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Daß dir der Bissen im Hals…

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… steckenbleibt, ist ein recht unfreundlicher Wunsch; er ist es auf jeden Fall, weil man sich dabei leicht „verkutzt“, wie man in Wien sagt, und er ist es im besonderen Fall, weil es dabei schon im Altertum leicht um Leben und Tod ging. Die Justiz war früher — so behaupten die Juristen — viel primitiver als heute. Konnte sie also von sich aus einen Fall nicht klären, dann überließ sie ihn einfach den Göttern. Die mußten ja Bescheid wissen. Im alten Griechenland etwa bediente man sich bei Diebstahlsverdacht der „Käseprobe“. Der Priester stopfte dem Angeklagten ein übergroßes Stück harten Käse in den Mund. Verkutzte sich der Angeklagte beim Schlucken, nun, so galt er als schuldig und die Ungerechtigkeit nahm ihren Lauf. Dies hatte den großen Vorteil, daß man Justizirrtümer nicht auf „menschliches Versagen“ zurückführen mußte, sondern sie den Göttern in die Schuhe schieben konnte. Und gegen die Götter gab es keine Berufung.

Warum aber Käse? Warum, beim Zeus, Käse? Weil der Käse in einer sehr engen Beziehung zu den Göttern stand. Und das kam so: Der ursprüngliche Himmelsgott der alten Griechen war Uranos, der aber von seinem Sohn Kronos gestürzt wurde, welchem Vorbild seither Kronprinzen oft gehuldigt haben. Dieser Kronos vermählte sich mit der Göttin Rheia, die ihm Kinder gebar. Aber Kronos, der neue Himmelsbeherrscher erinnerte sich, wie er seinen Vater gestürzt und wollte um jeden Preis verhindern, daß ihn das gleiche Schicksal erreichte. So fraß der sympathische Herr — pardon, Gott — seine Kinder gleich nach der Geburt auf. Doch Rheia wäre keine Frau — pardon, Göttin — gewesen; hätte sie nicht ihren Gatten überlistet Als sie„äen Zeus geboren hatte, gab sie ihrem Eheliebsten einen Stein zu futtern und versteckte ihren Sohn auf der Insel Kreta, wo die Nymphe Amalthea ihn aufnahm und mit der Milch und dem Käse ihrer gleichnamigen Ziege nährte. Davon wurde Zeus so stark, daß er, erwachsen, seinerseits seinen Vater Kronos vom Himmelsthron verjagte. Damit wurde sozusagen der Käse zur heiligen Speise und geeignet als Beweismittel zur Erreichung eines Gottesurteils.

Das christliche Mittelalter, während dem Gottesurteile bis ins 14. Jahrhundert üblich waren, hätte gerne den heidnischen Käse mit dem christlichen Brot vertauscht, aber in den meisten Fällen blieb es doch beim Käse, wahrscheinlich, weil die Menschen lieber Käse aßen als bloß Brot.

Als bei Morgarten und Sempach die Schweizer Habsburgs weit überlegenes , ..Ritterheer vernichtend schlugen, hieß es, sie seien deshalb so stark und mutig, weil sie Käse ohne Brot äßen. Nun, daß Käse stärkt, ist unbestreitbar richtig, und wie Psychologen behaupten, der unterschwellige Grund dafür, daß etwa Käseomeletten so geschätzt sind, also die Kombination von Käse und Ei, aber dennoch dürfte diese Aussprengung mehr propagandistischen Zweck verfolgt haben. Irgend etwas muß ja schuld sein, wenn man Schlachten verliert, irgend etwas, nur man selber nicht. Tatsächlich hielten die Menschen, die auf österreichischem Boden lebten, schon in der Zeit zwischen 3800 und 1800 vor

Christus Rinder, Schafe und Ziegen als Haustiere, so daß man annehmen kann, daß die österreichische Käsekultur nicht jüngeren Datums ist als die schweizerische. Tatsache ist nur, daß der Schweizer mit dem Käse mehr, verbunden ist als der , Österreicher, das spiegelt sich etwa im Brauchtum wieder. So ist es, daß iil der Schweiz, wo das Brauchtum noch lebendig ist, bei Hochzeiten ein hundertjähriger Käse vorgesetzt wird, während bei uns das Brauchtum um den Käse ohne Bedeutung ist. Aber auch die realen Zahlen zeigen, wo der Schweizer mehr für seine Gesundheit und die Erhaltung seiner Spannkraft tut, als der Österreicher. Pro Kopf der Bevölkerung werden in der Schweiz pro Jahr etwa 8,5 kg Käse gegessen, bei uns um etwa 3 kig weniger. Den Weltrekord halten die Norweger mit etwa 9 kg. Dabei…

Ich begann diesen Artikel bei Ge richt, lassen Sie mich ihn mit einem Richter enden: Der Franzose Anthelme Briolat-Savarin (geboren 1755) war ein hoher französischer Richter und ein Schriftsteller, dessen Hauptwerk sich mit den Freuden der Tafel beschäftigte. In diesem können Sie den so wahren Satz lesen: „Eine Mahlzeit ohne Käse ist wie eine Schöne ohne Augen.“ — Es fehlt wirklich etwas; beinahe möchte ich sagen, das schönste.

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