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„Candida”

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Wer — vielleicht nach jüngst in Wien gemachten Erfahrungen — geglaubt hat, Shaw wäre nicht mehr spielbar, der wurde eines Besseren belehrt. Es kommt eben darauf an, welches Stück aus dem reichhaltigen Oeuvre des irischen Spötters man auswählt und wie man es besetzt. „Vienna’s English Theatre” ist da in doppelter Weise ein glänzender Griff gelungen.

Im Bühnenbild seiner Gattin In- geborg, einem Fin-de-siecle-living- room von geradezu wienerischer Ge mütlichkeit, inszenierte Peter Coe Shaws „Candida” so liebenswürdig direkt und aufrichtig, daß man an die Gattenliebe, um die es ja hauptsächlich geht, frohen Herzens glauben konnte. Nun hat ja Shaw selbst seiner Candida schon genügend Her*«- zenswärme mit auf den Weg gegeben und seine ironischen Glanzlichter ausschließlich in den sie umgebenden Charakteren aufblitzen lassen.

Diese Candida spielte Dawn Ad- dams, Star aus Film und TV, ganz ohne die Allüre eines solchen und ganz so, wie Shaw sie erdacht hat: als eine Frau, die nicht nur schön ist, sondern auch klug, die nicht nur über Witz und Temperament, sondern uch über Herzensbildung verfügt und ihren Haushalt ebenso perfekt zu führen versteht, wie ihren Mann, den sie liebt und dem sie treu bleibt, trotz seiner Schwächen und Unzulänglichkeiten. Vielleicht wäre der Figur ein Gran weniger Attraktivität und ein Gran mehr mütterliche Ausstrahlung zu wünschen gewesen, um sie ganz vollkommen zu machen. Damit soll der Leistung der Addams aber wirklich kein Abbruch geschehen.

Candidas Partner waren ihr durchaus ebenbürtig: Aubrey Woods als Reverend Morell, der über seinen ständigen Engagements als Prediger und Versammlungsredner seine Frau yernachlässigt, Peter Green als sein köstlicher Hilfspfarrer, Carmen Sau- toy als seine Sekretärin, das Kabinettstück einer (noch jugendlichen) „frustrierten” alten Jungfer, und Michael Logan als gutmütig polternden Schwiegerpapa Burgess. — Bei Marchbanks, dem Poeten aus gutem Hause (Anthony Talbot), erlaubte sich Coe den Kunstgriff, ihn als Hippie-Vorläufer darzustellen (die es schließlich zu allen Zeiten gegeben hat), und plötzlich merkt man, daß die Worte, die Shaw seinen jungen Nonkonformisten sagen läßt, sich auch im Munde eines Blumenkindes von heute gar nicht übel und gar nicht altmodisch ausnehmen’ würden.

„Vienna’s English Theatre”, das seinem neobarocken Juwel von Theatersaal nun auch ein gemütliches „Pub” angeschlossen hat, kann auf diesen fulminanten Saisonstart stolz sein.

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