Immer war Karl Farkas der Gescheite und ein anderer der Blöde, zuletzt Ernst Waldbrunn, und dieses Duo' wird noch immer, Jahrzehnte nach dem Tod der beiden Kabarettisten, auf Video angeboten und gut verkauft. Auch im Druck lagen viele dieser Auftritte vor. Die neuerliche Sammlung „Gescheite und Blöde" beginnt 1937 mit Duetten Farkas/Grünbaum, die damals regelmäßig von einer Zeitung gedruckt wurden. Die Texte stammten nicht immer von Farkas, manche zum Beispiel von dem unlängst verstorbenen Hugo Wiener. Im Oktober 1993 wäre Karl Farkas 100 Jahre alt geworden, darum der Neudruck.
Wie es zu dem unseligen Verkehrsunfall der 14jährigen Esther kam, nach welchem sie zuerst auf der Straße, dann im Spital und nachher zu Hause im Koma lag, mehr als fünf Jahre lang, das beschreibt - romanhaft ergänzt - in allen nur möglichen Einzelheiten der ORF-Mitarbeiter Alfred Pittertschatscher: „Vom Warten auf den Lauf der Dinge", ein Sujet, über das übrigens schon ein Fernsehspiel gedreht wurde.Der Autolenker mußte vom Gericht freigesprochen werden, weil ihm nicht einmal Mitschuld nachgewiesen werden konnte. Es war wohl ein Moment der Unvorsichtigkeit des Kindes, das die
Die Rezension muß sich kurz fassen, sonst wird sie länger als das Buch. „Über das Kindsein" von Alfred Kolleritsch hat 28 Textseiten, zirka 40 avisiert der Verlagsprospekt. „Vorrede" (2), „Brief an Julian" (7), „Zwischen den Briefen" (5) und „Brief an Philipp" (14). „Dem Blick zurück kommt die Zukunft entgegen." Wie sie das tut, weiß Kolleritsch. Julian: „Du bist jetzt gerade 16 Monate alt." Zu Philipp: „Das Kindsein, das sich ereignet, das ist der Augenblick ohne Geschichte." Meine war länger, eine lange Geschichte.Alles Schwulst,
Klaus Hoffer (1942 geboren), aus derselben Gruppe, nennt „Am Magnetberg“ (1982) „Ein Fragment“. Die Neuauflage hat ein interpretierendes Nachwort von Urs Widmer. Die tagebuchartigen Notizen in zwei Teilen (.Jugend“, „Die Strafe“) wurden vor einigen Jahren beim steirischen herbst szenisch aufgeführt. Pointierte Reflexionen als literarische Darstellung einer Verzweiflung. Schlußsatz: „Nur das: Keinen Zeugen haben beim dem, was man tut - das ist das Entscheidende.“ Resümierend: Ein wirklich eigenartiges Stück Prosa.AM MAGNETBERG. Von, Klaus Hoffer. Droscht Verlag,
Literarischer Manierismus, vor 20 Jahren hochaktuell, hat sich syntaktischer und drucktechnischer Mittel bedient, und einige (Klammereinschübe innerhalb von Klammereinschüben) praktiziert in satzschlangenhaf-ten Aneinanderreihungen „Das Verschwinden des Blicks”: Fünf Prosastücke von Christoph Janacs (1955 geboren). Die ersten zwei wiederholen die Schilderung der KZ-Greuel, von denen der Nachgeborene nur gelesen haben kann und die er durch Unlesbarkeit eindrucksvoller zu machen versucht. Die Pein der Opfer wird durch die Pein der Lektüre eines artistisch unangebracht verspielten Stils
Mit einem „Zeitkompaß” gelang es dem Chinesen Kao-tai, aus dem 10. in unser Jahrhundert zu gelangen. Er landet in „Mün-chen” und hinterlegt am „Kontraktpunkt” 37 „Briefe in die chinesische Vergangenheit” an seinen Freund, die dem Satiriker Herbert Rosendorfer so viel Gelegenheit für Zeit- und Kulturkritik geben, daß das Buch nun die „5., überarbeitete Auflage” erreicht hat.Der Gast lernt alles kennen: Justiz, Musik und Literatur (und erkennt, daß die Leute „keine Literatur mehr haben. Sie haben nur noch Bücher”) und viele für ihn (und den Autor) unverständliche
Gesammelte Werke von Paul Celan liegen schon vor, aber nun wird eine historisch-kritische Ausgabe erarbeitet; sie hat mit dem Doppelband 7 der I. Abteilung, „Lyrik und Prosa", begonnen: Der erste Halbband enthält den Text von „Atemwende" (1967), der zweiteden breiten „Apparat", der für künftige Untersuchungen wichtig ist.Der Dichter hat üböraus sorgfältig alle Stadien seiner Arbeit geordnet und aufbewahrt, daher können die Vorstufen in historischgenetischer Darstellung vorgelegt werden. Die Ausgabe, arbeitsaufwendig und daher kostspielig, wendet sich
Conrad Ferdinand Meyer (1825-1898) war der dritte und jüngste im großartigen Trio Schweizer Literaten des 19. Jahrhunderts: nach Jeremias Gottheit und Gottfried Keller. C. F. Meyer stammte aus einer morbiden Familie, lebte in finanzieller Unabhängigkeit, endete in einer Nervenheilanstalt, doch sein Werk hat das Jahrhundert über-dauert. Von der zweibändigen Dünndruckausgabe liegt der erste Teil vor und enthält sämtliche elf Novellen, von "Amulett" bis "Angela Borgia" in sorgfältiger Textierung nach den Ausgaben letzter Hand und mit 33 Seiten Anmerkungen versehen.SÄMTLICHE WERKE I. Von
"Der schwedische Reiter" (1936) war der letzte vor dem Krieg er-schienene Roman des Erfolgs-schriftstellers Leo Perutz (1884-1957), diesem Meister suggestiv-pseudohistorischen Erzählens. Es geht um die fiktiven Memoiren einer Aristokratin, "um die Mitte des 18. Jahrhunderts" verfaßt, später von einem Enkel veröffentlicht. Doch "Der schwedische Reiter", den sie als Kind erlebt hat, war nie in Schweden, und der wahre schwe-dische Reiter war nicht ihr Vater. Das Identitätsproblem wird in der raffiniert konzipierten Story - vom allwissenden Autor - vor mehr als 50 Jahren, auf verblüffend
Emile Cioran (1919 in Bukarest geboren) lebt seit 1940 in Paris, schreibt seit 1947 französisch und ist als Kulturpessimist zu Ansehen gelangt. „Das Buch der Täuschun- gen" (1936), noch rumänisch ge- schrieben und begreiflicherweise erst jetzt ins Deutsche übersetzt: Die stürmische Argumentation be- steht hauptsächlich aus Behaup- tungen, die im Stil Friedrich Nietz- sches und frei nach Oswald Speng- ler überpathetisch vorgetragen wer- den. Der Sohn eines orthodoxen Priesters zelebriert „Die Kunst, die Heiligkeit zu umgehen", endet „Im Schatten der Heiligen", kann aber nicht
Roda Roda (1872-1945) heißt eigentlich Sandor Friedrich Rosen- feld, war zehn Jahre Berufsoffizier, dann freier Schriftsteller, der Romane, Lustspiele („Der Feld- herrnhügel", 1910, zeitweise in Österreich verboten) und zahllose Kurzprosa geschrieben hat, die seit 1903 oft und oft in Buchform ge- sammelt wurde. Die neue Antholo- gie „Roda Roda erzählt" (mit Illu- strationen des zeitgenössischen Karikaturisten Fritz Schönpflug) gewährt - ernst und heiter - Ein- blick in die „gute alte Zeit": iro- nisch spitz, zuweilen riskant über- spitzt, manchmal auch ernstlich sentimental.
