Jetzt ist sie wieder im Bollen, die friedliche Sommervölkerwanderung, und läßt so für kurze Zeit ein geradezu unglaubliches Völkergemisch entstehen. Man unterschätze nicht, in welch hohem Ausmaß der internationale Tourismus zum friedlichen Zusammenleben der Europäer beiträgt.
Ja, und dann sitzt man irgendwo auf einem Campingplatz oder in einem Lokal in fröhlicher Bunde beisammen und trinkt einander zu. Auch hier gibt es ein internationales Stimmengewirr: Prost, Salute, Sehr zum Wohl, G'sundheit, a votre sante - und einer bringt dem anderen bei, wie „Prost" in seiner Sprache heißt: eges segedre, na sdrowje, cheers.
So selbstverständlich das alles ist, es ist doch immerhin eine bemerkenswerte Tatsache, daß man nicht miteinander trinken kann, ja will, ohne daß einer dem anderen etwas Gutes wünscht: Heil, Gesundheit, gute Laue, neuen Mut. (Und die Leute, die sich schon gut angefreundet haben, lassen dann - vielleicht am Feuer - eine Flasche im Kreis herumgehen; und jeder trinkt einen Schluck.)
Und ganz leise erinnert das ganze ans Abendmahl. Ja, es geht recht „weltlich" und laut zu, aber es ist doch eine Art tiefergehende Kommunikation, ich zögere nicht, auch „Communion" dazu zu sagen. Hier sind ja über viele Grenzen und Unterschiede hinweg Freundschaften entstanden und halten manchmal über viele Jahre hinweg. 1% ur einmal hat meine heile
Welt des Zuprostens beinahe -L 1 einen Knacks bekommen: als ich nämlich gehört habe, wie die Männer in den Gebirgstälern Kretas miteinander anstoßen. Übersetzt heißt das „unbeleidigt sterben!"
Also Blutrache bis in die Trinksitten hinein. Ein grausiger Umtrunk von Verschwörern, die nicht gezögert haben, ihrer Ehre Menschenopfer zu bringen.
Doch auch diese brutale Trinksitte erinnert wieder leise an die Communion. Ist nicht oft genug - von Christus bis heute - menschliche Gemeinschaft um das Blut unschuldiger Menschen erkauft worden?
Dieser Christus aber hat seinen Jüngern und Jüngerinnen auch versprochen, daß er einmal im Himmelreich wieder mit ihnen den Wein der Communion trinken wird. Und so haben die Menschen überall dort, wo sie in Freundschaft miteinander ein Glas Wein trinken, einen kleinen Vorgeschmack auf die himmlische Herrlichkeit. Prost!
