Ich hatte wieder einmal beruflich in Österreich zu tun. Genauer gesagt, in dem Teil des Heiligen Landes Tirol, der zur Republik Osterreich gehört. Die Stubaier-Alpen im Herbst, das ist die richtige Adresse zur richtigen Jahreszeit: Die Ferien sind endgültig zu Ende, der Luftdruck ist hoch.Dennoch wollte in mir die rechte Freude nicht aufkommen. Das lag weniger daran, daß ich meine Reise dienstlich antreten mußte, was mir in den nördlichen Breiten sowieso keiner so recht abnahm. Es hing vielmehr damit zusammen, daß mich kein anderer Weg zur rechten Zeit nach Fulpmes führte, als der
Jetzt haben wir sie endlich: die Nonne als Serienheldin im Fa- milienleben. Die neue Mutter der deutschen Nation, legitime Nach- folgerin von Inge Meysel, die sich aufs großmütterliche Altenteil zu- rückziehen durfte, hat den Schleier genommen. Natürlich nur auf der Mattscheibe. Dort sorgt sie nun nach allen Regeln des deut- schen Massengeschmacks für das, was Mann und Frau bewegt - oder bewegen sollte. Wenn schon zu sonst nichts, dann zum Einschalten des Programmes. Und zwar mindestens so lange, bis die Telefahnder die Einschaltquote festgestellt und festgehalten haben.Thekla Carola Wied
Sie stehen vor einem runden Geburtstag, Ihre Firma ist aus der letzten Konkurs welle überraschend und unbeschadet wieder aufge- taucht, irgendwas in Ihrer Umge- bung wird hundert Jahre alt und Sie werden dafür verantwortlich gemacht. Es steht Ihnen also eine Feier ins Haus. Sie wissen aller- dings nicht, was Sie unternehmen sollen, damit diese schöner, größer, bedeutender wird als die Ihres be- sten Geschäftsfeindes oder Ihrer intimsten Widersacherin.Trifft wenigstens irgendwas aus dieser Liste auf Sie zu, dann sind Sie richtig bei uns, dem Partizipa- tiven Prominenz-Service. Wir sind,
Fritz Berger, Oberberater im Kommunikationszentrum für Qua- lifikationsvermittlung, früher schlicht Arbeitsamt genannt, war müde. Kein Wunder bei diesem Andrang. „Der Nächste, bitte!" preßte er durch schmale Lippen, die lieber breit gegähnt hätten. Ein Nächster trat vor und präsentierte mit handschuhbekleideter Schmal- hand seine Visitenkarte: „Guten Tag, Herr Amtsrat." Amtsrat Ber- ger bekam wie stets in solchen Gelegenheiten den Kopf nicht hoch: „Sind Sie die Nummer 2001 aus 3 in 90?" - „Nein, bitte um Entschuldi- gung, ich bin Dr. Franz Georg Stei- ner, wie es auch auf
Womit kann sich der Mensch heute noch von anderen un- terscheiden, positiv natürlich, „abheben" gar? Früher war das leicht, weil früher war ja alles leich- ter. Da gab es reichlich Möglichkei- ten: die Kleidung zum Beispiel, die Handwaffen, die Fortbewegungs- mittel, ja sogar die Weise der eige- nen Bewegung.An der Höhe des Hutes und an der Buntheit des Brusttuches konnte man genau sehen, wer da vor einem stand oder ging. Wurde einem je- mand in der Sänfte entgegengetra- gen oder kam er hoch zu Roß anga- loppiert, dann wußte man genau, wie tief der Begrüßungsbückling zu sein
Große Aufregung in der großen Pause! Im virtuellen Pausen- hof der Very-high-integrated-Com- puterschule kochte es. Der Krieg der Chips schien nicht mehr aufzu- halten.Auf der einen Seite hatten sich die wütenden Personal Computer versammelt. Sie steckten die Bild- schirme zusammen, klapperten mit ihren Tastaturen und versuchten verzweifelt, sich zu vernetzen, um für den großen Kampf gerüstet zu sein. Sie waren aber auch zu schlimm beleidigt, ja gedemütigt worden. Das wollten, nein, das konnten sie nicht auf sich sitzen lassen!Die Verursacher der Empörung flanierten lässig, ja cool