Wenigstens am Katalog „Leo Pe- rutz 1882-1957" ist Österreich be- teiligt. Einem unserer bedeutend- sten Erzähler dieses Jahrhunderts ist „Eine Ausstellung der deutschen Bibliothek Frankfurt am Main" gewidmet, Wo seit 1965 „Exillite- ratur 1933-1945" dokumentiert wird. Der große Romancier, ver- filmt und in viele Sprachen über- setzt, mußte 1938 emigrieren, ging nach Palästina, ist aber während eines Heimatbesuches in Ischl ge- storben und dort begraben. Das um- fängliche, reich illustrierte Buch re- gistriert und kommentiert die 551 Ausstellungsstücke, aber auch hie- sige
Die Kostprobe ist köstlich vorge- stellt, „illustriert & gedruckt von Christian Thanhäuser", und heißt „Von einem Husaren, der seine guldine Uhr in einem Teich oder Weiher verloren hat, sie aber nach- hero nicht wiedergefunden hat", bringt also eine Episode aus H. C. Artmanns Prosaerstling „Von de- nen husaren und anderen Seiltän- zern" (1959). Die bibliophile Neu- ausgabe ist nur einseitig bedruckt oder illustriert, nicht paginiert und besteht aus 30 Blättern: zum neuer- lichen Gernhaben für H. C. Art- mann-Liebhaber.VON EINEM HUSAREN. Von H. C. Artmann und Christian
Höchste Spannung auf literarisch hohem Niveau, das ist eines der schwersten Prosavorhaben. Leo Perutz war dafür berühmt, bei Kollegen und Lesern. „Der Meister des jüngsten Tages“ (1923)liegtvon neuem vor und wurde sogar als TV-Film (Regie: Michael Kehlmann) produziert. Die beispiellos komplizierte Frage „Mord oder Selbstmord?“ bleibt bis zuletzt offen.Theodor W. Adorno bezeichnete das Werk als-„genialen Spannungsroman“ und Jorge Luis Borges nahm ihn vor mehr als vierzig Jahren in seine Reihe der weitbesten Kriminalromane auf. Kurzum: Der einst populäre Romancier Leo Perutz
Unter dem Titel „Wilhelm Raabe, Schriftsteller“ kommt „Eine Biographie“ heraus, ebenbürtig geschrieben von Cecilia von Studnitz. Erzählt wird das Leben und das Zustandekommen des Werkes, also auch ausführlich der politische und soziale Zeithintergrund, liebevoll, doch ohne Beschönigung.Wilhelm Raabe (1831 bis 1910) war ein schlechter Schüler, schaffte trotz mehrmaligem Anlauf nicht die Matura, wurde Lehrling in einer Buchhandlung, mußte auch diese Beschäftigung aufgeben, zeitlebens kränkelnd: Somnambulismus, Asthma, Kurzsichtigkeit, anfällig für Infektionen. Er galt als
Es geht nicht um die Zigeuner, überhaupt nicht um Rassismus, es geht um die furchtbare Herzensträgheit in der ergreifenden Erzählung „Abschied von Sidonie“ von Erich Hackl. Wie im Erfolgswerk „Auro-ras Anlaß“ (das in Spanien handelte) hat der Autor (vor allem in Ober-österreich) beharrlich recherchiert und weist nach, daß eine Minitragödie eine Tragödie ist: für das Opfer und die betroffenen Personen.Sidonie war ein 1933 vor dem Krankenhaus Steyr weggelegtes Kind, mit schwarzem Haar und dunkler Haut Die kleine Zigeunerin wird von einem ärmlichen Arbeiterehepaar (nicht bloß
Der elegante und mit einem ausgezeichnet kommentierten „Anhang“ (75 Seiten) versehene Sammelband „Himweiten funkeln" ist eine Anthologie der „Literatur des Expressionismus in Wien“. Die 31 Namen von Ernst Angel bis Robert Zellermeyer (dazwischen unter anderen Franz Theodor Csokor, Albert Paris Gütersloh, Oskar Kokoschka, Egon Schiele, Arnold Schönberg) ergeben einen erstaunlich gültigen Beleg, wie formgewandt man in dieser Stadt seit jeher zu schreiben vermochte - selbst auf einem Gebiet, das dem geistigen Lokalkolorit nicht entsprach.In Vers und Prosa sowie szenisch kopierte man
Sei es, daß das Käuferinteresse anhielt, sei es, weü Marcel Reich-Ranicki das Thema weiterbehandelt hat - die Artikelsammlung „Uber Ruhestörer/Juden in der deutschen Literatur“ (1973) kam nun, in etwa doppeltem Umfang, neu heraus, programmatisch beginnend mit „Außenseiter und Provokateure“; das erste waren Juden oft, als das zweite werden sie empfunden.Obenan stehen als Musterbeispiele Ludwig Böme und Heinrich Heine, dann folgen Namen wie Ludwig Marcuse, Friedrich Torberg, Peter Weiss, Erich Fried, Hans Mayer und so weiter.Der bekannte Literaturkritiker interpretiert mit großem
Der bejahrte Detektiv Nikolaus Bartin in dem Krimi „Liebe auf den ersten Schuß“ von Silke Schwinger könnte ein Verwandter ihres TV-„Leihopa“ sein, ist bildschirmreif, aber ein echter Opa mit geschiedener Tochter (40) und zwei Enkelinnen, so modern, daß sie keinen Sexkoffer brauchen.Es geht im Ernst lustig zu. Cornelia wollte einen Roman schreiben und erlebt ihn wider Willen: drei Tote und ein paar leidenschaftliche Liebhaber. Endlich hat „Paps“ seinen ganz großen Fall, und von den internationalen Gangstern, die in unserm Verteidigungsministerium USA-U-Bootpläne ausspionieren,
„Umsteigen nach Babylon“ ist die Titelgeschichte des neuen Prosabandes von Hans Sahl (1902 in Dresden geboren). Seine Texte sind in zwei Abschnitten untergebracht: zuerst zwölf sarkastischbittere Stories aus der Nachkriegszeit, darm als „Echo der 20er und 30er Jahre“ acht skeptische Glossen, die zeigen, daß der Autor schon vor seiner Vertreibung den Zeitgeist äußerst pessimistisch beurteilte. Der gelernte Journalist karikiert zimi Beispiel „Pressestimmen“ (1930) hämisch aus intimster Sachkeimtnis imd hat seine Perspektive nicht geändert, wiewohl er heute nicht mehr schreiben,
Die „Graphomanin“ Gabriele Wohmann erzählt weiter, ruhelos, mühelos, jeder Fall, den sie erlebt, wird zum Einfall, seit mehr als dreißig Jahren.„Ein russischer Sommer“ faßt wieder einmal 25 Erzählungen zusammen, und es sind wie immer die skeptisch klingenden Zwischenbemerkungen, was den Alltag als originelle Ansichtssache darstellt. Gern erzählt sie in der Ich-Form und schlüpft dabei oft — kritisch — in das Ich eines Mannes. „Die Vermischung der Lehren“ führt zu einer familiären Weihnachtsfeier. Nellie hält ihr Tun für religiös, der Gast für Al-lerweltsgetue; er
Kein Drama, Titel eines Gedichtes aus „Blaue Allee, versprengte Tataren“ von LudwigFels, nicht aus Ohlsdorf oder Bochum, sondern aus Treuchlingen. „Heldenplatz“ als Gemeinplatz professioneller Weltverachtung. Fels kam 1946 auf die Welt und mit dreißig dahinter, daß sentimentaler Zynismus beachtliches Echo findet. Obszöne und sakrilegische Zitate tun ihm gut, aber unrecht: kommt nur vor, um zu provozieren. Verzweiflungs-Routine und Routine-Verzweiflung aus dem Handgelenk, mehrfach preisgekrönt von einer Literatur-Justitia, mit einer Binde vor den Augen. Schlußvers: „Freiwillig
Was der 1950 in Budapest geborene Peter Esterhäzy produziert, ist pure Sprachkunst; originelle Gedankengänge kommen in virtuoser Artistik zu Wort, und was die deutschen Ausgaben betrifft, hat er das Glück, eine kongeniale Übersetzerin gefunden zu haben: die seit mehr als dreißig Jahren im Westen lebende sprachgrüblerische Ungarin Zsuzsanna Gahse.Der in Budapest seit 1983 vorliegende Roman betitelt sich „Fuhrleute“; äußerlicher Umfang: 32 Seiten. Sozusagen: Konzentrat eines Romans, das die Wünsche detailsüchtiger Leser rücksichtslos ignoriert.Keine „Geschichte“ also; mit
