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Alltägliche Wunder

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Das Tanka, eine mehr als tausend Jahre alte Kurzgedichtform der Japaner, hat mit seinen fünf Zeilen zu 5/7/5/7/7 Silben längst auch im deutschen Sprachraum Eingang gefunden und sich als Kunstwerk behauptet. Was man in dieser Lyrik erlebt, gehört fast nur dem Alltäg- lichen an, daran die meisten vor- beigehen, es gar nicht beachten, das Wunder nämlich der kleinen Din- ge, den blühenden Zweig, das Lä- cheln des Kindes, den Strahl der Sonne, der ein Laubdach durch- bricht, den Gesang eines Vogels, Wind, Wolken,Wasser und Feuer. Aber die Welt, ihre Menschen und Dinge, sind so voller Rätsel, daß sich aus dem, was die Sinne erfah- ren, manchmal ganz plötzlich die Lösung ergibt und ein Dasein er- füllt zu sein scheint.

Die strenge Form des Gedichts läßt freilich nur zu, was wesentlich ist, das heißt nicht geballt, wie ja das Wesen und Sein auch nicht geballt, sondern, sich öffnend, von innen her wahrnehmbar wird. Manche vergleichen das Tanka mit dem Sonett, da es ähnlich geschlos- sen erscheint.

Vorliegende Sammlung von hun- dertsechzig Gedichten könnte sehr wohl dem Unterricht dienen: Ein Teil der Fünfzeiler verrät ja die wirklichen Könner, ein anderer mag beispielhaft zeigen, wie schwer es ist, das Wahre und Schöne einfach zu sagen.

DAS BUCH DER TANKA-DICHTUNG. Her- ausgegeben von Carl Heinz Kurz. Ubersetzung ins Englische von Werner Manheim und ins Japanische von Kaoru Kubota. Verlag Graphi- cum, Göttingen 1990. 49 Seiten, öS 140,40.

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