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Der Jüngling ist entlarvt

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Die im Besitz der Antikensammlung des Wiener Kunsthi-störischen Museums befindliche „schönste antike Bronzestatue nördlich, der Alpen“, der sogenannte Jüngling vom Magdalens-berg, ist kein antikes Original. Sie ist ein neuzeitlicher Abguß. Zu diesem sensationellen Ergebnis führten naturwissenschaftlichtechnische Untersuchungen, die im Auftrag des Museums in österreichischen Laboratorien, aber auch in Florenz, London und Berlin durchgeführt wurden.

Gefunden worden war die 1,83 Meter große Statue eines „nak-kenden Manns-Bildes“ samt einem inzwischen verschollenen schildförmigen Gegenstand und einer Streitaxt 1502 von einem pflügenden Bauern auf dem Mag-dalensberg (früher Helenenberg) in Kärnten. 1519 gelangte sie als eines der Prunkstücke des Erzbi-schofs Matthäus Lang von Wellenburg, die sogar Albrecht Dürer bewundert und zu seinem „Adam“ inspiriert hatte, nach Salzburg. Im 17. Jahrhundert geriet sie in Vergessenheit.

Dafür machte ein in den königlichen Gärten von Aranjuez in Spanien aufgestellter angeblicher Abguß des Jünglings, den man als Gott Merkur interpretierte, von sich reden. Vor 1850 entfernte man ihn aus den Gärten. Seither fehlt jede Spur von ihm.

Aufgrund der jüngsten Analysen hält es der Leiter der Wiener Antikensammlung, Wolfgang Oberleitner, für wahrscheinlich, daß es sich bei dem „spanischen Jüngling“ um das Original handle, während die 1806 aus Salzburg in das k. k. Münz- und Antikenkabinett und 1891 in das Kunsthisto-rische Museum transportierte Statue ein Abguß sei, den man 1711 restauriert haben dürfte.

Als Indiz für eine solche Restaurierung fand man jetzt unter anderem im Inneren der Bronze eine Spielkarte: einen mit dem Namen Pierre Montelant, eines im späten 17. Jh. in Lyon arbeitenden Kartenmachers, signierten Pik Buben.

Daß der Jüngling der Antikensammlung restauriert und dabei die originale Inschrift zerstört worden sei, hatte 1893 schon Robert von Schneider behauptet, der im übrigen in dem Jüngling einen betenden Athleten sehen wollte, den zwei. Handelshäuser aus Aquileia für das Mars-Latobius-Heiligtum in der keltisch-römischen Siedlung auf dem Magdalensberg gestiftet hätten.

Die Beweisführung, daß der oft als „bedeutendster römerzeitliche Fund nördlich der Alpen“ titulierte Jüngling aus einer Wiener Werkstatt des 16. Jahrhunderts stamme, ist nach Oberleitner noch ausbaufähig. Er möchte in Zukunft hauptsächlich dem Schicksal des spanischen Jünglings nachgehen.

Dessenungeachtet bleibt der als Abguß entlarvte „Jüngling vom Magdalensberg“ weiterhin im Besitz der Antikensammlung. Er und seine mit den modernen Methoden der Technik ermittelte Geschichte bilden sogar einen Schwerpunkt der jetzt eröffneten Sonderausstellung „Guß und Form“ des Kunsthistorischen Museums. Im Vergleich mit 315 weiteren Bronzeobjekten aus der Antike soll auch der Laie erkennen können, was Oberleitner bewogen hat, die Guß- und Formtechnik der Statue in einem 1983 angelaufenen Forschungsprojekt unter die Lupe nehmen zu lassen: die Oberfläche des „Jünglings“ unterscheidet sich von zeitgleichen Objekten beträchtlich.

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