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Auf den Spuren von Palladio

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Vicenza, zwischen Padua und Verona gelegen, ist die Stadt Palladios. Man fährt dorthin wegen der Bauten dieses RenaissanceMeisters. Er beherrscht die Stadt mehr, als Mozart Salzburg. In diesem Jahr - vier Jahrhunderte seit seinem Tode - tritt die Palladio-Welle gleichsam über die Ufer.

13 Ausstellungen sind schon eröffnet oder in Vorbereitung. Italien hat ein Nationalkomitee für die Jubiläumsfeiern gegründet, aber das geistige Zentrum sitzt in einem der Hauptwerke Palladios, in der Vicentiner „Basilika”:

Die große Dokumentation ist aus der Zusammenarbeit von Kunsthistorikern vieler Länder entstanden. Das reicht von England, wo der „Palladianismus” durch die Vermittlung des genialen Inigo Jones zuerst Wurzeln schlug, bis Washington und Virginia, bis Leningrad und Sotschi am Schwarzen Meer und bis an die Hamburger Elbchaussee. Noch in unserem Jahrhundert hat Palladio nachgewirkt.

Der junge Steinmetz, 1508 in Padua geboren, war unter den Bauleuten, die der Vicentiner Patrizier und Humanist Gian Giorgio Trissino engagiert hatte, um seine Villa in der Nähe von Vicenza zu bauen. Der Entwurf stammte von Trissino selbst, und er überwachte auch die Arbeiten. So wurde er auf die Begabung des Andrea di Pietro dalla Gon-dola aufmerksam, der ihm zu Höherem berufen schien und dem er nach Humanistenart den Namen Palladio gab.

Er kümmerte sich um die Weiterbildung des jungen Mannes, nahm ihn auf Reisen nach Rom mit, wo er die antiken Gebäude vermaß und zeichnete. Wie Trissino gab es damals viele Gebildete, für die Kenntnisse der architek-tur ebenso geläufig waren wie solche in der Musik oder Literatur. Palladios Auftraggeber waren zugleich Gesprächspartner. Aber während sich Trissino als Dichter wie auch' bei seinen Bau-Versuchen um die reine Nachahmung der Antike bemühte, fand Palladio zu der Souveränität, die die alten Formen frei verwendete und den Zwek-ken seiner Zeit anpaßte.

Goethe hat das erkannt, als er 1786 nach Vicenza kam: „Die höchste Schwierigkeit, mit der dieser Mann wie alle neueren Architekten zu kämpfen hatte, ist die schickliche Anwendung der Säulenordnung in der bürgerlichen

Baukunst; denn Säulen und Mauern zu verbinden, bleibt doch immer ein Widerspruch. Aber wie er das untereinander gearbeitet hat, wie er durch die Gegenwart seiner Werke imponiert und vergessen macht, daß er nur überredet! Es ist wirklich etwas Göttliches in seinen Anlagen, völlig wie die Force des großen Dichters, der aus Wahrheit und Lüge ein Drittes bildet, dessen erborgtes Dasein uns bezaubert.”

Vielleicht hat Goethe an den genialen Einfall gedacht, wie Palladio das mittelalterliche Rathausgebäude von Vicenza, die „Basilika”, mit einem Mantel aus klassischer Säulen-Architektur umgab. Oder an die Anlage mancher Villen, die auf Grund der wirtschaftlichen Entwicklung nicht mehr nur ländlichen Erholungs-Aufenthalten reicher Handelsherren dienten, sondern Zentren der Bewirtschaftung wurden. Wie da aus dem dominierenden Hauptgebäude die Flügel der Stallungen und Speicher wuchsen - dezent hinter Säulen verborgen. Die Säulen wurden zum Schmuck, sie wirken festlich, aber man denkt nicht bei jeder Villa an einen Tempel.

Doch all seine Villen und die Stadtpaläste in Vicenza und der weiteren Umgebung machten ihn zunächst nicht bekannt. Sein Ruf in Italien wurde begründet, als er Kirchen in Venedig baute, nachdem er 1570 Staatsbaumeister der Republik geworden war. Die Kirchen II Redentore und S. Giorgio Maggiore nähern sich dem Renaissance-Ideal Palladios: dem Rundbau. Aber aus liturgischen Rücksichten konnte er es nicht verwirklichen. Erst das „Tempietto”, das er in die Nähe der Villa Barbaro in Maser stellte, erfüllte das Ideal.

