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Digital In Arbeit

Der Mediensteller

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Was die Computer aber auch alles können, heute schon! Die komponieren dir einen Donauwalzer im Diskettenumdrehen, daß es den Strauß-Schani nur so in seinem Ehrengrab beutelt. Die plot- ten „Die betenden Hände“ , daß sich der Dürer Albrecht heute noch ärgert, weil er alles von Hand machen mußte. Und demnächst machen sie sich auch ans Schreiben, die Computer.

Woher ich das so genau weiß? Ich habe mir da aus meinem Westentaschenrechner, Typ „Pro- gnos 2034“ , einen Bericht hartkopieren lassen, da steht drin, wie es 50 n. O. (50 Jahre nach Orwell, also im Jahr 2034, Anm. d. Red.) um die Schreiberei bestellt sein wird.

Sie haben die Wahl. Sie können fünfzig Jahre warten — oder Sie lesen das folgende.

Wir befinden uns in der integrierten Wohn- und Arbeitsstation meines Sohnes Gero II. Gero ist mein Lieblingssohn und dank meiner konservativen Erziehungsmethoden mir in (fast) allem nachgefolgt. Füglich ist er Mediensteller geworden, weil mit dem Schreiben allein beschäftigt sich schon lange keiner mehr.

Es ist Mittag, kurz nach Mittag, und Gero bastelt gerade in seinem Multimediamix-Heimstudio an einer Geruchs- und Kontaktshow zum Jahrestag der österreichischen Gesellschaft für Informationsökologie. Gero II. lebt mit seiner semistabilen Partnergruppe in der Grünen Zelle M 4 im Humanbiotop Badling — die Städte Baden und Mödling sind infolge des immensen Grünbedarfs der Bevölkerung und des emsigen Wirkens zahlreicher Biotekten längst zusammengewachsen.

Plötzlich beginnt der Orbit- Control-Knopf in Geros Ohr zu piepsen. Gleichermaßen automatisch wie gewünscht nimmt Gero Kurs auf das zentrale Kommunikationszentrum.

Er schlendert über einen sauerstoffspendenden Bioteppich, erreicht eine Ikonostase aus dreidimensionalen Farbbildschirmen, läßt sich in ein ergonomisch gestaltetes Sitzei fallen und denkt ans Einschalten.

Schon erscheint der freundlich und doch verschmitzt lächelnde

Herausgeber mehrerer multimedialer Kulturmagazine und fragt an, ob Gero denn nicht für das nächste Programm einen seiner berüchtigten, witzigen Beiträge leisten könne. Gero, noch ganz in Gedanken, versäumt den letzten möglichen Zeitpunkt einer schicklichen Ablehnung.

Sofort schaltet der nunmehr zufrieden lächelnde Herausgeber seine Redaktionskollegen in Mistelbrunn, Wimponitz und Meisterten elektronisch zu und erwirkt einen Schriftlieferungsbescheid, gleich mit Angabe des Lieferdatums, freilich ohne verbindliche Zusage eines angemessenen Honorars.

Rechtzeitig vor dem Ablieferungstermin düdeldüdelts im Kommunikationszentrum. Gero nimmt im Sitzei Arbeitsplatz und aktiviert die neueste Version der „Programme zur Entwicklung Neuer und Intelligenter Literaturprodukte“ — kurz „Pencil“ . „Pencil“ , dem Titel und Länge, Medium und Publikum des Beitrags eingegeben worden waren, präsentiert unserem Mediensteller Texte, Bilder, Töne, Gerüche, Empfindungen, Eindrücke.

Gero bedient seinen Joystick,

daß es ihm nur so eine Freude ist: er kombiniert und kürzt, vereinigt und verändert und fügt sogar — weil ihm trotz aller angebotenen Kreativität eine kam - eine eigene, freilich bloß bescheidene Idee ein. Fertig ist sein Beitrag.

Nun wählt er noch den Präsentationsmodus: „LD“ — was, wie man wissen sollte, „life at distance“ heißt —, und schaltet sich flugs und wie gewünscht in die monatliche Kulturmatinee „Morgengrauen“ des niederösterreichischen Landesmedienzentrums ein.

Der Herausgeber, dem Gero II. und das Publikum das neueste Meisterwerk zu verdanken haben, moderiert das Programm selbst, allerdings nicht aus der Zentrale auf dem Anninger. Auch er ist bloß zugeschaltet und befindet sich körperlich in einem restaurierten Fichtenwaldstück über dem Manhartsberg.

Das Publikum geht bei der Moderation wie üblich begeistert mit und findet dann auch Geros Beitrag akzeptabel: die Rückkanäle glühen vor Zustimmung.

Mein Sohn kann mit weiteren Aufträgen rechnen. Dabei hat sich der Lümmel gar nicht sonderlich angestrengt — aber das richtige Computerprogramm hat er gehabt, das heißt, wird er gehabt haben.

Gehen wir armen Schreiberlinge nicht schönen neuen Zeiten entgegen?

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