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Borobudur muß gerettet werden!

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Wenn eine so wichtige, so reichhaltige, große Ausstellung wie die Borobu- dur-Schau im Wiener Künstlerhaus, die in Paris oder London Schlangen vor den Kassen sähe, in Wien fast als Geheimtip gehandelt wird, ist das erfreulich für die paar Feinspitze, die so ruhig Objekt nach Objekt betrachten können, ohne von den Massen eingekeilt zu werden, aber schlecht für die Sache. Schlecht für Wiens Ruf als Kulturstadt. Schlecht für den Mut jener, die das finanzielle Risiko tragen (hier vor allem das Wissenschaftsministerium). Und auch schlecht für unsere Chancen, erstrangige Ausstellungen überhaupt noch nach Wien zu bekommen.

„Borobudur - Kunst und Religion im alten Java, 8.-14. Jhdt.“ ist ein Ereignis. Die Ausstellung soll mithelfen, den gleichnamigen Tempel vor dem Verfall zu retten. Soll unter UNES- CO-Auspizien helfen, die Menschen aufzurütteln, in Europa Verständnis dafür zu wecken, daß übervölkerte Entwicklungsländer Kulturdenkmäler, die der ganzen Menschheit gehören, aus eigener Kraft nicht erhalten können. Bekanntlich konnte Abu Simbel nur durch einen UNESCO- Großeinsatz vor den Wassern des Assuan-Dammes gerettet werden. Borobudur ist kaum von geringerer Bedeutung, nur ist diese im europäischen Bewußtsein noch nicht so fest verankert.

Der vielstufige, quadratische Tempelberg in Mitteljava in der Nähe von Jogjakarta ist das Hauptwerk der südostasiatischen hinduistisch-buddhi- stischen Architektur, die gerade dort, wo sie ihre Initialzündung empfing, alsbald vom über die Meere heranbrausenden Islam verschüttet und zurückgedrängt werden sollte. Der Borobudur ist die früheste und reinste Ausprägung der Idee vom Tempelberg, und seine Ausstrahlungskraft reichte weit. So entstand die unvergleichliche Architektur der Khmer, entstanden die heute dank dem Fanatismus der kambodschanischen Kommunisten absolut imzugänglichen Bauten von Angkor, unter dem unmittelbaren Einfluß der javanischen hinduistisch-buddhistischen Architektur und des Borobudur.

Dem nun zum zweitenmal Verfall droht. 1814 wurde das 37 Meter hohe Bauwerk von 113 Meter Seitenlange, mit dem unerhört reichen Skulpturenschmuck auf seinen fünf quadratischen und drei runden Terrassen, entdeckt: Total vom Dschungel überwachsen, zum Teil eingestürzt. Die Bauten Von Angkor haben bekanntlich ein ähnliches Schicksal erlitten. Von 1907 bis 1911 wurde der Tempelberg restauriert. Aber unzulänglich. Heute ist der Borobudur von innen wie von außen angegriffen. Seine Fundamente halten dem Druck der Steinmassen nicht mehr stand, die unteren Terrassen müssen abgetragen und neu fundamentiert werden. Zugleich gilt es, den reichen, nach 1200 Jahren noch immer hervorragend erhaltenen, detailreichen Figurenschmuck zu sanieren und zu konservieren. 300.000 mit Figuren bedeckte Steinblöcke müssen entfernt, behandelt und wieder an ihren Platz gesetzt werden. Ein Mammut-Unternehmen, das nur international finanziert werden kann. Und - muß.

Die Ausstellung im Künstlerhaus enthält Objekte - Buddhastatuen, Reliefs, Kunsthandwerkliches -, wie man sie noch nie in Österreich sah und die Jäva, nach der RestaUriemfig des Borobudur, kaum noch einmal verlassen werden. Es ist die Begegnung mit einer Kultur und einer Kunst, die in Österreich spät und bis heute nicht in ihrer vollen Bedeutung zur Kenntnis genommen wurde. Die Ausstellung „Borobudur“ gibt uns da einen Nachhilfeunterricht, der durch die großartigen Färb- und Schwarzweißphotos des Künstlerhaus-Präsidenten Hans Mayr, der als Mitglied des Arbeitskomitees an der internationalen Vorbereitung dieser großen Wanderausstellung beteiligt war und in Java photographierte, wirkungsvoll unterstützt wird. Sehr schöne Kunstobjekte aus neuerer Zeit wurden vom Museum für Völkerkunde zur Verfügung gerstellt.

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