Unbestritten, daß Martin Walser, viel umstritten, der brillanteste Darsteller moderner Wohlstandsverwahrlosung ist. Der lakonische Titel seines neuen Romans sagt alles: „Jagd“. Als Synonym für barbarische Zivilisation: Überlegenheit in der Ehe, zwischen den Partnern, zwischen Kindern und Eltern; im Arbeitsleben mit der Konkurrenz und natürlich beim ungehemmten Ausleben des Sex.„Gottlieb Zürn träumte“, das sind die ersten Worte — Walser-Leser kennen den Namen —; wenn die Geschichte eines Grundstückmaklers so beginnt, ist der Makel des Helden bereits ausgesprochen: er ist
Nur kraft unglaublicher Ironie und Selbstironie ist es erklärlich, daß Stanislaw Lern weltberühmt wurde. Er macht es dem Leser nicht leicht, weder als Essayist noch bei Science-fiction-Romanen. Es ist eine Lust, zu lesen, wie er sich lustig macht über den Ernst, der Fortschritte zu machen glaubt: ins All und ins Bodenlose. „Sterntagebücher“ (1957) machten ihn berühmt, sie kamen deutsch 1961 in der DDR, 1971 im Westen heraus, und nun legt er sie neu vor: ergänzt mit der Erzählung „Prof. A. Donda“ und einem „Vorwort zur erweiterten Ausgabe“ von „Prof. A. S. Taran-toga“
„Zur Stunde des verblassenden Abendrots“ beschreibt Li Ping, als sentimentale Liebesgeschichte, die blutige Geschichte der Kulturrevolution in China vom Anfang über das edel-reuevolle Ende hinaus. SIE, Tochter eines konservativen Generals, ER, Sohn eines Revolutionärs, aber beide weise und seelisch tief, bereuen eigene und fremde Irrtümer.Von den beispiellos grausamen Folterungen damals, die wir von anderen Schilderungen kennen, ist keine Rede. ER war ein Anführer der Roten Garden, hatte innere Bedenken und ist nun voll Scham. Liebesgespräche sind pseudophilosophisch, alles ist
Der durch viele Bilder, publizistische Äußerungen und Briefe (zum Teil faksimiliert) dokumentierte Band „Rolf Italiaän-der/Gedanken-Austausch“, herausgegeben aus Anlaß des 75. Geburtstages eines Menschen, der schon als Halbwüchsiger Kontakt zu Berühmtheiten fand, über sie und die Welt schrieb, ist tatsächlich, was der Untertitel verkündet: „Erlebte Kulturgeschichte in Zeugnissen aus sechs Jahrzehnten“.Thomas Mann, Helmut Schmidt, Albert Schweitzer, Arnold Toynbee — rund 100 Beispiele aus 3000 archivierten. Die repräsentative Sammlung wird ergänzt mit einer Bibliographie
Der 1952 geborene Rumänien-Deutsche Richard Wagner, von dem ein Gedichtband und Prosa im Westen erschienen sind, lebt seit dem Frühjahr 1987 in West-Berlin. Die Erzählung „Ausreiseantrag“ berichtet, wie es dazu kam.„Stirner begriff sich als Schriftsteller.“ Er ist gleich alt wie der Autor, die Ehefrau Sabine um ein Jahr jünger. „Er sah Nelken, die Nelken täuschend ähnlich sahen... Er saß in Cafes, die Cafes täuschend ähnlich sahen.“ Und so weiter. „Schreiben, was war das noch? Stirner gehörte zu den geduldeten Autoren; nicht verboten, geduldet.“ Denn: „Wir drucken
Konstantin Fedin (1892 bis 1972) hat später Prosa geschrieben, die (zumal in der UdSSR) für bedeutender gehalten wird, weil er sich dem sozialistischen Realismus annäherte; aber mit dem Meisterwerk „Städte und Jahre“ (1924) ist er berühmt geworden, weit über die Heimat hinaus.1927 erschien die „autorisierte Ubersetzung“ im Malik Verlag, der nun revitalisiert wurde. Fedin wurde 1914 in Deutschland vom Weltkrieg überrascht, interniert, und das kompliziert angelegte Epos beginnt 1922, geht auf 1914 zurück, endet 1920, ist gesellschaftskritisch: ein farbiges Zeitgemälde, Mittel-
Vom Anfang an war sein Witz weise und seine Weisheit witzig. Inzwischen ist Alois Brandstetter nach Oberösterreich (über Wien) nach Klagenfurt übersiedelt, Germanistikprofessor geworden und hat sich auf diesen ernsten Beruf mit Humor eingelassen, aber so ausgelassen wie bei seinem Erstling ist er natürlich nicht mehr.„Uberwindung der Blitzangst“ (1971) wirkt als Neudruck wie neu, Kurzprosa nach dem Prinzip: Kürze Würze. „Skandal“ (zwölf Zeilen) definiert er: „Sie sagen, daß es ein Skandal ist, daß das, was jetzt geschehen ist, ein Skandal ist.“ Daher: „Dieser Skandal ist
„Am Ende der Gemütlichkeit“ ist „Ein österreichisches Tagebuch“ des flotten Journalisten und Funkautors Klaus Harp-precht, von Februar bis Oktober 1986 professionell geführt, samt dienstlichem Besuch (ab August), also: Reportage über Land und (prominente) Leute. Der Präsidentschaftswahlkampf war der Anlaß, das Rundherum wird zum Thema: vielseitig, von allen gängigen Seiten gesehen. Es erscheint auch Unwichtiges wichtig, zumindest für nichtösterreichische Leser.Im Ganzen: weder bös- nochgutartig, sehr routiniert, für dreiMonate viel, aus der Sicht desÖsterreichers eher
Beatrice Ferolli, einst eine elegante Theaterdame, trat früh von der Bühne ab, unterrichtet werdende Mimen und begann zu schreiben: zuerst Dramatisches, später Romane.„Das Gartenzimmer“, nicht Ort, aber Ziel der Handlung, wird nie erreicht. Um zwei Ehepaare geht es also, um deren Ehebrüche; und die Ich-Erzählerin beginnt eine Beziehung mit dem Gatten der Freundin. Die hinderlichen Hintergangenen sterben: der eine durch Unfall, die andere an Krebs. Der Hochzeit steht nichts im Wege; am Vorabend schon bezieht die Dame „das Gartenzimmer“ - und entdeckt das Tagebuch der Toten, die
Wolf Wondratschek hat das Frankfurter Spektakel vor Jahren verrissen, wenig originell, und machte es nun so lautstark mit, daß man sein Echo im ORF hörte. Als Mitarbeiter von „Playboy“, „Stern“ und so weiter wird er als „Lyriker“ gehandelt, aber „Menschen Orte Fäuste“ enthält nichts als zwanzig „Reportagen und Stories“, so ausgefallen tex-tiert, wie das alle tun, die „aufmerksam machen“ auf das, was jeder längst gemerkt und irgendwo gelesen hat. Nachweise von 1977 bis 1985.Das Buch endet mit dem Vortrag „Sie schreiben eben, wie sie leben“ und gut hoffentlich
Etliche der zweiundzwanzig Geschichten „Das Gespenst der Krokodüe“ von Herbert Rosendorfer sind für manche Leser nicht neu. Im Ganzen zeigt er aber von Neuem die breite Skala seiner Fabulierkunst: vom sarkastisch-humorvollen Essay bis zu drastisch argumentierenden Anekdoten, die ebenso historisch wie erlogen sind.Das Widersprüchliche widerspricht köstlich ernst der Uberlieferung, macht das Unglaublichste glaubhaft und den bisher gutgläubigen Leser unsicher. Auch Un- oder Ubernatürliches kommt zu Wort, makabre Möglichkeiten, weü alles Mögliche makaber ist.Wer sich mit diesem