Nie mehr wieder werde ich einem Menschen helfen. Niemals wieder werde ich mich durch meine Erziehung zu unüberlegter Hilfsbereitschaft verführen lassen. Sollen die Mühseligen und die Beladenen doch sehen, wie sie mit ihrer Mühe selig und ihre Last los werden. Mir reicht mein eigenes Mißgeschick, das ich mir täglich selbst verursache.Wie aus mir - Sie kennen mich ja sicherlich als eines der hellsten Lichter im vorweihnachtlichen Dunkel! - ein selbstsüchtiger Riese wurde? Lesen Sie selbst!Tante Luise, die Erbträchtige, hatte ihren obligaten Weihnachtsurlaub bei uns verbracht und
Ida befand mich für zu dick. Na - türlich konnte das gar nicht sein, aber so angestrengt ich auch an meinem schlanken, durchtrainier- ten, ja geradezu sehnigen Luxus- körper heruntersah, ich konnte mei- ne Füße nicht sehen. Es sei denn, daß ich mich in eine bedrohliche Vorlage brachte.Kurzum, Training tat not. Was anderes als Radfahren kam nicht in Frage, also mußte ein Rädel her. Mein velopedales Sportgerät aus frühen Jugendtagen hatte nach Jah- ren des vereinsamten Dahinrostens im feuchten Keller schließlich den unverdienten Weg auf den Sperr- müll gehen müssen. Vielleicht be-
Noch unlängst war ich ein recht unbekannter und daher auch bloß recht mäßig honorierter Nebenerwerbs-Satiriker. Heute freilich - na, ja, Sie kennen mich ja.Alles änderte sich mit und durch Tante Idas Testament. Sie, die Segensreiche, bedachte mich, den Mittelarmen, mit einer respektablen Summe, und segnete, rundum rechtzeitig, das Zeitliche. Dankbar, kurz und gut erwies ich Tante Ida die erforderliche Ehre. Dann betrachtete ich das hinterlassene Bare sowie mein bisheriges Tun, meinen spärlichen Erfolg und den schandbaren der Konkurrenz.Ich verordnete mir eine ganze Woche massenmedialer
Urlaub soll, einem unausrottbaren Vorurteil unserer ehemals arbeitsamen Gesellschaft nach, die schönste Zeit im Jahr sein. Natürlich sagt so etwas nicht der Volksmund, der weiß es besser.Die Qual der Wahl war in diesem Jahr fürchterlich: Die Bahamas schieden aus, dahin wollten die unerträglichen Nowaks von gegenüber, die uns durch ihre unerbittliche Vorliebe für Knoblauch und Starkbier schon Dutzende Ferien vermiest hatten. Mein Gegenvorschlag, es diesmal mit dem gleichermaßen gemütlichen wie preiswerten Böheimkirchen zu versuchen, scheiterte am energischen Widerstand von Tochter
Wenn der Mensch schon einmal etwas selbst erlebt, dann hat er das - 60 viel Zeit muß sein! - zu dokumentieren. Klar, aber wie? Urkunden über die häufige Anwesenheit in sehr fernen Ländern, Dokumente über die mehrmalige Überschreitung von Wendekreisen sind gut, aber sie könnten gefälscht sein.Was richtig zählt, ist nur der fotografische Beleg, und zwar der selbst angefertigte, den man ja sofort erkennt, wenn man ihn betrachtet. Tante Erna kerzengerade vor dem Schiefen Turm, Onkel Otto in Schräglage, Großeltern auf Kämelen, Enkelkinder unter denselben, das sind Motive, die einnochso
Kann es sein, daß die Leute knapp werden? Also, wer an den langen Wochenenden die sehenswürdigen Plätze der Innenstädte und die Verkaufsautobahnen an den Stadträndern durchstreift, der ist überzeugt, daß nicht- Und wer der Statistik glaubt, schon gar nicht: Egal, wie schrecklich grimmige Kritiker diese Welt finden, die Menschen werden immer mehr.Offensichtlich nicht die „Guten“. Die „Exzellenten“ sowieso nicht, aber auch die schlicht „Geeigneten“ sind, jammern die modernen Kopfjäger im begräbnisschwarzen Nadelstreif, Mangelware.Während sich, wie uns die Medien künden,
