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Das Massaker geht weiter

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Psychiater beschäftigen sich nur mit Individuen. Kompetente Psychiater für die menschliche Gesellschaft gibt es (heute noch) nicht Aber es erscheint wahrscheinlich, daß Länder, in denen die Selbstzerfleischung zum Alltag geworden ist und in denen Ströme vergossenen Blutes nicht zu Ernüchterung, Abscheu und Friedensschluß, sondern immer neuen Gemetzeln führen, jenes Er-fahrung^rnaterial abgeben könnten; das es einer neuen Disziplin ermöglicht, sich zu konstituieren. Im gegenständlichen Fall: Einer Wissenschaft vom kollektiven Fehlverhalten. Sie erscheint uns langsam ebenso wichtig, wenn nicht noch wichtiger.

Wir sprechen von Irland und dem Libanon, in welch letzterem Land der Bürgerkrieg innerhalb von neun Monaten ein Mehrfaches des nordirischen Blutzolls gefordert hat Die Zahl der Toten in Beirut nähert sich 9000.

Aber die leider noch ausständige Erhellung kollektiven Fehlverhaltens wird nicht umhin können, sich auch mit der seelischen Verfassung einer ganzen Welt zu beschäftigen, die derlei nur kaum gerührt hinnimmt. Einst führten Unruhen im Libanon innerhalb von Stunden zur Landung amerikanischer Einheiten. Heute hat man nicht mehr den Eindruck, daß es irgendeine Kraft inner- und außerhalb des Libanon besonders eilig hat, Frieden zu stiften.

Liegt es nur am Mangel der notwendigen Autorität und (oder) Legitimität potentieller Einschreiter? Nur an der Angst vor möglichen schwerwiegenden internationalen Verwicklungen? Besteht etwa gar da und dort Interesse an der totalen Paralysierung aller politischen Kräfte in diesem Schlüsselland des Nahen Ostens? Und wenn ja, cui bono? Wer ist an diesem Massaker ad infinitum interessiert?

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