Die Gewalt nimmt kein Ende
Der große österreichische Staatspreis für Florian Lipus war längst fällig. Lesenswert ist auch des Autors Buch „Schotter“.
Der große österreichische Staatspreis für Florian Lipus war längst fällig. Lesenswert ist auch des Autors Buch „Schotter“.
Wichtigtuer, Blender und Gschaftlhuber gehören zum selbstverständlichen Inventar der österreichischen Literatur und deren Betrieb. Sie finden auch noch Gehör. Andere arbeiten konzentriert und über viele Jahre an ihrem Werk, drängen sich nicht an die Öffentlichkeit und schreiben nichts, was sich dem flotten Blick gefügig erweist. Wenn so jemand wie Florjan Lipuš auch noch der slowenischen Volksgruppe angehört und seine Bücher in slowenischer Sprache veröffentlicht, bevor sie auf deutsch erscheinen, sieht es nicht gut für ihn aus. Als der 1937 in Südkärnten geborene Autor, der bis zu seiner Pensionierung als Volksschullehrer gearbeitet hatte, im vorigen Jahr den Großen Österreichischen Staatspreis zugesprochen bekam, war das die späte Würdigung eines sträflich Unterschätzten.
Dabei hat er zahlreiche Bücher veröffentlicht, die allesamt hoch gelobt wurden. In ihnen kommt der Gewalt gegen Menschen eine besondere Rolle zu. Sie bildet den Kern eines Werks, das den Einzelnen den Bedrängnissen der Zeit aussetzt und ihn doch nicht als bedauernswertes Einzelschicksal hernimmt. Nicht nur eine Person wird gequält, gedemütigt, umgebracht, sie ist Teil einer Gruppe, die mitgemeint ist. Die Täter werden bestärkt durch ehrwürdige Instanzen, den Staat und die Kirche. Die engstirnigen Dörfler sind im Recht, weil sie die Macht auf ihrer Seite haben. In dem kleinen Roman „Die Regenprozession“ erzählt Lipuš vom grauenhaften Tod einer jungen Frau, die als Hexe angeklagt ihr Recht auf das Leben verwirkt hat. „Spät, sozusagen im letzten Abdruck, hatten nun die Dörfler, die schon lange auf eine eigene Hexe lauerten, ihren Tag und verbrannten sie rasch und möglichst geräuschvoll und feierlich am Scheiterhaufen.“
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