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Autobesitzer wählen anders

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Angehörige verschiedener sozialer Schichten wäh- len unterschiedlich. Diese ba- nale Feststellung hat jedoch große Bedeutung, wenn heute Meinungsforscher das Wahlver- halten untersuchen.

Die Geburtsstunde moderner Wahlprognosen schlug 1936 in den USA. Franklin Roosevelt kandidierte erneut um das Amt des Präsidenten. Die Zeitschrift „Literary Digest" verschickte unter großem finanziellen Auf- wand Wahlkarten an 13 Millio- nen Amerikaner. Der Verlag bekam drei Millionen Rückant-

worten, die eine satte Mehrheit für den Gegenkandidaten Lan- don versprachen.

Zur selben Zeit meldete sich ein Georg Gallup zu Wort, indem er behauptete, mit einer unver- gleichlich geringeren Zahl von Befragungen ein weitaus genau- eres Ergebnis als das Magazin, das immerhin seit Jahrzehnten mit seinen Prognosen Erfolg hat- te, zu erzielen.

3 6 Verlage brachten die Kosten für Gallups Untersuchung auf, er sagte eine eindeutige Mehrheit für Roosevelt voraus - und be- hielt recht.

Der Erfolg Gallups lag in einer heute selbstverständlichen Vor- aussetzung begründet, der Reprä- sentativität der Stichprobe. „Literary Digest" befragte zwar eine weitaus größere Anzahl von Amerikanern, hatte aber nicht beachtet, diese Stichprobe so zu strukturieren, daß sie ein genau- es Abbild der gesamten amerika- nischen Bevölkerung darstellte.

Der Verlag wählte die Adres-

sen aus Kundenverzeichnissen von Autoversicherungen, seiner Abonnentenkartei, Telefonver- zeichnissen und ähnlichem Material. Damit erreichte Lite- rary Digest über seine Aussen- dungen eine ganz bestimmte Gruppe von Wählern.

Menschen mit Auto und „Literary Digest"-Abo wählten dann auch mehrheitlich Lan- don, die Vertreter oberer Ein- kommensgruppen zeigten eine eindeutige Präferenz zugunsten seines konservativen Wirt- schaftsmodells. Die in der Aus- wahl unterrepräsentierten, so-

zial schwächeren Bevölkerungs- schichten entschieden sich jedoch für Roosevelts Sozialprogramm, seinen „New Deal".

Damit bewies Gallup ein- drucksvoll, wie wichtig die Er- füllung gewisser Voraussetzun- gen ist, will man, daß die Ergeb- nisse der Meinungsforschung ein wahrheitsgetreues Bild der Rea- lität vermitteln. Es ist unmög- lich, alle Wahlberechtigten zu befragen, darum müssen jene, die ausgewählt werden, ein genaues verkleinertes Abbild der Grun- deinheit darstellen. Wenn gewis- se Gesellschaftsschichten nicht oder zu wenig in der Untersu- chungsgruppe berücksichtigt werden, dann darf das Ergebnis nicht, auf diese Gruppen proje- ziert werden.

Nicht die Anzahl der befragten Personen entscheidet also über die Genauigkeit, sondern eine exakte und wissenschaftlichen Anforderungen entsprechende Auswahl der Befragten.

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