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Das dritte Deutschland

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Friedrich Weigend-Abendroth führt uns in seinem neuen Buch in die Zeit des Zusammenbruches des alten Heiligen Römischen Reiches und der Umwertung aller Werte, die von Frankreich aus die deutschen Lande erfaßte. Am persönlichen Erleben des letzten der Paladine der alten Ordnung, dem Mainzer Kurfürsten und Kurerzkanzlers Carl von Dalberg (1744-1817), wird diese Zeitspanne von den frühen neunziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts bis zu dessen Tod in der Restaurationszeit nach dem Wiener Kongreß lebendig gemacht.

Der Autor wählt hiezu den faszinierenden Weg der Rekonstruktion 'von verschollenen Briefen Dalbergs an die ihm vertraute Schwägerin Schillers, Caroline von Wolzogen.

Das Buch gibt ein Bild der eng verflochtenen geistigen und politischen Strömungen Deutschlands zur Zeit um 1800. Im Mittelpunkt steht das „Dritte Deutschland" -der Rest des alten Reiches, unabhängig von den politischen Einflüssen Österreichs und Preußens.

Dalberg rettet für sich aus dem zerfallenden Reich seinen symbolischen „Kurstaat". 1806 wird der letzte Erzkanzler zum Primas des Rheinbundes, dieser Schöpfung von Napoleons Europapolitik. Dieser Schritt machte ihn in den Augen der Nachwelt zum „Reichsverräter", zum „Verderber des Reiches". War er das wirklich, dieser hochgebildete Illuminat, Freund Goethes, Schillers, Herders und Wielands, oder hatte er den Geist des wendigen Realpolitikers, der mit modernen politischen Mitteln Altes erhalten wollte?

Das historische Material schweigt und läßt ein kritisches Urteil über Carl Dalberg nicht zu. Friedrich Weigend-Abendroth ist es gelungen, das Streben dieses homo politicus im Geschichtsbild seiner Tage spannend nachzuvollziehen.

DER REICHSVERRÄTER AM RHEIN/ CARL VON DALBERG UND SEIN WI-DERSPRUCH. Von Friedrich Weigend-Abendroth, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1980,248 Seiten, öS 249,60.

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