Friedrich Torberg als Korrespondierender: sein Briefwechsel mit Alma Mahler-Werfel ist eigentlich ein Bravour-Solo Torbergs, mit gelegentlichen Zwischenrufen der Empfängerin.Freilich, diese stürmischen Liebeserklärungen des jungen Torberg an die weit ältere Gattin Franz Werfeis dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß indirekter Adressat der kränkelnde Freund Werfel war. Sie hatten einander erst im Exil näher kennengelernt, Torberg blutarm, Werfel feudal lebend, beispiellos erfolgreich auch als übersetzter Autor. Torberg schrieb an Alma, um dem unermüdlich arbeitenden Werfel keine
Die Erzählung „Waiblingers Augen“ wird von Peter Härtling als Roman bezeichnet. Das Ende des vergessenen Dichters Wilhelm Friedrich Waiblinger (1804-30) wird nur kurz im Schlußkapitel erwähnt. Die Liebesgeschichte mit Julie (1824/25), die Verbindung des Theologiestudenten mit dem getauften Mädchen jüdischer Herkunft ist nur eine Komponente, nur indirekt entscheidendes Agens seines Unterganges. Sie sagt von dem genialen Wirrkopf, „im Grunde liebt er die Liebe und nicht mich“, und nachträglich begreift er selber, „daß ich gar nicht Julie liebte, sondern den Zustand der Liebe“
Gabriele Wohmann, weithin bekannt und erfolgreich, gilt als Vielschreiberin. Sie kann gar nicht anders, nach eigenem Geständnis, sie muß schreiben. Wie intensiv sie arbeitet, das geht aus ihrem neuen Roman „Der Flötenton“ hervor.Inhalt ist nicht bloß eine Liebesaffäre zwischen Anton Asper, der auf Dienstreise nach Lissabon kommt, und der Flötistin Sandra Hinholz, die dort einen Musikkongreß mitmacht: vielmehr wird ein breites Gesell-schaftsmilieu beschrieben, mit zahllosen Einzelheiten, Geschwistern, Freundinnen, Eltern, Nachbarn, die gehobene Mittelschicht der Bundesrepublik steht
„Der Krähenbaum“ von Mathias Schröder (Arzt, 1941 in München geboren) erschien 1977, wurde mehrfach ausgezeichnet und jetzt vom ZDF verfilmt: daher die Neuauflage.Hinterlandskriegszeit: aus der Sicht von Kindern. Michael (die Ich-Figur) mit Mutter aus der Stadt evakuiert, linientreu, untergebracht auf dem Gut eines Generals der Stalingradarmee, Familie konservativ im positiven Sinn: Der Offizier hatte 1932 ein jüdisches Kind adoptiert, das man nun versteckt hält. Im Ort wird geraunt, die Mutter des Erzählers geht zum Ortsgruppenleiter.Die Katastrophe der Familie und des Regimes
„Damals, vor einer Million Jahren A. D. 1988“, beginnt der Roman „Galapagos“ von dem Amerikaner Kurt Vonnegut.„Damals“ fuhren ein paar Passagiere auf einem Schiff insel-wärts, die übrige Menschheit starb aus, infolge einer unfruchtbar machenden Infektion. Die Fahrgäste werden also Stammeltern der künftigen Menschheit, die aber ein kleines Gehirn hat.Die Ichfigur hat unsere Zeit mitgemacht und kann in jener fernen Zukunft noch erzählen; ob mit großem oder verkleinertem Gehirn, das bleibt ungesagt.Der Verlag meint, daß der Roman „in seiner Phantastik und Hintergründigkeit
„Bilderbuch einer Seele“ nennen der Pastor und Therapeut Gunnar von Schlippe und seine Klientin Hilde Grube die „Geschichte einer Therapie“: Auszüge schriftlicher und mündlicher Äußerungen (1981-1985) zu den Frustrationen, die Hilde in der Kindheit ertragen mußte, als ungeliebtes Kind eines meist abwesenden Vaters, einer Mutter, die den Verdruß auf die Tochter projizierte — dazu ein verhätschelter Bruder.Wiewohl Individualpsychologe, arbeitet der Theologe auch mit Begriffen Sigmund Freuds. Erstaunlich überzeugend wird die heilsame Aussprache zwischen dem fachlich
„Der Herzstecher“ von Georg Lentz ist ein Wien-Roman, der ein Roman-Wien zeichnet: aus wohlwollend witzelnder Literaturperspektive eines norddeutschen Verlagslektors und Journalisten, der hier tätig war und dann mit humorigen Berlin-Romanen Erfolg hatte.Anspielungen wollen das Phantasie-Wien authentisch erscheinen lassen: Pseudo-Herzmanov- sky. „Der Herzstecher“ wird als Betrüger verdächtigt, weil er älteren Leuten, die sich vorm Scheintod fürchten, für viel Geld den Herzstich nach dem wirklichen oder scheinbaren Ableben versprochen haben soll.„Der Herzstich“ wird Wien nicht
Die Aufzeichnungen von Frank Wedekind, einst bruchstückweise und überarbeitet veröffentlicht, kommen nun so vollständig heraus, als sie eben erhalten sind, vom angehenden Dichter 1888 bis 1894 in Lenzburg, Berlin, München, Paris und London geschrieben, dazu zehn Seiten 1905-1908 (wieder: Berlin) und Kalender-Eintragungen vom Februar 1918: knapp vor der letalen Bruchoperation.„Die Tagebücher“ haben als Buch den Untertitel „Ein erotisches Leben“, ein wenig irreführend, denn es sind tägliche Beobachtungen, unter die Lupe genommen, freilich auch das Erotische, zumal während des
Das erste und das letzte Schreiben in diesem „Briefwechsel 1928-1962“ zwischen Heimito von Doderer und Albert Paris Gütersloh stammt vom Letztgenannten. Die Korrespondenz ist darum besonders interessant, weil doch — von Doderer die längste Zeit betont — ein Lehrer/Schüler-Verhältnis zu dem um zehn Jahre älteren Maler und Schriftsteller Gütersloh bestand.Mit „18. Okt. 62“ datiert, kündigt Gütersloh das lange in Arbeit gestandene Hauptwerk „Sonne und Mond“ an und versichert dem Freund, es ihm sofort „nebst ergebenster Widmung“ zukommen zu lassen. Kein Dank, keine
Der siebzigjährige Grazer Wilhelm Muster hat vieles studiert, ist viel gereist und legt einen neuen Roman vor: „Pulverland“, der auf Ibiza in den späten fünfziger Jahren spielt, aber auch im alten Österreich, in längst vergangenen Zeiten.Zentralfigur ist der Schriftsteller Ulrich (aus Graz); er schreibt an zwei Büchern, begegnet zum Beispiel einem Grafen Hoyos, der behauptet, seit Jahrhunderten zu leben, und auch die Antike kommt zur Sprache.Die Wirklichkeit wird mythisch, der Mythos beinahe realistisch behandelt, in deutlich gehobener Legenden-Diktion, die der Geschichte originelle
Immer neue Perspektiven findet Dietmar Grieser, „Schauplätze der Weltliteratur“ (die ihn bekannt machten) zu betrachten. „Alte Häuser — Große Namen/ Ein Wien-Buch“ heißt der neueste, wieder treffende Wurf.Genau recherchiert werden die Gegenden „Innere Stadt“, „Zwischen Ringstraße und Gürtel“ sowie „In den Außenbezirken“ und Häuser auf ihre relevante Vergangenheit untersucht: Goethe und die Mölker Bastei, der ominöse Alfred Redl und sein Absteigquartier, Altenberg und das Grabenhotel, klar, und so fort, bis zur turbulent unscheinbaren Reindorfgasse im 15. Bezirk:
Die „Hundegeschichte“ von Jutta Schütting beginnt mit der Zumutung, daß sie „das Hundetier zu dem kleinen Eingriff begleiten sollte“, denn (eine erstaunliche Ansicht) „mein Herz sei nicht so weich“. So kommt ihr das arme Tier näher und sie ihm. Dann muß die Besitzerin für ein Jahr verreisen, und Polly wird der Dichterin in Pflege gegeben.Die folgenden Kapitel („Hundewerdung“ und „Dich bei mir einzuleben“) machen deutlich, daß ihr Herz weder „nicht so weich“ noch „weich“ ist, sondern daß sie eben ein Herz für den Hund hat: Er lernt und lernt, so daß ihm bald
