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Demokratische Psychiatrie

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Die Dokumentationjiber die Trie- ster „demokratische Psychiatrie“, die geschlossene Anstalten für Geisteskranke ablehnt und durch kleine Wohngemeinschaften ersetzt, wirkte selbstverständlich und schlüssig. Wie da sogar dem schweren Mongo- loiden ein eigener, selbständiger Aufgabenbereich überlassen werden kann, wie laut klinischem Urteil unheilbar schizophrene mit ehemaligen Obdachlosen zu einer Lebensgemeinschaft zusammenwachsen können, in der sie einen sinnvollen Platz einnehmen, das schreit nach Nachahmung. Professor Basaglia, Initiator und Exponent dieses psychiatrischen Experiments, war zur „Prisma“-Diskussion eigens nach Wien gekommen und vertrat seine Ansichten mit telegener Überzeugungskraft. Vertreter traditioneller Wiener Anstaltspsychiatrie hatten gegen ihn keine Chance - zu offenkundig ist hierzulande die Entmündigung des Patienten, die auch Redegewaltige nicht wegdiskutieren können.

Schade, daß unter den Diskus- sionsteilnehmem nicht auch solche Österreicher waren, die selbst ähnliche Wege gehen wie Basaglia. Im Burgenland etwa hat Dr. Böbl ein Heim aufgebaut, wo ebenfalls Kranke, Behinderte, Außenseiter der Gesellschaft zur gegenseitigen Stütze werden.

So war es ein sonderbares Gefühl, aus dem Munde des deklarierten Kommunisten Basaglia wesentlich christliches Gedankengut zu vernehmen. Etwa in der Frage nach dem Sinn des Leidens. Oder die Absicht seines Teams, auf Machtpositionen zu verzichten und als Gleiche unter Gleichen mit den Geisteskranken zu verkehren. Eine Aussage, die sich mit der österlichen Fußwaschung trifft.

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