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Autotherapie gegen Berührungsängste

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Der gute alte Onkel Freud mit seiner Psychocouch ist out. Das Auto ist in, - und nicht nur zwecks schnellem vierrädrigem Ortswechsel, nein, auch oder besser in erster Linie zwecks Heilung der angeschlagenen Psyche. Ja, so vielseitig kann man es verwerten, das gute alte, aber dennoch immer neue Auto.

Der Patient leidet an Angstzuständen und weiß nicht, wie er sie los wird. Das Auto bietet sich als idealer Angstlöser an, speziell auf sogenannten Staurouten. Dort verbreiten sich auf Grund des beschaulichen Tempos innere Ruhe und Gemächlichkeit. Eingebettet in die unüberschaubare Gemeinde der Stauenden überkommt den Patienten eine Geborgenheit, die jedem Angstgefühl den Garaus macht. Also hin und hin die beste Therapie für Angsthasen und jene, die es noch werden könnten.

Oder ein Patient möchte endlich seine Aggressionen los werden. Na nichts wirkt da idealer als eine innerstädtische Stoßverkehrsautofahrt. Die Möglichkeiten der Aggressionsabfuhr sind dabei wohl unüberbietbar. Sie reichen vom allseits bekannten Autofahrergruß über verbale Beschimpfungskaskaden bis zu handfesten Handgreiflichkeiten bei der Verteidigung beziehungsweise Eroberung von Parkplätzen. Das Auto stellt da jeden Psychiater in den Schatten.

Vielleicht aber leidet jemand an Minderwertigkeitskomplexen, traut sich nichts zu, ist sozusagen ein Waserl. Da wirkt ein PS-starkes Nobelvehikel wahre Wunder. Hinein in den Schlitten, hinauf auf die Autobahn und drück auf die Tube. 100, 120,150,180... mit jedem Kilometer steigt das Selbstbewußtsein. Und wenn da noch dabei Hindernisse, sprich andere Autos, souverän links liegen gelassen, überlegen an die Seite gehupt oder geblinkt werden, dann steht der Eliminierung lästiger Minderwertigkeitskomplexe nichts mehr im Weg. Wieder ist es das Auto, dein Freund und Helfer am Weg zu einer gesunden Psyche.

Letztlich kann es passieren, daß ein Patient an Berührungsängsten oder Kontaktarmut leidet. So etwas kann nicht nur sehr lästig, sondern sogar deprimierend sein. Das ist schlimm, aber nicht so schlimm, daß nicht das Auto die Psychologencouch ersetzen könnte. Erste Annäherungsversuche lassen sich beim Einparken trainieren.. Sie meinen, solche Autothera-pien können ganz schön ins Geld gehen? Die Strafmandate, der Sprit, die Abnützung, die Reparaturkosten, vielleicht sogar die Spitalskosten.

Zugegeben, alles nicht gerade billig, aber im Vergleich zu den Honoraren der Psychiater, die sich oft jahrelang an einem Defekt Ihrer Seele gesundverdienen, ist die Autotherapie geradezu geschenkt.

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