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Bitte wozu, Herr Rainer?

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Der Verlag der Westfalener Baustofffirma Ceresit hat das Heldenepos „Gilgamesch" neu herausgebracht. Mit 14 faksimilierten Farbtafeln von Arnulf Rainer. Der Makel dieser kunstmäze-natischen Heldentat ist nur, daß diese Erzählung des Alten Orients, die erst Ende des 19. Jahrhunderts aus der Keilschrift entziffert worden war, 1919 schon in der gleichen Aufmachung einmal da war. Format, Typographie und Text wurden unverändert beibehalten, nur die ursprünglichen Illustrationen des expressionistischen Malers Richard Janthur sind dahin. Schwarze Rainer-Knödel überdecken die Arbeiten des Malerkollegen. Der bibliophile Kunstband von einst sieht aus, als wäre er in einem Kinderzimmer vergessen worden und Schmutzfinke hätten seine Seiten überkritzelt, zerstört. Weshalb die FURCHE die Frage stellte: „Herr Professor Rainer, warum machen Sie denn das? Warum schaffen Sie keine aus Ihrer Auseinandersetzung mit dem Gilga-mesch-Epos herrührende Eigenillustration?"

Arnulf Rainer, der gewohnt ist, zu seinen rabenschwarzen ölknödeln umfassende graue Theorie zu servieren, ging darauf mit der Geduld eines gelangweilten Anatols ein:

FURCHE: Der Werbetext sagt, daß die konzentrierten, expressiven Farbkörper von Rainer mehr als die pathetischen, vordergründigen Radierungen von Janthur dem Charakter des Gilga-mesch-Epos entsprechen. Haben Ihnen die Zeichnungen Janthurs also nicht gefallen?

RAINER: Im Gegenteil. Ich überzeichne nur das, wozu ich Beziehung habe. Für mich ist die Uberzeichnung eine Art Kommunikation mit dem früheren Maler.

FURCHE: Glauben Sie, daß sich diese Erzählung nicht realistisch, sondern nur abstrakt illustrieren läßt? RAINER: Das will ich nicht sagen. Vielleicht ist die Klassik der fünfziger Jahre eine Sackgasse. Für mich ist sie die einzige Alternative.

FURCHE: Ihre Überzeichnungen unterscheiden sich nicht voneinander. Vor allem haben die schwarzen Flecken gemeinsam, daß sie nichts von den Jan-thur-lllustrationen übriglassen. Das heißt, daß selbst die Form Ihrer Überzeichnungen den Vorgaben eines anderen folgt.

RAINER: Das stimmt. Die Form meiner Zeichnungen ergibt sich aus der Janthur-Form. Die schwarzen Flecken sind Köpfe, entweder en face oder vom Profil. Alles sind Kopfformen. Schwarze Köpfe im Gegenlicht der Sonne, also im Schatten, weshalb sie nicht zu erkennen sind.

FURCHE: Haben Sie das Gilgamesch-Epos überhaupt gelesen? RAINER: Ja, und ich finde, daß dieses wuchtige Epos nur wuchtig illustriert werden kann. Gilgamesch ist ein Held, aber auch ein Gott. Wie kann man ihn konkret darstellen? Eigentlich nur schwarz. Unsichtbar - eine große Gestalt gegen das Licht.

FURCHE: Sie haben auch die Textseiten immer wieder mit Strichen übersät, die sich für den Beschauer als willkürliches Krixi Kraxi darstellen. RAINER: Sie meinen die Zwischenzeichnungen. Das sind dekographische Ornamente, zusätzliche Verzierungen und Muster.

FURCHE: Sie sagen auf der ersten Seite, daß Sie nicht nur überzeichnet, sondern auch „verschmutzt" haben. Gehören die Fingerabdrücke, Wischer und

Schmierflecken, die Sie im ganzen Buch hinterlassen haben, auch zu der von Ihnen gewollten Dekoration? RAINER: Diese Schmutzflecken sind kein gewöhnlicher Schmutz, das ist Malerschmutz, wie er beim Arbeiten aber auch beim Durchblättern eines Buches entsteht.

FURCHE: Herr Rainer, Sie wollen offenbar auf die spontane, kreatürliche Augenblickszeichnung hinaus. Sie kommen vom Aktionismus, sie befaßten sich mit Zeichnungen Geisteskranker und erregten zuletzt durch die Malversuche mit Affen großes Aufsehen. Ist Ihnen der Vergleich, daß Sie Arbeiten liefern, die auch ein zweijähriges Kind liefern könnte, deshalb recht? RAINER: Nein. Denn erstens bin ich kein Kind und zweitens entstehen meine Arbeiten unter Einbeziehung meines ganzen kunsthistorischen Wissens.

Das Gespräch führte Senta Ziegler.

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