Ein Pappkamerad ist ein nützlicher Zeitgenosse. Er ist preiswert in der Anschaffxmg und billig im Betrieb, genügsam, was Zuwendung betrifft, vmd bescheiden, was Entlohnimg angeht. Man kann ihn ohne Komplikationen nutzen, er ist stets gebrauchsfertig und bedarf auch kaum der Wartung. Er ist also just so, wie sich Ehepartner ihre Ehepartner, Eltern ihre Kinder undKinder ihre Eltern, Politiker ihr Volk und Bürger ihre Herrschaft wünschen.Dennoch hat es ein Pappkamerad nicht leicht: Er wird beschossen und beworfen, beschimpft undbeleidigt, und wenn es ganz schlimm kommt, wird er sogar - wie
Ich saß trübsinnig im Kaffeehaus. Niemand wollte meine literarischen Kunstwerke lesen, geschweige denn verlegen, und auch die perfekteste Schale Gold verliert ihren belebenden Duft, wenn sie mehr als eine halbe Stunde ungetrunken auf dem Serviertablett steht.Zu allem Unglück betrat Reiner H., mäßig geschätzter Schulfreund und allseits gefürchteter Gymnasialprofessor, auf der steten Suche nach gesprächstherapiebedürftigen Opfern, das Lokal. Ich entging ihm nicht - wie sollte es an diesem Tage auch anders kommen. Mein notorischer Überfluß an Geldmangel hat-* te meine Abwehrkräfte
An Spott und Hohn ist in diesenTagen in Wien kein Mangel. Keine ausgediente Remise, kein unbekanntes Extrazimmer, kein verödeter Pfarrsaal, ja kaum ein aus der Mode gekommenes Kino, in dem sich nicht allabendlich neue und immer jüngere Kabarettisten versuchen.Kenner der jeweiligen Szene berichten, daß die Zahl der Wiener Kabaretts bereits die der medial propagierten In-Beisln zu überschreiten droht, wobei jene Angabe freilich mit Vorsicht zu genießen ist, sind doch nicht viele der Neo-Beisln schon wieder out, bevor sie jemals in gewesen waren, das heißt, bevor eine größere Zahl von
Letzten Freitag lief ich auf Ilse Donner auf, unweit des Stephansplatzes. Ich war noch gar nicht sicher, ob sie es wirklich war, da standen wir auch schon zwischen zweihundert anderen, vorwiegend teuer gekleideten und lässig witzelnden Menschen an Stehtischen in einem ebenerdigen Gewölbe, das auch ein nachsichtiger Gewerbeordner allerhöch- stens für dreißig Halbwüchsige konzessioniert hätte.Ich hatte Ilse zuletzt live und aus der Nähe in der gemeinsam besuchten Schule gesehen. Sie saß, wenn sie saß, drei Reihen hinter mir und war unentwegt bewegt. Schon in der zweiten Klasse
Wenn Sie zu den vernünftigen Zeitgenossen gehören, die sich im Spiegel grundsätzlich nur von vorne betrachten, dann sind Ihnen sicherlich die körperlichen Folgen der festtäglichen Sünden der letzten Zeit verborgen geblieben. Kaum ein Mensch wird in kurzer Zeit en face dick.Im Profil sieht das natürlich ganz anders aus, da bleibt keine überflüssige Kalorie verborgen, ganz im Gegenteil. Uber eher kurz als lang fließt es an allen Enden über, und die sportlichen Kanten des jugendlichen Körpers präsentieren sich im Spiegel so rund, wie sie eben geworden sind.Wenn Sie also wissen
