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Benjamin in Moskau

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„Mit diesen Straßen ist eins sonderbar: das russische Dorf spielt in ihnen Versteck. Tritt man durch irgendeine der großen Torfahrten ..., dann steht man am Beginn einer geräumigen Siedlung. Diesen Einblick gestattet das erstmals erschienene und vorzüglich edierte Moskauer Tagebuch des deutschen Literaturkritikers und Übersetzers Walter Benjamin, der Ende 1926, Anfang 1927 in Moskau lebte.

Er war in der hoffnungsvollen Absicht nach Moskau gekommen, sich mehrfach binden zu können -an die Lettin Asja Lacis, die mit dem Regisseur Bernhard Reich liiert war, an den Moskauer Literaturbetrieb (Benjamin wollte als Korrespondent russischer Zeitungen über deutsche Literatur schreiben), und nicht zuletzt wollte er sich in Moskau letzte Klarheit über seinen Entschluß verschaffen, der KPD beizutreten. Doch Benjamin

scheiterte auf ganzer Linie, Moskau wurde für ihn zur „uneinnehmbaren Festung".

Der Wert dieses sehr persönlichen und dadurch einzigartigen Dokuments liegt darin, daß Benjamin keine Scheuklappen hatte. Er sprach kein Russisch, kannte die politischen Verhältnisse schlecht und verhielt sich politisch ungeschickt. Aber seine Beschreibungen der Moskauer Straßen, der russischen Mentalität, russischer Gesprächspartner verraten ungewöhnliche Beobachtungsgabe und Intuition. Wer zudem zwischen den Zeilen zu lesen versteht und die sowjetische Literaturpolitik nicht aus den Augen läßt, kann sich auf eine Entdeckungsreise gefaßt machen.

MOSKAUER TAGEBUCH. Von Walter Benjamin. Mit einem Vorwort von Gershom Scholem. Edition Suhrkamp, Neue Folge Band 20, 1980, 222 Seiten, öS 77.-

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