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Das Ende einer Ära

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Eines Tages — es ist schon lange her — sagte jemand: Diese ewigen Spitzbogen werden auf die Dauer langweilig. Bald sagten es viele, denn das lag auf der Willenslinie der Zeit. Und bald wurde nicht mehr gotisch gebaut.

Eines Tages — es ist schon lange her — sagte jemand: Diese ewigen Schnörkel werden auf die Dauer langweilig. Bald sagten es viele, denn das lag auf der Willenslinie der Zeit. Und bald hatte der Rokoko-Stil aufgehört.

Eines Tages — es ist nicht mehr lange bis dahin — sagte jemand: Diese ewigen englischen Liedertexte und diese ewigen englischen Namen von Gruppen werden auf die Dauer langweilig. Haben sie in England und Amerika deutsche Texte und deutsche Namen? — Eben! — Wie kommen wir dazu? — Bald sagten es viele, denn es lag auf der Willenslinie der Zeit.

Und die Rundfunkanstalten stellten sich um, die Textautoren spuckten in die Hände und schrieben Texte in deutscher Sprache, die Gruppen dachten sich Namen in deutscher Sprache aus. Es war, als würde Mitteleuropa aus einem Traum erwachen. Die jungen Leute, die in der nächsten Ära aufwuchsen, konnten nicht glauben, was man ihnen erzählte, so wie etwa heute fromme Christen nicht glauben können, was sie von der Inquisition und von der Gegenreformation erfahren.

Die Niederlage der Deutschsprechenden im Zweiten Weltkrieg war erst durch diese Wende seelisch überwunden.

Die Willenslinie der Zeit war auf ihre Rechnung gekommen. Und allmählich entwickelten sich neue Formen, die dann den Menschen auf die Dauer langweilig wurden.

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