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Beamtenleiden

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Ort des Geschehens: Bestimmt nicht in Österreich, und wenn schon, dann bestimmt in keinem Ministerium.

Zeit: Zwischen einem ungemütlichen Gestern und einem nicht gemütlicheren Morgen.

Der Herr Minister seufzt tief.

Der Herr Sektionschef räuspert sich diskret.

Der Herr Minister: „Also, lieber Sektionschef Pimplinger, das Pa-

pier, das Sie mir da unvorgreiflich zugemittelt haben... "

Der Herr Sektionschef: „Ja, Herr Minister, das ist ein Problem!"

Der Herr Minister: „Nein wirklich, lieber Pimplinger, was machen wir mit der Abteilung für Ehschonwissen?"

Der Herr Sektionschef: „Ihr Chef geht jedenfalls in Pension. Unwiderruflich."

Der Herr Minister: „Will er mich denn nicht händeringend um ein Gnadenjahr anflehen?"

Der Herr Sektionschef: „Nein, Herr Minister, er hat mich händeringend gebeten, seine Leiden abzukürzen."

Der Herr Minister: „Unverschämt!"

Der Herr Sektionschef: „Wem sagen Sie das, Herr Minister. Ich glaube, er geht aus Bosheit. Er hat gesagt, jetzt, wo ihm niemand mehr schaden kann, kann er es mir ja offen sagen, wie sehr er sich schon drauf freut, als Pensionist zu verfolgen, wie wir uns aus der Affäre ziehen. Bekanntlich herrscht in dieser Abteilung das sogenannte .Harmonische Patt' aus einer versunkenen Ära."

Der Herr Minister: „Ja, ich weiß. Ein roter Chef und ein schwarzer Stellvertreter. Verdammt noch einmal, ich brauche einen blauen Nachfolger für einen roten Abteilungsleiter!"

Der Herr Sektionschef: „ Leider ist der schwarze Stellvertreter um zehn Jahre jünger als der rote Abteilungsleiter und ein hervorragender Fachmann. Er ist ganz ein-

fach der logische Nachfolger. Ich sehe keinen Weg — an ihm vorbei!

Der Herr Minister: „Mein lieber Pimplinger, ich sehe das alles ein, aber es hilft nix, ich brauche einen blauen Nachfolger und keinen schwarzen!"

Der Herr Sektionschef: „Woher nehmen, und nicht stehlen?"

Der Herr Minister: „Pimplinger, Sie müssen mich verstehen. Diese Blauen drängen jetzt überall nach. Naja, ich sehe es ja ein. Nach der nächsten Wahl fallen sie wieder in die traurige Marktnische der Antipostenschacherpar-tei. Wir müssen ihnen jetzt ganz einfach noch ein paar Posten zuschanzen. Gibt es denn gar keinen Blauen in der Abteilung für Eh-

schonwissen?"

Der Herr Sektionschef: „Nur einen ganz kleinen, einen Rat, er ist erst seit ein paar Monaten dort und kennt die Abteilung noch kaum."

Der Herr Minister: „Wir haben Nibelungentreue geschworen. Er muß es werden!"

Der Herr Sektionschef: „Wie machen wir das? Dem schwarzen Ministerialrat können wir doch nicht den blauen Rat vor die Nase setzen."

Der Herr Minister: „Ich lasse ihn irgendwie hinauffallen. Aber ins Bodenlose!"

Der Herr Sektionschef: „Herr Minister, Sie sind genial! Der größte personalpolitische Taktiker, unter dem ich je gedient habe! Ich bewundere Sie! Ich sehe nur ein ganz kleines Problem."

Der Herr Minister: „Ja, was denn noch?"

Der Herr Sektionschef: „Wenn wir es so machen, gibt's in der ganzen Abteilung keinen mehr, der etwas von den Sachen versteht, um die es dort geht."

Der Herr Minister: „Stört Sie das?"

Der Herr Sektionschef: „No ja, ich weiß nicht recht ..."

Der Herr Minister: „Pimplinger, Sie haben noch immer nicht gelernt, die großen Linien zu sehen. Drum sind Sie ja auch nur Beamter und nicht Politiker. Schaun S\ Pimplinger — wenn der Abteilungsleiter nix versteht und auch keinen hat, der etwas vom Geschäft versteht, dann muß er doch immer das machen, was wir ihm sagen. Ist das nicht klaß?"

Der Herr Sektionschef: „Herr Minister, Sie sind ein Genie!"

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