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Berninis „Unvollendete“

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(Barockmuseum Salzburg, bis 23. September). Die Salzburger Ausstellung zur 300. Wiederkehr des Todestages von Gianlorenzo Bernini (gest. 1680) mag verfrüht erscheinen, bringt aber noch rechtzeitig eine aufsehenerregende Entdeckung an die Öffentlichkeit. Sie bedeutet nicht weniger als die nachträgliche Ehrenrettung von Meister Gianlorenzos bedeutendstem und umstrittenstem Werk: seiner „Cathedra Pet-ri“, dem Reliquienaltar des Stuhles Petri am Chorabschluß von St. Peter in Rom.

Ein kunstgeschichtlich sensationeller Fund deckt nämlich auf, daß Bernini die Cathedra Petri gar nicht nach seinen ursprünglichen Vorstellungen zu vollenden vermochte. Als Corpus delicti dient ein Terra-Cotta-Relief, das vor rund einem Jahrzehnt durch den englischen Kunsthandel nach Salzburg kam. Der Leiter des Salzburger Barockmuseums, Kurt Rossacher, konnte dieses Relief in kriminalistischer Spürarbeit als Meister Gianlorenzos Entwurf zur Cathedra Petri identifizieren. Maßstabgetreu vergrößert, fügt sich das knapp halbme-tergroße Medaillon millimetergenau in die wellenförmigen Umrißlinien des wolkenumkränzten Lichtovals von St. Peter ein!

Demnach hätte an Stelle des Lichtfensters am Chorhaupt des Petersdomes eine teilweise lichtdurchbrochene Reliefdarstellung der „Verklärung Christi auf dem Berge Tabor“ prangen sollen - die Cathedra muß also fortan zu den großen Unvollendeten der Kunstgeschichte gezählt werden. Und jegliche Kritik am Ovalfenster im Zentrum des Reliquienaltars für den Stuhl Petri verfing sich an einem inzwischen 313

Jahre alt gewordenen Provisorium ...

Neben diesem Angelpunkt bringt die 75 Einzelobjekte umfassende Bernini-Schau (Leihgaben der Wiener Albertina, des Düsseldorfer Kunstmuseums und der Royal Library of Windsor) eine weitere Überraschung. Der figürlich reich gestaltete Entwurf für ein Weihwasserbecken mit der Himmelfahrt Mariens - ebenfalls im Besitz des Barockmuseums -ließ sich erst kurz vor der Ausstellung als nicht ausgeführtes Modell für die Chiesa della Assunta in Ariccia identifizieren.

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