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Eine alte Weisheit: Kleider machen Bedeutung

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Ein Kleid gefällig, etwas Passendes zum Anziehen, etwas, womit man sich zeigen kann. Denn die Zeiten des Paradieses sind vorbei, nackt allein genügt nicht mehr.

Warum? Nein, nicht aus „G'scha-migkeit”. Man sehe sich ein paar Stunden lang Nackerte an. Nichts ist trauriger als eine Anhäufung von Bäuchen, Hintern und Krampfadern. Da spürt man direkt den Schrei nach Gewand, nach Kultur.

Ein Feigenblatt gefällig? Oder etwas Solides? Ein Fellschurz aus der göttlichen Manufaktur, für Adam und Eva, daß sie nicht frieren jenseits von Eden. Was für ein Fort-

schritt, vom Fellschurz zum Brautkleid von Dior, und drin steckt immer noch die gleiche nackte Eva.

Ein kompliziertes Kleid gefällig, Textilien mit Bedeutung? Zum Beispiel ein Leiberl mit Krokodil, also der Königshieroglyphe. So etwas hat Pharao getragen, als Mose zur Audienz kam. Pomeisl und Clinton im Pharaonenlook? Also ein Kleid mit Bedeutung gefällig. Die nächste Benetton-Kreation kommt bestimmt.

Und wenn man Paulus heißt und ein Apostel ist, auch dann bringt man den Glauben ins Outfit. Für die Herren vom Kameradschaftsbund eine „göttliche Waffenrü-

stung” gefällig? Laut Katalog: der Gürtel der Wahrheit, der Panzer der Gerechtigkeit, die Schuhe der Bereitschaft für das Evangelium, der Schild des Glaubens, der Helm des Heils, das Schwert des Geistes.

Warum denn nicht, schließlich hat sich auch das Böse in Schale geworfen und den Fluch angezogen wie ein Kleid: die Unterhose der Vergewaltigung, das Leiberl der Machos, das Hemd der Heuchelei und die Krawatte der Ideologie; dazu das Sakko der Ausbeutung und die Hose der Menschenverachtung, die Schuhe der Unterdrückung und den Mantel der Verharmlosung, den Hut der

Lüge und die Handschuhe des Betrugs. Wer sich kleidet, verrät sich.

Nein, die Bluejeans der Lässigkeit genügen nicht, auch nicht das T-Shirt des Aussteigens und das Parfüm der Selbstverwirklichung. Man kleide vielmehr seine Haut mit Empfindsamkeit, seine Ohren mit Erbarmen, seine Augen mit Widerstand, seine Zunge mit Protest, seine Nase mit Kritik, seine Hände mit Liebe, seine Füße mit Hoffnung; und seinen Kopf mit Utopien, seine Stirne mit Alternativen, seinen Nabel mit Schönheit und seinen Hintern mit Geduld.

Und der Seele könnte vielleicht der Glaube passen.

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