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Babylon

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In einer Reihe von Büchern hat Christoph Meckel seinen apokalyptischen Großstadtpfuhl Babylon City mit einem Gewimmel an Gestalten bevölkert. Es sind Flaneure, Zuhälter und Nutten, Spieler und Killer, zwielichtige Unterweltexistenzen. „Sha-lamuns Papiere” bildet zusammen mit dem 1991 erschienenen Roman „Die Messingsstadt” ein „Corps de ballet” aus sieben Abschnitten. Es ist ein Totentanz, den Meckels Ensemble aufführt, denn vor Babaylon City gibt es kein Entrinnen, allenfalls kann man darin untertauchen.

Wer an Meckels Liebesgeschichte „Licht” denkt, der mag zunaächst irritiert sein angesichts der eiskalten Gefühlsabgründe, die sich hier auftun. Liebe scheint nicht mehr möglich in der strahlenverseuchten Metropole, in der jeder ums Überleben kämpft. Manche Passagen des Buches wirken etwas gespreizt in ihrer gewählten Forciertheit, weil sie Welthaltigkeit nur behaupten statt sie darzustellen. Immer wieder aber finden sich präzise, mit dem bösen Blick gemachte Beobachtungen, vor allem wenn Meckel die Szenerie konkret beschreibt. Dann gerät der Leser in den Sog dieser Prosa voller Schutt und Schrott und nur mit einem Hauch von Glück: „Die Skyline verdunkelt sich im Staub von den Stränden, ein verirrter Reiher fliegt mit schweren Flügeln, eine Montgolfiere treibt hoch im Wind, altväterlich, träge, und wirbt für Parteitage, Boxkämpfe, Zigaretten. Und am Anfang des Sommers, aber das ist selten, fliegt eine Wolke aus Blüten über die Stadt, aus den Gärten des Hinterlandes, hell, duftend, unfaßbar, und das ist das Glück.” Auch, wer da mitfliegen könnte! Doch aus dieser Totenstadt kommt keiner heraus.

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