Haben Sie alles gut überstanden?Wie war es in den zwei Weihnächten mit Ihren Kalorienattak-ken und Fettbomben, Zuckerbombardements und Kaffeespringfluten? Konnten Sie sich zwischen den Jahren in einen brennheißen Schwitzkasten flüchten, in eine feuchtwarme Tennishalle verkriechen, in einem von alpinverkleideten Touristenmassen besetzten Nicht-In-Beisl Zuflucht finden?Haben Sie die Fledermaus, alternativ die Neunte mit dem Freude-schöner-Götterfunken durchsessen, die Raketen rechtzeitig vom Balkon gestartet und den Fernseh-Silvester-Rausch trotz des Neujahrskonzertes noch vor der Ankunft
Kennen Sie Ernst M.? Er ist einer der letzten Aufrechten. Er widersteht allen Versuchungen der neuen Zeit. Alles Technische ist ihm ein Greuel, er ist nur glücklich, wenn er Menschliches fühlt. Dennoch ist Ernst M. kein Gefühlsdusel. Er denkt scharf und liebt das Platonische. Deshalb ist er auch, trotz merkbar vorgerückten Alters, immer noch alleinstehend.Sein Haushalt ist von der peinlichsten Ordnung, sein Wochenplan von klarster Ubersicht. Nur an Sonntagen und — es sei zugegeben — an besonderen Feiertagen läßt sich Ernst M., der Jungfrau-Geborene, ein wenig treiben.Dann schaltet
Man will es ja allen recht und man will auch immer alles richtig machen. So ist man eben, als informierter und kommunikativer, leistungswilliger und gesellschaftsbewußter, kurz: als Zeitgeist-Mensch. Genau, man ist eben kein Un-Mensch, kein Hinterwäldler, kein Bieder-Meier, basta! Man will die Trends zur Kenntnis nehmen, sie überdenken, untersuchen und - gegebenenfalls — sich nach ihnen richten. Man will auf der Höhe und in der Mitte sein, man will Tempo machen! Und was macht man? „Man“ macht alles falsch!Das Wörtchen „man“ bringt's an den Tag. Man hat nämlich rein gar nichts
Ich kann mich genau erinnern, daß früher der Advent eine recht feuchte Jahreszeit war. Da war es nämlich keineswegs unüblich, in ungeduldiger Erwartung des Christkindes und der damit verbundenen wohltätigen Begleitumstände in Tränen auszubrechen.Vor allem in unseren Schulen war man um Rührung bemüht. Da wurde Herzergreifendes erzählt oder vorgelesen, da besuchte man Theatervorstellungen fürs Gemüt oder übte auch selber solche ein: mit Engeln und Samaritern, mit Bösewichtern, die sich bekehren, und Wohltätern, die sich durch keine Schlechtigkeit dieser Welt beirren ließen.Man
Eigentlich kann ich es mir in meiner gegenwärtigen Situation ja gar nicht leisten, für DIE FURCHE zu schreiben. Aber dies hier muß sein, aus Dankbarkeit. Weil ja ein FURCHE-Beitrag vor zwei Jahren ' am Anfang meiner höchstpersönlichen Konjunktur stand: jener über die sorgsam plazierten Produkte in den aus Amerika importierten Fernsehproduktionen.In „Denver“ waren und sind sie selbstverständlich, und aus der„Schwarzwaldklinik“ sind sie in der Zwischenzeit auch nicht mehr wegzudenken: die Nobelkarossen mit den untrüglichen Erkennungszeichen, die Edelbeklei-dungsstücke mit den
Ihrer Rede fehlt Ias gewisse Etwas, der gebildete Hautgout, der wissenschaftliche Touch? Schaffen Sie sich einen Wortschieber an, und Ihr Problem ist gelöst. Mit einem Wortschieber verfügen Sie über ein einmaliges Fremdwort-Repertoire, so einmalig, daß es niemand sogleich verstehen kann.Es ist zudem auch absolut sicher. Sie können die Produkte Ihres Wortschiebers ruhig falsch verwenden, denn Sie erfinden diese nach Bedarf und nur zum sofortigen Verbrauch.Die Bedienung des Wortschiebers ist einfach—wie sein Aufbau. Er ist nahezu wartungsfrei. Es gibt verschiedene Ausführungen: aus