Die „Herrin der Tiere“ von Barbara Frischmuth ist, rein äußerlich, nicht die Herrin der Tiere (vor allem Pferde, aber auch Hunde und sogar Ratten) auf dem Gestüt, sondern bloß Gehilfin, die freüich schon als Fahrerin beim Trabrennen agieren durfte. Sie ist achtundzwanzig, hebte seit jeher Pferde, war schon etwas anderes, hat sich aber dann entschieden, „in diese Einöde“ zu gehen. (Vermutlich: Burgenland.)Die Frischmuth kennt das Milieu natürlich aus eigener Erfahrung, beschreibt es in zahllosen Einzelheiten, nennt die einen beim Namen, andere nach ihrer Funktion („der
Zum 50. Todestag ist „Karl Kraus oder Die Macht der Ohnmacht“ (Erstdruck 1968 bei Molden) von Hans Weigel neu herausgekommen: wie neu, sorgfältig überarbeitet und ergänzt, auch mit „Anmerkungen“ und einem „Register“, was in der früheren Ausgabe fehlte.Weigel ist genauester Kraus-Kenner und ehrlich subjektiver Beurteiler. Das bedeutet, daß man auch dort, wo man dem Autor nicht zustimmt, einräumen muß: Das Bild ist in sich stimmig. Er ist eine Persönlichkeit und darf eine persönliche Meinung für sich in Anspruch nehmen.Anspruchsvoll ist das ganze Buch, kenntnis- und
Der große Nestroy konnte es sich leisten, auf eine Novität spontan eine dramatische Parodie zu schreiben, der kleine Anonymus kann es nicht. Gleichzeitig mit dem Buch „Die Rättin“ von Günter Grass erscheint „Der Grass“ von einem „Günter Ratte“, es ist „Ein literarisches Bubenstück“. Grass beginnt: „Auf Weihnachten wünsche ich eine Ratte mir.“ Günter Ratte: „Zum Weihnachtsfest hatte ich mir einen Dichter gewünscht.“ Und so kalauert irgendwer, als Bestseller-Anhängsel, bis zum Schluß. Es gäbe ernstliche Einwände gegen Grass; aber eine Geschichtsparodie zu
Die vielgerühmte „Reise durch die Nacht“ geht im Werk der Friederike Mayröcker weiter. Das neue Buch heißt „Das Herzzerreißende der Dinge“, ohne die „Dinge“ beim Namen zu nennen oder gar aufzuzählen; sie erzählt nicht, es geht um das Ding an sich. Ihr Stil ist längst — wie eine Rezension einmal richtig bemerkte - „frei von den Extravaganzen ihrer früheren Prosa“, zum literarischen Problem wurde der Inhalt: „Man verzweifelt am Stoff, nicht an der Form“; freilich neigt sie „zum Weglassen, Gar-nichtaufkommenlassen der Anekdote, die mir vulgär ist“.Sie meint:
Der angeblich progressive Kolumnist und Erzähler Peter Bichsei war Lehrer in Solothurn, und in der dortigen Gegenwart siedelt er auch die aus verschiedenen Zeiten gesammelten Begebenheiten an.„Busant/Von Trinkern, Polizisten und der schönen Magelone“ besteht weniger aus den acht Geschichten als vielmehr aus den Nebenbemerkungen; sie sind die Hauptsache.Mit quasi widerwilligem Wohlwollen wird bekrittelt, zugute und zuungute gehalten. Einer zum Beispiel „hatte sich auch daran gewöhnt, daß innerhalb seiner Wohnung das Leben ablief.“ Partout gewöhnt sich der Autor nicht ans Gewohnte,
„Die Erzählungen” von Luise Rinser sind (samt „Nachwort”) ein Neudruck der Ausgabe 1956: Elf Geschichten aus zwanzig Jahren, damals auf Anregung des Verlages zusammengefaßt, nachdem die Verfasserin durch Romane berühmt geworden war. Es wird avisiert, daß ein zweiter Teil die spätere Kurzprosa enthalten soll.Schon dieser Band dokumentiert die beachtliche Begabung vom Anfang an, der Neudruck ist gerechtfertigt: was später manchmal Routine wurde — in den frühen Erzählungen ist jedes Stück ein glücklicher und beglük-kender Einfall. Zudem erlaubt die Sammlung einen Uberblick
Die zwei Erzählungen „Marlenes Schwester” und „Theorie der Drohung” von Botho Strauß sind zehn Jahre alt und erklären heute, wieso der damals Einunddrei-ßigj ährige mit ihnen sofort Aufmerksamkeit erregte: bei der „Neuen Rundschau”, wo die eine zum erstenmal gedruckt \vurde, und bei dem Teil der Leserschaft, der für literarisch Neues aufgeschlossen ist. Der verhaltene und trotzdem stilistisch intensive Vortrag, durch den beinahe romantisch unglaubliche Ereignisse, an der Grenze von Innen- und Außenwelt, glaubhaft berichtet werden. Die Hauptfigur in „Marlenes Schwester”,
Ein Neruda-Roman. Nein, nicht von dem Nobelpreisträger, sondern über ihn ist der glänzende Roman „Mit brennender Geduld” geschrieben: von dem Chilenen Antonio Skärmeta.Der Autor, 1940 geboren und einst mit Pablo Neruda befreundet, fingiert den „Kulturredakteur eines drittklassigen Blattes”, der sich jahrelang mit der Aufzeichnung einer Erinnerung plagt und von der folgenschweren Begegnung des Dichters mit einem jungen, ehrgeizig-begabten Dorfbewohner berichtet: beispiellos brillant, wie diese Lateinamerikaner (und nur sie) es können.Es ist tatsächlich eine Hommage und geht um die
Wie umstritten die berühmte Figur des Dominikaner-Priors Girolamo Savonarola ist, wissen alle Literaturfreunde; er ist ja oft genug und äußerst gegensätzlich in Dichtungen behandelt worden.Die Biographie „Savonarola-Prophet oder Fanatiker” (1982) von Enzo Gualazzi hegt nun auch deutsch vor, zieht moderne Deutungen nicht in Betracht, sondern „jene Quellen, die der historischen Gestalt zeitlich am nächsten liegen”, und versucht, „sie aus eigenem zu interpretieren”, wo es nötig erscheint.Sicher ist, daß der Prediger und eifrige Publizist kein Häretiker war: sechzig Jahre nach
Jawohl, Glanzstücke sind die 17 Kapitel des Romans „Bruchstük-ke" von Erika Molny: nicht nur die Geschichte des trübseligen Lebens einer alten Frau und die Geschichten ihres Lebenskreises sind gesammelt. Erzählt wird Stück für Stück der Bruch, durch den so ein Leben in „Bruchstük-ke" zerfällt.„Wer liest, ist nicht allein." Das ist der elegische Anfang. Das sagt sich (und uns) die alleinstehende alte Marie. Ist sie überhaupt „alleinstehend"? Allein, ja, allein stehengelassen, und das vom Anfang an.Lieblos ist zeitlebens die arme Marie gewesen, sie hat ja
Nicht nur dem Mimen, wie es früher hieß, auch dem Literaten flicht die Nachwelt keine Kränze. Unvergeßliches ist eine persönliche Angelegenheit, scheint es. Was lebendig zu Buche stand, liegt in Bibliotheken begraben, und dort hat Hans Heinz Hahnl „Vergessene Literaten/Fünfzig österreichische Lebensschicksale" exhumiert.Der Älteste ist vor 90 Jahren verschieden, der Jüngste erst vor fünf: Franz Kießling, 1918 geborener Lyriker, dessen große Begabung früh erkannt, ausgezeichnet, aber alsbald — noch zu Lebzeiten — abgeschrieben wurde.Das Buch ist eine Auswahl der
Destillat aus dem Gedanken-Laboratorium: Seine Spruchsammlung „Kurz gefaßt, lang bedacht ..." nennt Franz Richter „Gedankensplitter".Der gelernte Chemiker und langjährige Lehrer bezieht noch heute aus seinem einstigen Brotberuf die experimentelle Technik für seine Berufung als Schriftsteller. Der gewiegte Pädagoge unterhält — schulend — seine Leser, indem er sie zum allerbesten hält: pointiert und wohldosiert wird dem Leser eine Summa philosophisch-moralischer Lebenserfahrung beigebracht. „Organische Sprachchemie", die demonstriert, wie ein Wortelement auf das
