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Bernstein solo

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Selbst wenn jemand nur Zeit hätte, die letzte Rede aus Leonard Bernsteins Buch zu lesen, das aus alten und neuen Gelegenheitsschriften und -reden zusammengestellt ist, sollte er das unbedingt tun. Hier spricht ein edel gesinnter Künstler, der sein Menschentum aus drei starken Wurzeln speist: er ist Jude, Musiker und Amerikaner.

Der Musiker mit dem hohen Intellekt und der umfassenden Bildung läßt wahrscheinlich gerade deshalb sein Herz sprechen. Er bekennt, keine Note komponieren zu wollen, wenn sein Herz als Dirigent gerade an einer Konzertsaison hängt, anderseits aber „nicht wegen einer IX. Beethoven“ auch nur einen eben im Kopfe auftauchenden Schlager ungeschrieben sein lassen zu wollen. Er bekennt sich zu den „altmodischen“ Künstlern. Und er wirft eine Frage auf, die er gar nicht beantwortet haben will: „Sind die zweifelhaften neuen Verworrenheiten in der Musik lebensnotwendig, oder stellen sie bloß gefällige Papiermusik dar?“

Der Jude findet schon als 17jähriger über die Verbindung seines Vaters mit dem Talmud Worte, die uns ans Herz greifen.

Der Amerikaner schließlich ruft die Jugend zu neuen Wunschträumen auf, zur „Hoffnung im Windschatten meiner Verzweiflung“, wie es in der Übersetzung von Peter Weiser so schön heißt, und diese Hoffnung muß auf die totale einseitige Abrüstung gerichtet sein. Sein leidenschaftliches Engagement dafür weist ihn durchaus nicht als „mondsüchtigen Künstler“ aus, sondern als wahren Realisten.

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