Auch Barbaro war einer der gebildeten Humanisten, die 1555 in Vicenza die Accademia Olimpica gründeten. Er schuf eine Ubersetzung des Vitruv, des großen römischen Lehrmeisters der Architektur, die Palladio illustrierte. Später veröffentlichte Palladio selbst ein theoretisches Werk (auf Grund praktischer Erfahrungen): die „Vier Bücher über Architektur”.

In den letzten zehn Jahren seines Lebens war er viel auf Reisen zwischen Venedig und Vicenza. Die Accademia Olimpica gab ihm einen der letzten Aufträge: das Teatro Olimpico, das in der Theatergeschichte als erster für

Theaterzwecke konstruierter überdachter Bau verehrt wird. Palladio und sein Schüler Scamozzi (der den Bau vollendete) entwickelten aus dem antiken Amphitheater, wie sie es in Rom und Verona studiert hatten, einen Bau für moderne Erfordernisse. Leider kam die Dichtung nicht mit. Das Theater ist für die Tragödie in der Nachfolge der alten Griechen gedacht. In Italien entwickelte sich aber aus denselben antiken Uberlieferungen die Oper und daneben die Commedia dell'arte. Dennoch wird das Teatro Olimpico bis heute bespielt.

Die Architketen aller Länder und Zeiten studierten bei Palladio nicht die Antike, sondern wie man mit den antiken Formen schöpferisch umgehen kann. Palladio, hat manche Entwicklung des Barock vorweggenommen, aber er hat Uberladenheit und Manierismus, die sich vom klassischen Ideal zu weit entfernten, gemieden. Seine edlen Maße und Proportionen haben den Zeiten standgehalten. Nun sind die Denkmalpfleger und die Politiker aufgerufen, diese für die ganze Welt vorbildlichen Bauten zu erhalten. Für manche ist es fast zu spät.

LOTHAR STRÄTER

Ausstellungen zum 400. Todestag von Andrea Palladio

Andrea Palladio: seine weltweite Wirkung. Vicenza, Basilica Palladiana. 31. Mai bis 9. November

Die Zeichnungen Palladios. Vicenza, Museo Ci-vico. 31. Mai bis 9. November

Architekturdarstellungen auf italienischen Majoliken des 16. Jahrhunderts. Bassano del Grappa. Pallazzo Sturm. 31. Mai bis 5. Oktober

Zeugnisse Venedigs, die im Hinblick auf Palladio wichtig sind. Venedig, Staatsarchiv, 28. Juni bis 28. September

Architektur und Utopie in Venedig im 16. Jahrhundert. Venedig, Dogen-Palast. 12. Juli bis9. November

Palladio und Verona. Verona, Palazzo della Gran Guardia. 12. Juli bis 9. November

Sakralkunst des 16. Jahrhunderts aus der Diözese Vicenza. Vicenza, Bischofspalast. 29. August bis 9. November

Restaurierung von Palladio-Bauten. Vicenza, Basilica Palladiana. 30. August bis 9. November

Palladio - Bibliographie und Ikonographie, Die Karthographie Vicenzas, Andrea Palladio als „Accademico Olimpico”. Alle Vicenza, Pallazzo Leoni Montanari, 30. August bis 9. November

Palladio-Brücken. Bassano del Grappa, Städtisches Museum. I. September bis 7. Dezember

Alvise Cornaro und seine Zeit. Padua (verschiedene Gebäude). 7. September bis 9. November

Palladios Projekt für den Konvent der Lateran-Kanoniker von 1561, Die Restaurierung zum Pal-ladio-Jahr: „Das Gastmahl im Hause Levi” von Paolo Veronese. Beide Ausstellungen in der Galerie der Akademie, Venedig, IS. September bis IS. November

Vicentiner Maler des 16. Jahrhunderts und Mitarbeiter Palladios. Vicenza, Santa Corona Tempel, 25. September bis 25. November

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