Der 1905 in der Ukraine geborene und 1964 in Moskau gestorbene Wassilij Grossman, ursprünglich Chemiker, begann vor fünzig Jahren mit großem Erfolg seine Erzählerlaufbahn, politisch linientreu, literarisch konservativ: Tolstoj war sein Vorbild. Grossman wurde ein wichtiger Kriegsberichterstatter und publizierte 1952 den historisch fundierten Roman „Für die gerechte Sache": Vorgeschichte der Schlacht um Stalingrad. „Ende des ersten Buches" war der Schlußvermerk.Das Werk wurde kritisiert, der Autor bereute öffentlich, überarbeitete den Text, der dann in mehreren Auflagen
Vor zwei Wochen wurde in Konstanz das 24. Literaturgespräch des deutschsprachigen Buchhandels abgehalten. Heuriges Thema: .JBücher brauchen Leser". Aber nicht die anwesenden Verleger, Sortimenter, Autoren und Kritiker gaben diesmal den Ton an, sondern einige Spitzenfunktionäre des Unterrichtsund Bibliothekswesens in den drei veranstaltenden Staaten Bundesrepublik, Schweiz und Österreich:Immer wieder drehte sich die Diskussion um den Begriff Förderung". Geldmittel und administrativer Aufwand von beträchtlichem Ausmaß fördern den Druck von Manuskripten, man kauft Novitäten
Er ist berühmt geworden mit seinem Erstling „Die Zeitmaschine“ (1895) und der anderen Utopie „Der Krieg der Welten“ (1898), früher Meister der Science fiction, im Grunde ein Aufklärer mit missionarischem Eifer.Die H. G. Wells Edition geht seit Jahren daran, das Wichtige aus dem rund hundertbändigen Lebenswerk des Autors deutsch herauszubringen und hält nun bei Band 15 und 16. Der Roman „Kinder der Sterne“ (1937) versucht den pessimistischen Spieß optimistisch umzudrehen und könnte heißen „Friede der Welten“:Drei grüblerische Engländer fragen sich, ob nicht
Das tut mancher gern, aber Peter Wehle ganz besonders, freilich untertags: Abends ist er solid auf dem Bildschirm oder im Kabarett zu sehen, doch bei Tag treibt er sich mit etymologischen und anderen Fachwerken herum. Er ist promovierter Philologe.Nach einem Buch über die Wiener Gaunersprache und dem Bestseller „Sprechen Sie wienerisch?" stellt er nun die Titelfrage: „Sprechen Sie ausländisch?"Was soll man dazu sagen? Zuerst kommen 25 Aufsätze oder (wenn man die Diktion dieser informativen Artikel in Betracht zieht) Humoresken über die Fremdwort-Problematik im Deutschen,
Den Roman „Wo die Beeren reifen" von Jewgeni Jewtuschen-ko sollte jeder Interessierte gelesen haben; nicht weil er so gut, aber weil er so aufschlußreich ist.Der meistübersetzte Lyriker (geb. 1933) der Sowjetunion und unserer Zeit überhaupt war immer und ist in diesem späten Romanerstling ein Seiltänzer literarischer Kühnheit. Seit 30 Jahren Stimmführer der Gegenstimmen, für die Obrigkeit oft schmerzlich, aber nie verletzend. 1957 vom Schriftstellerverband ausgeschlossen (ohne Druckverbot), wurde er von den Lesern erst recht ins Herz geschlossen, und das in aller Welt.Auch sein
An dem reich illustrierten Nobelband „Österreich zum Beispiel", der viel Bemerkenswertes zum Thema „Literatur, Bildende Kunst, Film und Musik seit 1968" rekapituliert und präsentiert, ist einschränkend zu bemängeln, daß er nicht als derart repräsentativ gelten kann, wie der Titel behauptet.Die Autoren des Residenzverlages (in dem die Anthologie erscheint) und des Verlages Jugend und Volk, dessen Mitarbeiter die Herausgeber Otto Breicha und Reinhard Urbach sind, wurden bei der Auswahl deutlich bevorzugt, besonders was die schöne Literatur betrifft.Es ging ihnen eben nur um
(14. 9., Ol) ,JDas Wunder von Wien” des Wieners Hellmut Butterweck ist ein Hörspiel, bei dem einem Hören und Sehen vergehen sollte. Es ist ein Text, mit dem uns, wie man so sagt, der Text gelesen wird. ,JDas Wunder” ist natürlich eine Sage, nach der sage und schreibe 386 einst vergaste Wiener Juden, nach und nach, wiederbelebt werden: eben von einem Wunderrabbi. Nur müssen 36 gerechte Christen für jeden umgebrachten Juden mit Unterschrift bezeugen, daß sie seine Wiederbelebung wünschen.Gesagt, getan. Und was tut sich dann? Skala der Reaktionen: Zuerst glaubt es keiner, dann staunt
Bei der Vergabe des österreichischen Staatspreises 1981 für Europäische Literatur an die Erzählerin Doris Lessing zweifelte die Jury nicht, daß es europäische Literatur ist, was diese Schriftstellerin seit 32 Jahren auf eigenartigste Weise produziert, wiewohl sie in Persien geboren wurde, in Südafrika aufgewachsen, erst mit 30 Jahren nach London gekommen ist und zu schreiben begann.Ihr zweiter Mann war ein deutscher Kommunist, und sie behielt nach dem Scheitern dieser Ehe seinen Namen bei. Nicht scheitern, sondern sich von jedem Ungemach emanzipieren, war schon für die Halbwüchsige
„33 phantastische Geschichten werden im Untertitel als „Eine Flaschenpost deutschsprachiger Autoren der Gegenwart" bezeichnet. Es geht aber nicht etwa um eine politisch oder überhaupt gesellschaftlich gefährlicheNachricht, es geht um geheimnisvolle Ereignisse aus unserer scheinbar Iiüchternen Welt. Das Alltägliche wird unterbrochen durch den nächtlichen Alptraum.Die 33 Autoren waren vom Verlag eingeladen, jemine Geschichte zur vorliegenden Anthologie beizusteuern, bekannte und weniger bekannte Schriftsteller, und man gewinnt bei der Lektüre den Eindruck, daß von den sozusagen
Nach längerer Zeit tritt Rolf Schroers (1919 in Neuß am Rhein geboren) wieder als Erzähler an die Öffentlichkeit. In den letzten Jahren hat der Chefredakteur der Zeitschrift „liberal“ hauptsächlich als Essayist gearbeitet, war nach der Heimkehr vom Kriege Journalist, gehörte zur „Gruppe 47“, wurde mit einer Reihe von Romanen bekannt und für einen spannenden Krimi von literarischer Qualität 1959 mit dem Bremer Literalur- preis ausgezeichnet.„Der Hauptmann verläßt Venedig“, Titel des Buches und der ersten von 15 Geschichten, handelt wie einige weitere noch im Kriege.
„Peter Altenberg“ von Camillo Schaefer, „Ein biographischer Essay“, ergänzt durch Stimmen über Altenberg, Altenberg-Anekdoten, Zeittafel und Literaturnachweise, erweist sich auf rund 200 Seiten als erstaunlich komplett, in den Deutungen zutreffend.Mancher gewiegte Altenberg- Kenner wird in dieser Broschüre wahrscheinlich Einzelheiten finden, die er bisher nicht kannte oder übersehen hatte. Gerade darum verwunderlich, daß der von Werner J. Schweiger („Das große Altenberg- Buch“, Zsolnay Wien Hamburg 1977) behauptete Umstand, der notorische Habenichts hätte mehr als 100.000
(Landestheater Salzburg: „Kidnapping“, von Friedrich Ch. Zauner, Uraufführung) Vor fast auf den Tag genau einem Jahr hatte Friedrich Ch. Zauners Stück „Menschenkinder“ erfolgreich in Salzburg Premiere. Nun hat der oberösterreichische Autor wiederum eine Auftragsarbeit geschaffen: „Kidnapping“, ein Stück in elf Szenen.
