester Freund, Franz Theodor Csokor, für die Stücke des Toten, redete mit Theaterdirektoren und mit Dramaturgen, redete und redete, und immer vergeblich.

Dieselben Kreise, die sich heute so gerne auf Horvath berufen, sahen damals vor lauter Bert Brecht den Wald nicht, nannten Horvath rührselig, verwarfen ihn als Darsteller kleinbürgerlicher Idyllen, hörten bei ihm — übrigens zurecht - eine Tonart, die mit der Sprachmelodie von Molnärs .fLiliom“ verwandt war, belächelten Csokor und winkten ab. Nun klatschen sie Beifall.

Wie hübsch ist es doch, auf den fahrenden Zug des Erfolges mit einer ideologischen Pirouette aufzuspringen! Eine kleine Groteske der Unverschämtheit wird uns von den Horvath-Fälschern dargeboten: dankbarer Stoff für ein Stück von Ödön von Horvath, vielleicht mit dem Titel „Die Besserwisser oder Tanz der Literaten".

Wäre er bei uns, könnte er seinen Geburtstag in Gesellschaft einiger Weinflaschen ff eiern. Und lachen. Es wäre schön, mit Horvath gemeinsam das Weinglas zu heben. Nur Geduld, irgendein himmlischer Wein findet sich wohl auch auf den ely- säischen Feldern.

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