Wir lernen bekanntlich in der Schule, aber nicht für sie. Zumindest stand's so über meinem Schultor. Es stand dort natürlich in Latein, und so steht es auch heute noch dort. Weil's aber nicht in BASIC geschrieben steht, verstehen es heute immer weniger und weniger.Trotzdem: Die Schulen gehen mit der Zeit — manche gleich und die anderen mit der Zeit. Kein Lehrkörper verschließt sich den jeweiligen Trends, ganz und gar nicht der permanenten Schulreform. Dennoch hinkt die Schule immer hinter dem wirklichen Leben hinterher. Und das kommt so: Nehmen wir an, überall in unserem Lande gäbe es
Was die Computer aber auch alles können, heute schon! Die komponieren dir einen Donauwalzer im Diskettenumdrehen, daß es den Strauß-Schani nur so in seinem Ehrengrab beutelt. Die plot- ten „Die betenden Hände“ , daß sich der Dürer Albrecht heute noch ärgert, weil er alles von Hand machen mußte. Und demnächst machen sie sich auch ans Schreiben, die Computer.Woher ich das so genau weiß? Ich habe mir da aus meinem Westentaschenrechner, Typ „Pro- gnos 2034“ , einen Bericht hartkopieren lassen, da steht drin, wie es 50 n. O. (50 Jahre nach Orwell, also im Jahr 2034, Anm. d. Red.)
Das Programm mit den Nachrichten für den Autofahrer unterwegs brachte, wie zur Frühnachmittagszeit üblich, einschmeichelnde Melodien. Da endlich!„Düdelüdelü! Hier spricht der Verkehrsfunk, die Servicewelle für den Autofahrer. Und weiter geht es mit der großräumigen Verkehrsübersicht: Infolge hohen Verkehrsaufkommens in der Nordregion hohes Verkehrsaufkommen in der Nordregion; aufgrund erheblicher Regenfälle im Süden unseres Sendegebietes besteht für alle Autofahrer und Autofahrerinnen die Gefahr von Straßenglätte infolge Fahrbghn- nässe; heftiger Durchzug auf allen
Mit Schule kenne ich mich aus, da bin ich über ein Jahrzehnt hingegangen. Uber Schulbesuch weiß ich Bescheid. Oder doch nicht?Also, es gibt regelmäßigen Schulbesuch, das war bei mir in der Volksschule die Regel, und es gibt unregelmäßigen Schulbesuch, der kam bei mir in der Oberstufe recht häufig vor. Dann gibt es pflichtgemäßen Schulbesuch, der zog sich bei mir etliche Jahre hin, und freiwilligen Schulbesuch, der war bei mir auf die Fahrschule beschränkt.Dann gibt es lustbetonten Schulbesuch, das war in unserer Bubenschule der gelegentliche Besuch im benachbarten Mädchengymnasium,
Fast fünfhundert Jahre wäre es keinem deutschen Kaiser eingefallen, anders zu sprechen als in seinem Idiom, das offenbar ausschließlich zwischen Ober Sankt Veit und dem Belvedere gedeiht.Kein Thronfolger und keine Erzherzogin hätten teure und peinvolle Stunden bei einem bekannten Rhetor genommen, um in einem langweiligen niedersächsischen Dialekt parlieren zu können — immer auf einem Ton.Und heute? Da kämpfen sich hochbegabte Jungmimen aus Wien jahrelang durch kindische Sprechübungen, nur um ein Ei wie „ai“ aussprechen zu können und ein K wie „kch“. Damit ja alles so klingt,
Ich höre immer öfter vom „Gau“. Die, die über ihn schreiben, schreiben ihn in Versalien, also in Großbuchstaben. Für mich gehört der geschriebene wie der gesprochene GAU zum ganz alltäglichen Ungemach, er bereitet mir großes allgemeines Unbehagen.Ich weiß nämlich weder, was ein GAU ist, noch, was GAU bedeutet Es hat mir bis heute keiner erklärt.Gau, ja dieses Wort kenne ich — gerade noch: vom Tennengau bis zum Strudengau, ja bis in die Wachau gaut es. Zwischen Melk und Krems ist allerdings das „g“ verschwunden, und aus dem männlichen Wachgau wurde die weibliche Wachau.