Ich war noch ein Kind, als ich zum erstenmal von ihr hörte, vielleicht anläßlich ihres Todes im Jahr 1916, und habe noch deutlich im Gedächtnis und im Ohr, daß man sie einfach „die Ebner-Eschenbach" nannte.Viel später, als ich mich nicht mehr bloß für Literatur, sondern auch schon für Literaturgeschichte interessierte, wurde mir bewußt, daß es sich um Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach handle, und lange nachher, als ich bereits begonnen hatte. Schriftstellern und sogenannten Historikern auf die Finger zu schauen, fiel mir auf, daß sie überall fehlerhaft registriert
Dashiell Hammet (1894-1961) war der jüngere der zwei amerikanischen Klassiker des Detektivromans, hat aber zehn Jahre früher zu schreiben begonnen als Raymond Chandler (1888-1959) und schon 1934 aufgehört; von da an arbeitete er nur noch in Drehbüchern.Die zwei Bände „Detektiv bei Continental's“ enthalten die frühen Geschichten, die ihn schlagartig bekannt gemacht hatten, und nicht die 1929-1934 entstandenen fünf Romane, denen er seine Berühmtheit verdankt. Doch sie zeigen schon das bestechende Talent dieses Autors: Die Story ist mitreißend, die Schilderung oft auf genaueste Art
Berechtigt ist der Neudruck der „Zwei Streitschriften“ von Paul Rilla (1896-1954), unter dem Titel „Literaturals Geschichte“ die Polemiken „Literatur und Lüth“ (1948) und „Goethe in der Literaturgeschichte“ (1949) zusammenfassend. Besonders die erste erregte beträchtliches Aufsehen, denn unter dem hochgestochenen Titel „Literatur als Geschichte“ war knapp vorher eine zweibändige Kompilation von Paul E. H. Lüth in einem angesehenen Verlag herausgekommen, zum Großteil abgeschrieben: von alten, längst veralteten Fach-Scharteken und von den neuesten Verlagsprospekten.
Impulse aus Österreich - aus dem Staat zwischen Ost und West, in dem das Ausland ein verstärktes Senso-rium im Umgang mit dem Ostblock und dessen Flüchtlingen ortet. Aus eben diesem Grunde startete die im Februar in der Schweiz gegründete supranationale „Europaische Helsinki-Gruppe“ vetgangene Woche in Wien ihre Presse- und Informationskampagne quer durch die 35 Signatarstaaten der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE).Ihr Ziel: Auf der nächsten KSZE-Konferenz 1980 in Madrid für die Verwirklichung der Menschenrechtsabkommen von Helsinkieinzutreten; im
Ein eindeutiges Bekenntnis zur bedingten Haftentlassung als Instrument zur Reduzierung der Rückfallsquoten von Straftätern geht quer durch die Parteien und glättet - zumindest in diesen Gewässern - die politischen Wogen. Statistisches Datenmaterial belegt die Risikoverminderung durch diese Einrichtung infolge der Über-wachungs- sowie Hilfestellungsmöglichkeiten für jeden Entlassenen. Auf einer Enquete des Justizministeriums über die aktuelle Frage der bedingten Entlassung wurde vergangenen Montag der Ausbau des Verfahrensgerichtes gefordert. Psychologen, Bewährungshelfer, der
Schulversager werden leicht mißerfolgsorientierte Menschen mit wenig Selbstvertrauen und Selbstsicherheit. Ihnen fehlt zumeist die Durchsetzungsfähigkeit. Mißerfolge in der Schule reduzieren die Persönlichkeitsentfaltung, sie erzeugen Angst und damit eine allgemeine Leistungshemmung.Die Verfasserin dieser Zeilen, Karoline Jandl, beschäftigt sich seit Jahren eingehend mit der komplexen Problematik der Heimkinder. Vor kurzem hat sie in der Reihe „Pädagogik der Gegenwart“ des Verlages Jugend und Volk ihr Buch „Chancengerechtigkeit für Heimkinder“ herausgebracht.Auf Grund intensiver
Die Schwedin Gun-Britt Sundström, Mittdreißigerin, hat mit ihrem siebenten Buch daheim einen Sensationserfolg errungen. Es muß also, egal wie gut oder ungut es sein mag, ein Pro blem getroffen haben, in dem sich viele Leser getroffen fühlen. „Die andere Hälfte“ ist kein Liebes- oder Ehe-, sondern laut Untertitel „Ein Verhältnis-Roman“. Und das stimmt. Erzählt wird er, in der Ich-Form, von der weiblichen „Hälfte“.Zwei Studierende (sie ist 20, er 19) lernen beim geradezu sympathisch allmählichen Beginn der Liaison, welche dann, über alle inneren und äußeren
Bestseller mit Qualität - das bedeutet, daß der Roman „Dornenvögel“ von der australischen Neurophysiologin Colleen McCullough nicht bloß Bestsellerqualitäten aufweist (die hat er tatsächlich), sondern daß dieses rasch berühmt gewordene Buch, unbeschadet seines verblüffenden Publikumserfolges in den USA und als Übersetzung, auch literarische Qualitäten hat: als authentische Schilderung von Land und Leuten, als psychologisch fundierte Zeichnung von Charakteren, als spannende Geschichte diverser Einzelschicksale sowie als meisterhafte Komposition dieser vielen und
Ohne Zweifel hat dieses Jahrhundert revolutionäre Erkenntnisse im Bereich menschlichen Zusammenlebens gebracht. Die Wissenschaften der Medizin, Psychologie und Soziologie lehren uns, die wahren Beweggründe menschlichen Verhaltens und die Folgen unserer Handlungsweisen zu erkennen. Eltern wissen um die psychischen Entwicklungsphasen ihrer Kinder und stellen ihr Verhalten darauf ein; Kirche, Staat und viele Organisationen schaffen Sozialhilfestellen aller Art, um diese neuen Erkenntnisse in die Praxis umsetzen zu können. Wie beschämend für uns alle, daß der alte Mensch in diesem
Mitreißend ist er nicht, dieser Agentenreißer, aber für Leute, die sich um so etwas reißen, dürfte er gerissen genug sein. Der Titel „Nagelprobe“ (laut Umschlaginterpretation: „delikateAufgabe, Nagelprobe seiner Karriere“) setzt voraus, daß niemand mehr von der altnordischen Trinksitte weiß, nach welcher man den geleerten Becher auf den Daumennagel stülpte, um festzustellen, ob jemand ganz aus getrunken habe. Bei Len Deighton, dem englischen Autor, heißt der Roman „Yesterday’s spy“: Spion von gestern.Das Buch ist freilich von einem Profi der Spannungsliteratur und nicht
… und er darf auch sein, wenn er gut genug ist. Hugo Wiener, seit langem ortsbekannt als witzig-ausgelassener Verfasser von Chanson-, Kabarett* und Operettentexten, schreibt seit einigen Jahren mit schöner Regelmäßigkeit satirisch-humoristische Bücher, da Kabarett wie Operette mehr und mehr aus der Mode gekommen sind. Seine Masche daher: Kleinkunstmäßige Übertreibung familiärer und gesellschaftlicher Unzukömm lichkeiten, durch einfallsreiche Pointen stilistisch bekömmlich gemacht. Im Vorjahr war es die hämische Aufforderung „Seid nett zu Vampiren”, wobei einundvierzigmal als
Der Roman „Pest in Siena” von Erich Wolfgang Skwara ist kein Roman und handelt nicht von der Pest. Es kommen zwar neben Don Juan eine Menge bekannter Namen zur Sprache, Mozart „Vincent”, Monteverdi, Gluck und andere, auch das Salzkammergut, Amsterdam, Paris, Auschwitz und so fort, aber alles kommt nur zur Sprache, weniger als das: wird bloß genannt, sozusagen beispielhaft angeführt Es ergibt sich kein Ort der Handlung und keine Figur, es wird auf eine Weise meditiert, die wahrscheinlich pessimistisch sein will, aber nie ganz klar wird. Hinten auf dem Buchdeckel ist eine Erklärung
