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Der Humanist

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Die hier gesammelten Kritiken Jean Amerys aus den Jahren 1966-78 unterscheiden sich von der sonoren Stimmlage, in der ansonst Großkritiker im Talar akademischer Wissenschaftlichkeit oder im demokratischen Schafspelz journalistischer Medienmacht unwiderrufliche Sprüche verkünden.

Nein, hier redet einer zu uns, der mit einer gefährlichen Erbkrankheit, dem „Morbus austria-cus“, wie er ihn im Thomas-Bernhard-Aufsatz nennt, behaftet ist und sich im KZ noch einige andere Menschheitsleiden zugezogen hat. Daher ist er untauglich dazu, den Saldo von Personen und Werken, wie die Auf sichtsrä-te des Literaturgeschäfts, zu berechnen. Sein Ich dient ihm nur als Sonde, als diffiziles, aber auch verletzliches Instrument, um unterschwellige Herde zu registrieren und dadurch zur Diagnose beizutragen.

Indem Amery immer vorbehaltlos aus sich herausgeht, liest er in die Texte nichts hinein.

Viel Widersprüchliches mag uns in dem „integralen Humanismus“ Amerys begegnen, denn Amery kaschiert nichts. Sein Bedürfnis, zu bewundern und zu verehren, verträgt sich nicht immer mit seiner Skepsis, weshalb der Leser bald und eindringlich fühlt, wie sehr der integrale Humanismus auch auf ihn und seine Mitarbeit angewiesen ist.

INTEGRALER HUMANISMUS. AUFSÄTZE UND KRITIKEN EINES LESERS 1966 - 1978. Von Jean Amery. Herausgegeben von Helmut Heißenbüttel. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 1985. 280 Seiten, Ln., öS 280,-.

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