Die Post stellte mir einen großformatigen Umschlag ins Haus. Der maschinell applizierte Poststempel ließ auf einen professionellen Absender schließen. Das machte mich skeptisch.Die routinemäßige Vorsicht erwies sich als überflüssig. Das Innere des Postwurfes barg eine ansehnliche Zeitschrift eines weltbekannten Unternehmens und einen Brief.Derselbe war korrekt adressiert, persönlich gehalten und von geradezu überraschender Rechtschreibung. Kein scharfes J3“ war vergessen, kein Beistrich fehlte. Meine Stimmung stieg.Man teilte mir mit, daß man, „Zustimmung vorausgesetzt“, mir
Der Sommer war heiß und der Redakteur im Urlaub. Also blieb die Verantwortung auf den schmalen Schultern von Toni, dem talentierten Volontär, liegen. Der Chef hatte ihn noch vom Flughafen aus angerufen. Toni hatte in der Aufregung nur so etwas verstanden wie: „Einen Aufmacher für die Ausgabe zum Schulbeginn werden Sie doch wohl noch schaffen!“Dann war der Chef Richtung Süden in der Luft.Ein Aufmacher zum Beginn der Schule, das war, so frohlockte Toni, eine leichte Übung. Das würde ihm Ruhm und Lob einbringen und gute Chancen für eine Weiterbeschäftigung. Vielleicht sogar einen
Wovon klingt's in erfolgreichen Pop-Songs? Was singen die Liedermacher der Nation? Und was die Kollegen aus anderen Landen, in denen man neuerdings, mutig und immer weniger verständlich, im lokalen Idiom textet?In diesen Wochen hören auch die Österreicher in ih-* rem Radio, was ich schon früher auf einer Reise durch bundesdeutsche Ballungszentren vernahm.Als ich auf der überfüllten Autobahn durchs Ruhrgebiet kroch und die A bfahrts-tafeln meldeten, daß nachEssen nun endlich Bochum erreicht war, meldete sich im Autoradio Herbert Gröne-meyer. Natürlich, denn von dort soll er ja her
Die großen Sportartikelmessen sind zu Ende gegangen/Dank unseres weltumspannenden Fernsehnetzes wissen nunmehr auch der Yak-Bauer aus dem Himalaya und der Schilfzüchter aus dem Seewinkel, was sie beim nächsten Tennisturnier zu tragen habenund wer der Welt bedeutendster Hersteller von Fußballstutzen ist.Bevor sich die internationale Sportgemeinde neuerlich vor der Mattscheibe versammelt, um endlich zu erfahren, welche Sturzkappen der Reiter im Herbst und welche Schneebrille der Abfahrer im Frühwinter zu tragen hat, schnell ein Zwischenruf.Mein Appell geht an die Forscher und Entwickler,
Früher waren Fernsehen und Film viel einfacher. Wenn da jemand auf dem Schirm oder an der Wand erschien und den Mund zum Gruß öffnete, dann wußte man schon, woher es den in die Szene verschlagen hatte.Ein ,JPfüat di“ ließ auf alpen-ländische Herkunft schließen. A l-lenfalls war ein Nachhören erforderlich, damit man den Grüßenden richtig nach Kollerschlag oder nach Filzmoos zuordnen konnte.Hörte man jedoch unter dem gelüfteten Hut ein ,Moin, moin“ hervorbrummen, dann wußte der Beschauer allsogleich: Besuch aus dem Hohen Norden. Und so weiter — und so gut.Heute ist das recht