„Der große Filou” von Rudolf Hagelstange erweist sich als perfekt prosaische Wiedergabe der „Abenteuer des Ithakers Odysseus” und ist „mit zwölf Illustrationen nach Holzschnitten von Hansen-Bahia” versehen (in der bibliophilen Ausgabe des Verlags Hans Christians/Hamburg, signiert und numeriert, waren es 40 Holzschnitte). Es sind freilich nicht „Die Abenteuer”, die das Werk unsterblich gemacht haben, es ist ihre Gestaltung als Epos. Der Gedanke an Homer wird also zum Nebengedanken, der sprachlich nicht zum Tragen kommt, aber zum Hintergedanken, der das Unternehmen ertragreich
Der gelernte Chirurg Curt Emmerich (1897-1975), der sich als Schriftsteller Peter Bamm nannte, hat „Ein Leben lang“ (wenn man von seiner Autobiographie und einer Biographie Alexander des Großen absieht) hauptsächlich zweierlei geschrieben: Religiöse Überlegungen (er war katholischer Konvertit) sowie Reise- und Zeitfeuilletons mit durchwegs heiterer Note. Aus solchen vielseitigen Betrachtungen in all den Jahren, von 1923 bis ins Todesjahr reichend, ist auch die vorliegende Nachlese meist brillanter Stücke zusammengesetzt, die bisher nicht in Bücher aufgenommen waren. Die notorische
Ein Dichter gilt heutzutage in dem Maße, in welchem es nicht für sicher gut, was er mit seiner Dichtung gemeint hat. Bloßes „Singen und Sagen“, danach kräht kein literaturkritischer Hahn, wenn sich nicht viel mehr dazu sagen läßt, als daß Verse oder eine Prosa gut, schön und richtig waren. Um Matthias Claudius, den manche für den größten Lyriker des deutschen Sprachbereichs halten (dessen Versvollkommenheit selbst Goethe kaum erreicht habe), ist es nicht darum stül geworden, weil er übertroffen wäre, sondern weil es bei ihm wenig zu interprätieren gäbe. Von Trakl über
Der Unterschied zwischen Goethe und Ulrich Plenzdorf ist, daß der Klassiker „Die Leiden des jungen Werthers“ (damals führten Eigennamen in solchen Wendungen noch ein Genitiv-s) erlebt und erlitten, jedoch überlebt hat: Er reagierte auf menschliches Ungemach als Künstler und reagierte es ab, indem er sich die gefährliche Liebesgeschichte von der Seele schrieb. Tatsächlich starben, quasi epidemisch, etliche Leser daran.„Die neuen Leiden des jungen W.“ von Ulrich Plenzdorf haben keinem das Leben und ihn wahrscheinlich keine Vorgeschichte gekostet. Er reagierte literarisch gekonnt
Er kann sich einfach nichfi mehr leiden, darum tut er sich ein Leid an. „Jenseits der Liebe“ von Martin Walser ist ein Krankheitsibild, das auf den Exitus letalis hinweist. Dieses Ende kommt freilich erst am Ende zur Sprache. Franz Horn, einst erster Vertreter für „Chemnitzer Zähne“, seit Jahren an die zweite Stelle zurückgesetzt, führt das Innenleben eines Zurückgesetzten, und das führt bergab. Äußerlich hielt er sich aufrecht, innerlich war er gebrochen. Und er war sich dahinter gekommen und wußte, daß er ein Gebrochener war, der in existentieller Notwehr mit Freundlichkeit
Politik, so Max Weber, bedeutet ein starkes, langsames Bohren in harten Brettern. Einer, der sich darauf immer ganz vorzüglich verstand, Professor Alfred Maleta, feierte in diesen Tagen den 70. Geburtstag. Im Kreis von Freunden und Konkurrenten — so ols stünde er noch immer 'dort, wo er gut dreißig Jahre lang gestanden ist, inmitten der Tagespolitik.Alfred Maleta hat die Geschichte der Zweiten Republik mitgeschrieben; die Geschichte seiner Partei, der ÖVP, und seines Bundes, des ÖAAB, wesentlich mitbestimmt; dem Parlamentarismus aber Glanzlichter aufgesetzt: erst als einfacher
Das IFESJinstifut des sozialistischen Abgeordneten Blecha veröffentlichte dieser Tage das Ergebnis einer „Repräsentativuntersuchung” über hierzulande grassierende Ansichten über den Unterschied zwischen Arbeitern und Angestellten. Auf eine einfache Formel gebracht, wollte IFES erfahren haben, daß solche Unterschiede, wenn überhaupt, nur noch im arbeitsrechtlichen Bereich wahrgenommen werden. Nur 40 Prozent der Befragten vermuten weitere Unterschiede, während 55 Prozent solche Unterschiede verneinen. Fach- und Hilfsarbeiter sowie die Beschäftigten in Städten mit mehr als 50.000
Die Geschichte des Menschen hat sich in einer verschwindend kurzen Epoche der kosmischen Geschichte abgespielt. Wie dramatisch sich die Entwicklung zum Menschen hin zugespitzt hat, wird besonders eindrucksvoll klar, wenn man den ganzen bisherigen Ablauf kosmischen Geschehens auf den Zeitraum eines Jahres projiziert. So wird das Rechnen mit unansohaulich langen Zeiträumen vermieden, und wir können in den uns vertrauten Zeitspannen von Wochen, Tagen, Stunden usw. denken. Der gegenwärtige Zeitpunkt soll mit dem Ende unseres Mod eil jahr es zusammenfallen, ein in kosmischer nebelhafter
Der österreichische Bundesverlag bringt eine Taschenbuchreihe für Kinder heraus. Die glanzfolienkaschierten Bändchen mit buntem Umschlag und mehreren Strichzeichnungen im Text haben jeweils 64 Seiten Umfang und kosten S ,20.—. Die,Altersstufe für die sich ein solches „Spatzenbuch” eignet — f oder 9 Jahre —/ist auf dem Rük- ken vermerkt.Von den 24 derzeit erhältlichen Kindertaschenbüchern dieser Reihe lagen uns vor: „Unser Hannes” von Gisela Hohmann, „Die Geschichte vom Zauberstab” von Resa Hutzinger, „Rosinchen das Wildschwein” von Helene Weilen und „Der zwetsch-
Dieser mit Liebe und Humor geschriebene „Roman aus der Biedermeierzeit“ verspricht gemäß seinem Untertitel die „Lebensgeschichte des allzeit fröhlichen Hannibal Biesle, Türmers, Cantors und Chorregenten zu Ilgenstadt“ in einem „Vorspiel“ und fünf „Vorstellungen“, alles gehörig in heiter betitelte Kapitel geteilt.Es mag anachronistisch erscheinen, daß. derlei und in solcher Form heute noch geschrieben und publiziert wird, daß es jedoch noch viele dankbar vergnügte Leser findet, ist eine Tatsache, mit der sich extreme Literaturbonzen, grimmig ungern, abfinden müssen.
Wie kann man nur so meisterhaft unbehelligt bleiben von Moden und Methoden zeitgenössischer Literatur? Vielleicht, indem man als sprachbegabter Franzose (1900) geboren wird und es neben Romanen, Erzählungen, Gedichten und Essays bürgerlich-beruflich zum Museumsdirektor, Leiter des französischen Staatsarchivs und Mitglied der Academie franęaise bringt. Dieser großartige Chamson kann nicht nur schildern, er kann auch anekdotenknapp erzählen. Das eine beweist er besonders in der herrlichen Naturzeichnung „Der Aigoual“ und in der nachfolgenden Milieuzeichnung „Die Macht der Worte“,
Ein Glodsenturm bei der Porte de Cham-perret sendet an hohen Festtagen sein Licht leuchtfeuergleich über die Dächer von Paris. Er ist mit seinen 72 Metern der höchste von Paris und gehört zu einer der heiligen Ottilie, der Landespatronin des Elsaß, geweihten Kirche, die Pierre l'Ermite (Mgr. Loutil) in den Jahren 1936 bis 1938 zum Dank für die Wiedervereinigung Elsaß-Lothringens mit Frankreich gebaut hat. Noch war sie nicht geweiht und schon marschierten die Deutschen abermals ins Vogesenland ein. Erst Ende 1946 wurde sie dem Dienste Gottes übergeben. Die aus rosenrotem Backstein