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Bruder Sonne, Schwester Mond

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Franz von Assisi äst wohl der bekannteste und liebenswerteste in der Schar der Heiligen der römisch-katholischen Kirche, jener die reine Liebe zu Gott predigende Jüngling, der mit den Vögeln, Fischen und Steinen redete und alles von Gott Erschaffene als seinen Bruder und seine Schwester bezeichnete: darum ist auch der Titel eines wunderschönen Films über die Jugendjahre jenes 1181 oder 1182 in Assisi geborenen Giovanni Francesco Ber-nardone, der nach der Rückkehr aus einem Krieg sein Hab und Gut verschenkte, sich von der reichen Familie lossagte und Liebe predigend im Land umherzog, „Bruder Sonne, Schwester Mond“ (Brother Sun, Sister Moon).

Der große italienische Bühnen-und Filmregisseur Franco Zeffirelli („Der Widerspenstigen Zähmung“ und „Romeo und Julia“) trug sich seit Ende der sechziger Jahre mit dem Gedanken, das Leben des Heiligen Franziskus — in dessen naiv-gläubigen Lehren er manche Parallelen zu den Bestrebungen der Hippiebewegumg, der „Blumenkinder“ mit ihrem „make love, not war“, zu sehen glaubte — als Ballade über die Freude des Lebens in Armut und Güte zu verfilmen; 1971 erschien der Film zunächst in Italien, im Vorjahr dann in einer etwas anders bearbeiteten und anders geschnittenen englischen Version (die jetzt mit deutschen Untertiteln bei uns läuft).

Zeffirelli ist ein Bildkünstler, ein Bildeisohöpfer von vollendetem Geschmack, von ästhetischem Raffinement Und meisterhafter Beherrschung der Filmsprache: und so ist jede Szene, jeder Bildkader (für sich) eine berauschend-faszinierende Komposition in Farbe, in Ausdruck und Stil; wenn Francesco durch blühende Mohnfelder schreitet, erreicht dies mitunter eine Grenze, an der man Angst bekommt — und dennoch wird sie nie überschritten, es ist die Farbenpracht des französischen Impressionismus ebenso wie die Größe und der Prunk der Renaissance, die Zeffirelli in seinem Film wiedererstehen läßt — und daneben noch eine solche Gläubigkeit und Schlichtheit erreicht, daß man gebannt einer Geschichte lauscht, die man zum erstenmal zu verstehen beginnt.

Und hier erweist sich Zeffirelli ebenfalls als Meister einer „bildenden Kunst“: wie Zeffirelli (hier nicht zum erstenmal) sich für seine von ihm gedachten Gestalten „Typen“ holt und sie so vollendet zu führen versteht, daß aus ihnen darstellerische Meisterleistungen entspringen, ist bewundernswert; was Zeffirelli aus seiner Neuentdeckung Graham Faulkner als den naivstrahlend-gläubig-unschuldigen Francesco herausholt, kann man kaum mit Worten ausdrücken, das muß man selbst gesehen haben. Und wenn zum Schluß doch noch ein Einwand kommt, dann ist es ein winziger Tropfen in einem Meer des Lobes: daß Alec Guiness als Papst Innozenz III. am Schluß des Films einen Starauftritt hat, wäre nicht notwendig gewesen!

Der Film läuft in englischer Originalfassung (mit dem Gesang von Donovan) mit deutschen Untertiteln; das ist zu begrüßen und dafür zu danken; daß es aber daneben keine deutschsynchronisierte Fassung gibt, ist im Interesse eines breitgestreuten Publikumsbesuches zu bedauern. So werden wohl leider nur bestimmte Gruppen den Film sehen, der für eine Allgemeinheit gedacht und wertvoll wäre. Unverständliche Verleiherpolitik ... oder Absicht?

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