Letzte Woche beim Kegeln: Kegelbruder Heribert, ein stets lustiges Haus, war verstört. Aus kegelbrüderlichen Augen strömte ihm Mitgefühl, Kameradschaft, Verständnis, auch ein wenig Neugier entgegen.Was war geschehen, was war zu befürchten? Bei Mittvierzigern gibt es ja eine ganze Reihe von Störungsmöglichkeiten mit Ver-störungswirkungen: Karriereknick, Partnerschaftsprobleme,Gesundheitsbedenken, Sorgen um den Nachwuchs und was nicht noch alles.Heribert mußte ins kameradschaftliche Kreuzverhör. Nein, im Beruf sei alles tip top, möglicherweise stünde sogar eine weitere Beförderung
Es ist allerhand in Bewegung geraten in unserer Sprache. Nach dem Verlust des Genitivs nach bestimmten Vorwörtern und der Amputation des Konjunktivs aus der gesprochenen Sprache steht die nächste Sprachverkürzung bevor.Vom Aussterben bedroht ist die traditionelle Anredeform des „Sie“ und ,Jhnen“. Demnächst steht uns eine Gesellschaft von Du-Sagern ins Haus. Heute duzt ja schon nicht nur der Schüler den Lehrer, sondern auch der Professor den Prüfling, auch den, dem er ungerührt ein .^Nichtge-nügend“ verpaßt.Aber auch hilfreiche Handwerker, Platzanweiser oder
Ich frage Sie: Was sah das breite Publikum bisher in Chorkonzerten vom Dirigenten? Den Chor. Ja, dem konnte man ins Gesicht sehen. Der Chorleiter aber? Er huschte aufgeregt herein, aber kaum hatte er seinen Standplatz erreicht, beugte er den Körper -und drehte sich um.Dann sah das breite Publikum nur mehr den mehr oder weniger breiten Rücken unter schwarzem Tuch. Die Mittelpartie und das, was daran anschloß, bedeckten Frackschöße. Die im Takt wippenden Beine wurden von Hosenröhren umschlottert, nicht selten zu kurz und selten zu lang.Ja, und was sah man noch? Rudernde Arme, Hände, die
Was alle sagen, ist häufig falsch. Als der Film aufkam, sagten alle: Jetzt geht's den Büchern an den Kragen. Alle werden schauen, aber niemand wird mehr lesen.Aber dann kam das Buch zum Film: Doktor Schiwago und Doktor Kolle, die Buddenbrooks und die Bibel. Und was alle gesagt hatten, trat nicht ein.Als das Fernsehen zu flimmern begann, war's nicht anders. Wieder sagten alle, daß es den Druckwerken an den Kragen ginge.Aber dann wurden die Fernsehzeitschriften erfunden. Und aus war es mit dem Dauerschauen,denn das Vor- und Nachlesen braucht eben seine Zeit.Was man auch immer über den
Ich liebe Tiere. Vor allem die Hunde in der Stadt. Sind sie nicht ein überzeugender Beweis dafür, daß Mensch und Kreatur aufs innigste zusammenleben können?Wie leuchtet die Dankbarkeit aus den Augen des dickleibigen Herrchens, wenn ihn Kolumban, der irische Wolfshund, an der Leine um die Häuserblöcke zieht.Wie stolz strahlen die Augen eines Dobermann-Dompteurs, dessen Hasso sein Revier mit strammem Strahl markiert, daß der Anti-dog-spray nur so vom Geschäftsportal spritzt.Und erst Blünschli, der,anlehnungsbedürftige Bernhardinerrüde in der Schnellbahn!Neulich sah ich einen
Früher waren sie an allem schuld, jetzt haben sie — offenbar - immer recht. Ich meine die Radfahrer, und ich frage: Stimmt das?Daß sie damals an allem schuld waren, hat sich als schlimme Verleumdung herausgestellt. Ob sie heute alles besser wissen, muß sich erst herausstellen.Zugegeben: Radfahrer belasten den Luftraum nicht sonderlich, obwohl auch sie deutlich mehr Luft verbrauchen als der beschaulich flanierende Mensch.Außerdem hält sich die durch Radfahrer begründete akustische Umweltbelastung in engen Grenzen.Aus allen diesen- lobenswerten Eigenschaften leiten allerdings neuerdings
