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Das „blonde Gift"

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Der amerikanische Autor Peter Wy-den schrieb eine Biographie seiner einstigen Berliner Klassenkameradin Stella Goldschlag, die in Berlin während der Kriegsjahre zur gefürchteten Greiferin und Verräterin der jüdischen U-Boote an die Gestapo wurde. Stella war besonders hübsch, blond und blauäugig: ein Produkt jüdischer Assimilation, die sich ihrem Erbe völlig entfremdet hatte. Sie heiratete einen als Nazi bekannten Mann und trat zum Christentum über. Trotzdem wurde sie 1943 von der Gestapo gefoltert, erhielt dann das Angebot, für diese mit Rold Isaaksohn versteckte Juden aufzuspüren. Sie nahm an und erkaufte sich damit den Aufschub der Deportation ihrer Eltern und ein Leben fast wie eine NichtJüdin.

Wyden, hält zu ihrer Verteidigung fest, daß sie nicht wissen konnte, daß andere diese Angebot straffrei abgelehnt hatten. Das „blonde Gift", wie Stella genannt wurde, wurde nach dem Krieg zur Beihilfe zu Mord in mindestens 100 Fällen angeklagt und verbüßte zehn Jahre in einem sowjetischen Arbeitslager. In der BRD folgten zwei weitere Prozesse, bei denen sie alles leugnete. Heute lebt sie völlig zurückgezogen unter einem neuen Namen in einer ungenannt bleibenden deutschen Stadt. Ihre 1945 zur Welt gekommene Tochter wurde Zionistin und ging nach Israel. Die Schilderung ihrer Bewältigung der Taten ihrer Mutter ist ein wichtiges Kapitel.

Stella ist nicht nur die Biographie eines jüdischen Opfers, sondern auch eine Geschichte des deutschen Judentums in diesem Jahrhundert. Durch seinen sensiblen Umgang mit einem der heikelsten Kapitel der Shoah schuf der Autor eines der wichtigsten Dokumente über diese Zeit.

STELLA. Von Peter Wyden. Steidl Verlag, Göttingen 1993. 397 Seiten, öS 311,-.

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