Erstmals ist vor kurzem, dank Peter Handke und des rührigen Residenz-Verlages, eine gehaltlich und sprachlich verdichtete Romanschau des Kärntner slowenischen Nachkriegsautors Florijan Lipuš allgemein zugänglich geworden. Tjaž, der Held aus seinem gleichnamigen Roman, ist ein Nonkonformist, noch im selbstgewählten Tod nach dem Internatsausschluß - Heiligenfiguren werden von ihm zu nächtlicher Stunde erbarmungslos zurechtgestutzt, wie man es in engen Internatsfesseln mit ihm tut - ein der Norm von Särgen und Gräbern Entwachsener.
Die Gestalt des Tjaž - im slowenisch Originaltitel deutlich an Musils „Verwirrungen des Zöglings Törless“ angelehnt - ersteht in beängstigender Weise aus verschiedenen Perspektiven, nicht zuletzt aus der Perspektive der augenzwinkernd scheinheiligen Internatsleitung.
Lipuš, einst selbst Zögling, liefert so Schlüsselpositionen für eine Autobiographie. Naturkulisse gibt es keine; nur tote Raben und eine Spinne, bestürzende Symbole, fügen sich in den makabren Rahmen.
Trotz kongenialer Übertragung verliert das Original an Eindringlichkeit; das Verbum etwa, im Slowenischen mit reichen Ausdrucksfacetten versehen, verliert an Kraft; die ungemein assoziative Erzählweise ist im Deutschen weniger wirkungsvoll.
Daß Lipus von Tjaž erzählt und die gesamte slowenische Volksgruppe meint, ist wohl klar. Tod und Begräbnis stehen seit seinem Bühnenerstling „Mrtvo oznanilo“ (Verkündigung ohne Echo) bis zu neuesten Prosaversuchen gespenstisch im Vordergrund. Daß Grenzen zum Blasphemischen hin überschritten werden, findet in Kärnten nicht immer Verständnis.
Alles in allem: Ein Buch, das in breiten deutschsprachigen Leserkreisen von der Qualität austro-slo- wenischen Literaturschaffens zeugt.
DER ZÖGLING TJAZ. Von Florijan Lipuš. Aus dem Slowenischen übersetzt von Peter Handke zusammen mit Helga Mračnikar. Residenz-Verlag, Salzburg 1981. 248 Seilen, öS 225.-
