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... denn Gott liebt die Abwechslung

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Gerold Späths neues Buch spielt in Irland. Nostalgiker der grünen Insel dürfen beim Lesen von Galway und Con-nemara träumen. Im Mittelpunkt steht ein Mann namens Heinrich R, der auf die Sechzig zugeht, eine Herzattacke hinter sich hat und deshalb in Maidenford versucht, seine Pumpe zu schonen, derweil seine Frau um den Globus reist. Es könnte aber sein, daß Heinrich R seine Reise nur vom Schreibtisch aus unternimmt, weil es des Autors Gedankenspiel so will.

Wieder kommt die Literatur aus dem Schilf. Wir spüren den Wind, riechen den See, das Holz und das Land. Heiri und die Rewohner Maidenfords werden uns so vertraut, als seien sie Rarbars-wiler Emigrantenquerschädel, die das Weite im Grünen suchen.

Es ist eine Atmosphäre fröhlicher Melancholie, die über Heiris Schicksal schwebt. Er erträgt es in selbstironischer Gelassenheit, gerne bei einem Ehrlichkeitsgetränk wie Whiskey oder bei einem Rier, das „die Farbe von caput mortu-um" hat. In Maidenford gilt: „wie gefoppt, so geflunkert".

Gerold Späths Flunkereien zwi-

schen Vitalität und Letalität sind hier ebenso schlicht dem Leben abgeluchst wie auf den Tod schön. Die untrennbare Einheit von me-mento mori und carpe diem, dieses „barocke" Lebensgefühl verbindet die Geschichten des „Spiels" mit der Fabulierlust früherer Rücher, die jetzt aufs Elementare zurückgenommen wird. Diese Notizen sind nicht nur ein Irlandbuch, sondern auch Späths „Portrait of the artist as an old man". Das Leben, voller Schall und Rauch, erzählt von einem Faselhans, der seine Puppen zum Totentanz aufpfeift, der nichts bedeutet?

Heiri hat sich mutig ein Ticket gekauft, für „den größten aller Vögel", für „die weiteste Reise" dorthin, wo er „noch nie gewesen" ist: Dies ist wahrscheinlich der Aufbruch ins unentdeckte Land, von dem kein Reisender zurückkehrt; es ist ein Davonse-geln in melancholischer Fröhlichkeit. Hier ist das Schwerste überhaupt mit Erfolg getan: schlicht und einfach zu verschwinden.

DAS SPIEL DES SOMMERS NEUNUNDNEUNZIG

Vin Gerold Späth

Suhrkamp Verlag, Frankfurt 1993.

178 Seiten, öS 265,-

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