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Antiklerikalismus ohne Maske

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Kulturkampftöne werden in Ungarn im Streit über die Rückerstattung des von den Kommunisten seinerzeit beschlagnahmten Kirchenvermögens laut. Die von der christlich-nationalen Koalition ausgearbeitete Gesetzesvorlage zur Rückgabe kirchlichen Besitzes in Ungarn wird im Parlament dermaßen verschlüsselt vorgetragen, daß sie selbst zahlreichen Abgeordneten erst übersetzt werden muß. Die Opposition - ob liberal, radikal oder aber sozialistisch - wirft die Maske, was den Antiklerikalismus angeht, ab. Die Führungen der Kirchen schweigen. Der Öffentlichkeit bleibt auch diesmal nichts anderes übrig, als sich die Informationen aus den vor modischem Pseudoliberalismus überschäumenden Massenmedien zu holen.

So erfährt sie auch vom „hinterhältigen Attentat der Priester”, die sich nun „die Zersetzung des ungarischen Bildungswesens” vorgenommen hätten.

Enorme Stimmungsmache

Diese und andere Formulierungen aus dem Vokabular des übelsten Kirchenkampfes verdeutlichen nach Ansicht von Beobachtern wieder einmal jene Anarchie, die sich hinter dem scheinbar wohlfunktionierenden Parlamentarismus in Ungarn verbirgt.

Die Regierungskoalition will jenen Kirchenbesitz zurückerstatten, der nach dem 1. Jänner 1948 entschädigungslos beschlagnahmt wurde. Es handelt sich dabei um Klöster, Bildungsinstitutionen, Gesundheits- und

Sozialeinrichtungen und auch um Institutionen, die sich mit Kultur und Jugendarbeit befassen.

Mit Hinweis auf die Tatsache, daß vor dem genannten Datum rund 60 Prozent der Schulen Ungarns im kirchlichen Besitz waren, stellte nun die sozialistische (ehemals kommunistische) Tageszeitung, .Nepszabad-säg” entsetzt fest: „Das würde doch heißen, daß die Kirchen bald einen bedeutenden Teil unseres Schulwesens übernehmen könnten!” Theoretisch, widersprechen kirchliche Gesprächspartner, denn in Wirklichkeit wäje dazu keine der Kirchen imstande - es mangelt an Personal, an Qualifikation und nicht zuletzt auch an Kapital.

Die Stimmungsmache läuft momentan auf Hochtouren, die Betroffenen hüllen sich in Schweigen.

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