7105517-1995_29_07.jpg
Digital In Arbeit

Hirtenamt zwischen Theorie und Schweiß

Werbung
Werbung
Werbung

Seit Jahrtausenden wird der Beruf des Priesters, des Bischofs, gern mit dem Beruf des Hirten verglichen. Und da dieser Vergleich uralt ist und kaum noch irgendwo ein echter Hirt im ursprünglichen Sinn zu sehen ist, denken die meisten Menschen, wenn sie „Hirt” hören, gleich an Pfarrer und Bischöfe.

Daß die geistliche Tätigkeit von Männern - in den evangelischen Kirchen auch von Frauen - „Hirtenamt” („Hirtinnenamt”) genannt wird, regt niemanden mehr auf. Dabei ist „Hirt” ein sehr anstößiges Bild für einen Geistlichen. Man braucht

nur das Wort durch „Cowboy” zu ersetzen, und statt „Hirtenamt” frech „Cowboyamt” zu sagen, ist fast schon eine implizite Lästerung.

„Cowboy” riecht nach Schweiß und Hitze, schmeckt nach Staub und Durst, nach Einsamkeit. Jeder Wildwestfilm zeigt Männer, die dieses schwere Hirtenamt ausüben. Zart besaitete Gemüter irritiert natürlich, daß der „Cowboy” auch an Saloon, Western-Musik, Saufen, Kartenspiel und Baufereien erinnert. Nur, Hirten in biblischen Zeiten waren auch rauhe, lärmende Burschen und nicht besonders geachtet. Und gerade in biblischen Zeiten benennt Gott selber seine Tätigkeit mit einem so anrüchigen, anstößigen Wort wie „Hirt”: Wenn sich ein Schaf verirrt, sucht er es oft tagelang. Und er führt seine „Schafe” auf die fettesten Weiden. Verwundete Tiere wird er verbinden, die Starken weiter ermutigen.

In dieser Tradition nennt sich Jesus einen „guten Cowboy”. Er wird mit dem Wolf kämpfen und, wenn es sein muß, sein Leben geben. Er wird sie nicht wie „blöde Schafe” behandeln, sie nicht schlagen oder erschrecken. Er wird sie zu nichts zwingen, nicht einmal zur

Wahrheit. Aber die Schafe werden ihm nachlaufen, weil sie seine Stimme kennen und ihm vertrauen.

Und darum muß sich jeder Hirte von seinem göttlichen „Öberhirten” mahnen lassen: „Wehe den Hirten, die sich selbst geweidet haben. Die Milch genießt ihr, mit der Wolle bekleidet ihr euch, die gemästeten Tiere schlachtet ihr. Ich werde euch meine Schafe wegnehmen.”(Ez. 34)

Wenn man wissen will, ob ein „Hirte” wirklich für seine „Schafe” da ist, dann versuche man ihn doch einmal ganz ungeniert biblisch einen „Cowboy” zu nennen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung