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Bestseller mit Qualität

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Bestseller mit Qualität - das bedeutet, daß der Roman „Dornenvögel“ von der australischen Neurophysiologin Colleen McCullough nicht bloß Bestsellerqualitäten aufweist (die hat er tatsächlich), sondern daß dieses rasch berühmt gewordene Buch, unbeschadet seines verblüffenden Publikumserfolges in den USA und als Übersetzung, auch literarische Qualitäten hat: als authentische Schilderung von Land und Leuten, als psychologisch fundierte Zeichnung von Charakteren, als spannende Geschichte diverser Einzelschicksale sowie als meisterhafte Komposition dieser vielen und verschiedenartigen Einzelthemen zum symphonisch stimmigen Gesamtwerk einer Familiensaga über drei Generationen.

Die unterscheiden sich, wie eine jede eben sich von der vorigen abzuheben pflegt, und sind doch spürbar bluts-und herzensverwandt. Die Autorin verzichtet von Anfang an auf effekthaschende Romantricks, aber sie erzählt immer so ansprechend, daß das Lesevergnügen alsbald einsetzt und dann bis zur letzten Seite durchhält, wiewohl politische und andere weltanschauliche Einschübe vorkommen. Aber sie kommen ganz selbstverständlich, gehören dazu und machen den Familienroman erst recht verständlich.

Der Inhalt ist geradezu sachlich angeordnet, beginnt mit „1. Teil“ und endet mit dem „7. Teil“, jeder führt als Überschrift den Vornamen der jeweiligen Hauptgestalt des Abschnittes (von „Meggie“, „Ralph“ und so weiter bis „Justine“) nebst dem kapitelweise fortlaufenden Zeitablauf, angefangen mit „1915-1917“, endend mit „1965-1969“. Man weiß vom ersten Satz an, wann die Geschichte und alsbald auch, wo sie spielt: „Am 8. Dezember 1915 hatte Meggie Cleary ihren vierten Geburtstag.“

Man lernt Australien und Australier kennen, Neuseeland, später die Konfrontation jüngerer Familienmitglieder mit Europa, vor allem dem vatikanischen Rom, aber auch England und Griechenland. Mitfühlend und mitdenkend ist die Rede von Frommen und Unfrommen, doch sie haben, ohne es recht zu wissen, mehr miteinander gemein, als zumindest die Unfrommen wahrhaben wollen. Seltsam ergreifend der Bericht von diesen (auf durchaus unterschiedliche Weise) in der Regel

sentimentalitätsscheuen Menschen. Eben das wird schließlich zum offenen Geheimnis des Riesenerfolges der welterfahrenen Erzählerin, die in ihrer Heimat, in Amerika und Europa berufstätig war und in den USA noch immer in einem Spital arbeitet. Schon ihr Romanerstling, „Tim“, erregte beträchtliches Aufsehen; seine Übertragung ins Deutsche wurde bereits angekündigt.

DORNENVÖGEL. Von Colleen McCullough. Verlag Fritz Molden, Wien 1977, 654 Seiten, öS 248,-.

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