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Ballast abwerfen!

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Die Mitteilung des Wiener Wohnungsstadtrates Rudolf Edlinger, daß nur mehr der unbestechliche Computer mit seinen Daten und Zahlen für die Vergabe einer Gemeindewohnung maßgeblich sei und nicht mehr die Intervention von Parteisekretären und -Sektionen, ist, wenn sie tatsächlich keine Hintertür für solche politische Einflußnahmen offenläßt, als eine sensationelle Kehrtwendung und als ein historischer Fortschritt zu werten. Denn die Möglichkeit, mit Hilfe der Partei schneller und sicherer zu einer Wohnung zu kommen, war lange Zeit ein wirksames Lock- und Druckmittel, um Mitglieder zu werben. Inzwischen dürften die Verantwortlichen eingesehen haben, daß sie sich durch eine solche Praxis mehr Probleme einhandeln als sie dadurch lösen. Man vergrämte durch die unsachliche Bevorzugung so und so viele Mitaspiranten und forderte deren Unmut heraus, mußte aber bei den zum Zug Gekommenen viele Fälle von „Undankbarkeit" erleben.

In Wirklichkeit hat man die Menschen durch dieses System nicht echt politisiert und zur Loyalität erzogen, sondern sie zu Opportunisten gemacht und zu Empfängern von Wohltaten degradiert. Freilich müßte, wenn diese Änderung nicht ein isolierter Fortschritt bleiben soll, der volle Verzicht der Parteien, auf die Aufnahme in den öffentlichen Dienst und andere Bereiche und die Beförderung in ihnen Einfluß zu nehmen, folgen und damit die wichtigsten Säulen des seit 1945 herrschenden Patronage- und Protektionssystems der Parteien zum Einsturz bringen. Dies erst wäre die vollständige Lösung der Parteien von usurpierten Domänen und die endgültige Entlassung der Staatsbürger in die politische Mündigkeit.

Allerdings müssen die Parteien dann auch der weiteren Folge gelassen ins Auge sehen, daß sich die künstlich hochgehaltenen Mitgliederzahlen auf das durch echte politische Motivation gedeckte und demokratiepolitisch zuträgliche Maß reduzieren werden.

Je früher und konsequenter die Parteien den Ballast arrogierter Aufgaben abschütteln und sich auf ihre legitimen Aufgaben beschränken, desto besser wird es für sie und die Demokratie sein.

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