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Am Barte hängt 's

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Einem durchschnittlichen Mann wachsen im Gesicht zehntausend Haare. Wozu, weiß ichnicht so genau. Wahrscheinlich sollte er doch nur Zierde und Unterscheidungsmerkmal des Mannes sein, praktisch in Zeiten, als die Kleidungsmode noch unterentwickelt war und das Haar nicht geschnitten wurde. Man weiß ja, wie genau man heute hingucken muß, um festzustellen, ob ein glattbackiger Mensch im Uni-Look Männlein oder Weiblein ist.

Warum man diese Manneszierde wegrasiert, ist auch nicht so einfach zu klären. Man tut es jedenfalls seit langem - die Archäologen haben steinerne Rasiermesser gefunden, die etwa achttausend Jahre alt sind. Spätestens seit jener Zeit teilten sich die Menschen in Völker, bei denen der Verlust des Bartes für einen Mann die größte Schande war und solche, die bärtige Männer als Barbaren betrachteten. Jahrtausende lang wurde die Form des Bartes oder die Rasur je nach Stand und Rang vorgeschrieben.

Heute kann man es machen wie man will - warum tragen die einen Bart und die anderen unterziehen sich der täglichen Prozedur des Rasierens?

Würden nur Konservative Bart tragen, um das alte Zeichen männlicher Überlegenheit zu erhalten, wäre es verständlich. Aber auch Revoluzzer, die die alten Barte der Gesellschaft abschneiden wollen, lassen sich als Erkennungszeichen wirre Barte wachsen. Dann sind aber die Rasierten emanzipierter - sie stechen nicht den Frauen mit dem Bart in die Augen -, und selbstbewußter- sie glauben nicht, einen Bart zu brauchen, um ihre Männlichkeit zu beweisen. Sie verstecken nicht ihr Gesicht hinter üppigem Haarwuchs, tragen aber auch ihre politische Gesinnung nicht zur Schau.

Rasieren ist in der heutigen hastigen Zeit eine lästige Pflicht, aber auch ein Genuß: Es bietet die raren Momente, wo man mit sich allein unter vier Augen ist - die im Spiegel mitgerechnet. Wer nicht gern sich selbst ins Gesicht schaut, muß sich den Bart stehen lassen.

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