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Chiffren statt Figuren

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Der Roman „Pest in Siena” von Erich Wolfgang Skwara ist kein Roman und handelt nicht von der Pest. Es kommen zwar neben Don Juan eine Menge bekannter Namen zur Sprache, Mozart „Vincent”, Monteverdi, Gluck und andere, auch das Salzkammergut, Amsterdam, Paris, Auschwitz und so fort, aber alles kommt nur zur Sprache, weniger als das: wird bloß genannt, sozusagen beispielhaft angeführt Es ergibt sich kein Ort der Handlung und keine Figur, es wird auf eine Weise meditiert, die wahrscheinlich pessimistisch sein will, aber nie ganz klar wird. Hinten auf dem Buchdeckel ist eine Erklärung des Autors zu seinem Roman zu finden, in der aber auch keine Klarheit zu finden ist. „Die ,Pest in Siena” als Hochzeit zweier Chiffren: das sterbende Europa mit seinen ungezählten Gründen und Grüften in zwei Chiffren gedrängt. Wer aber viel vollendet hat und sich überlebt, hat ein Recht und eine Verpflichtung zum Tod.”

In solcher Form lyrischer Prosa ist das ganze Buch gehalten. Auf Seite 48 steht ein offenbar programmatischer Satz: „So schleppte sich Don Juan durch Zeit und Literatur, auch durch dieses Buch, ohne einen Ansatzpunkt zur Handlung zu finden.” Der durch seinen legendären Ruhm Unsterbliche irrt, uralt geworden, durch unsere Zeit fährt mit dem Auto, spricht zeitgemäß modisch von „Kreativität” und flüchtet zum Schluß ins Meer.

Der 28jährige Salzburger, der laut Umschlagnotiz „als Dozent für deutsche Literatur an der Universität Baltimore” arbeitet, hatte mit diesem sogenannten Roman viel vor, und das hat er noch immer. Er hat stilistisch anspruchsvoll ausgeholt, jedoch sein angestrebtes Ziel nicht eingeholt. Der angebliche Untergang des Abendlandes ist ja seit mehr als einem halben Jahrhundert zur literarischen Chiffre geworden, und die vorliegende Sage vom „sterbenden Europa” vermochte der bejahrten Chiffre keine neue Deutung zu geben oder sie gar zu entziffern.

PEST IN SIENA. Von Erich Wolfgang Skw ar a. edition junge poesie, lNFO?Verlag, Karlsruhe, 103 Seiten.

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