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Agentenreißer auf Le Carrės Spuren

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Mitreißend ist er nicht, dieser Agentenreißer, aber für Leute, die sich um so etwas reißen, dürfte er gerissen genug sein. Der Titel „Nagelprobe“ (laut Umschlaginterpretation: „delikate

Aufgabe, Nagelprobe seiner Karriere“) setzt voraus, daß niemand mehr von der altnordischen Trinksitte weiß, nach welcher man den geleerten Becher auf den Daumennagel stülpte, um festzustellen, ob jemand ganz aus getrunken habe. Bei Len Deighton, dem englischen Autor, heißt der Roman „Yesterday’s spy“: Spion von gestern.

Das Buch ist freilich von einem Profi der Spannungsliteratur und nicht für Profirezensenten geschrieben, denen die Überlegung, was Lektoren zu so einer Titeländerung veranlaßt, mehr i Spaß macht, als der ganze Kram an ‘ Geheimniskrämerei mit Geheimdien- ; sten. Einem altgedienten und folglich ‘ schon älteren englischen Spion aus : dem Zweiten Weltkrieg, schon damals : als Doppelagent bekannt und anerkannt, wird Jahrzehnte später nicht mehr getraut, weil seine Berichte aus- ; bleiben. Sein einstiger Schüler Char- , les, noch immer aktiv im Geheim- ‘ dienst, wird auf den Lehrmeister „angesetzt“, als „Nagelprobe“, die er eigentlich längst hinter sich haben müßte. Sei’s drum. Sie umlauern einander, ; jagen einander, indem ein Roman- agenten-Trick den anderen jagt. Es ; scheint - wie denn nicht? - um Atomwaffen für die arabische Seite zu gehen, hie und da merkwürdige Anspie- ; lungen, Zeppeline betreffend, und die ; muß man sich eben gut merken. Eine ; vorzeitige Auflösung der Roman-Cha- ; rade wäre dem Leser trotzdem nicht ; möglich, dafür ist die Konstruktion zu konstruiert. Bei der Auflösung löst . sich nämlich die Logik so ziemlich auf, der Verfasser treibt es nur noch mit ; Übertreibungen. Der Meister des . Genres, John le Carrė, wird bei weitem nicht erreicht.

NAGELPROBE. Von Len Deigh- ; ton. Marion von Schröder Verlag, Düsseldorf 1976, 256 Seiten, öS 215,60.

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