In Wien gibt es Vereine, Vereine, Vereine. Einer davon heißt ,Ji.lt-Neustadt“: Mitglieder sind Berufsoffiziere, die die Militärhochschule in Wiener Neustadt absolviert haben — Theresianische Militärakademie nennt sie sich traditionsbewußt —, Berufsoffiziere in und außer Dienst, die anderswo zu militärischen Ehren gelangten, und andere militärisch Ambitionierte. Man pflegt Geselligkeit, über die Generationen, Kriege und Armeen hinweg, und man kümmert sich auch um das österreichische Bundesheer.Was aber bewegt die militärische Creme-de-la-creme in diesen Tagen? Wir lesen's im
Früher gab's die süße kleine Schaffnerin. Die sagte einem, wo die Straßenbahnwagen hinfuhren. Gelegentlich war die süße Schaffnerin auch ein kerniger Schaffner, und verstehen konnte man die periodischen Mitteilungen über die Fahrtstrecke und die Stationen, denen man sich näherte, nur, wenn man das Bezirksidiom von Grund auf erlernt hatte.Straßenbahnfahrer hatten, so geht die Kunde, in fremden Bezirken gelegentlich Verständigungsschwierigkeiten. Aber man konnte ja nachfragen, und manchmal half dies auch.Das alles kann man heute nicht mehr. Straßenbahnen, Stadtbahnen und U-Bahnen
Wie jeden Freitagabend hatte sich Prokurist Werner 0. zur Heimsauna fertiggemacht. Er wollte nichts als Ruhe. Die hatte er sich wohl verdient, und aus dieser wurde er durch das elektronische Glockenspiel an der Eingangstüre gerissen.„Nanu?“ zweifelt er an seinem Zeitplan für Freitagabende, ging mehr automatisch als überzeugt auf die Eingangstüre zu, öffnete sie: „Ja, bi-“. Zum ,,-te“ reichte es nicht mehr, denn seine Sprache hatte sich ihm verschlagen.Vor sich sah er - oder meinte er bloß zu sehen? — die Dame vom Titelblatt des bekannten Herrenmagazins, das von Iris nicht
Mir war eine köstliche Satires-ke eingefallen. In der Badewanne. Ich schüttelte mich vor Lachen, das Wasser spritzte, und ich saß unvermutet, aber vergnügt, auf dem Trockenen.Ich hüpfte zum Schreibtisch. Die Niederschrift fiel schwer: ich hatte Tränen in den Augen.Auch Ida, die Hilfreiche, hatte Schwierigkeiten beim Tippen.Oder kicherte sie vielleicht doch nur aus ehelicher Solidarität?Gleichwohl: das Manus ging an den Verlag. Mit Eilpost, das mußte sein. Dieser Beitrag würde die Redaktion begeistern, neue Abonnenten anlocken, den Verleger beruhigen.Es kam die nächste Woche, es kamen
Endlich sind wir angeschlossen. Vollkommen, an das totale, offene Rundfunk-, Televisi-ons- und Rückmelde-System T.O.R.T.U.R.Die neuesten Informationstechniker und die unentwegtesten Rundfunkreformer haben endlich zusammengefunden, und eine mildtätige Anschaffungskreditbank hat's möglich gemacht: Wir sind total im Bildschirm-Bild.Durch die Luft und durch die Erde schlängeln sich 32 Kanäle in unsere Wohnung; zu zwei bis drei Bildschirmen und ebensoviel Bild-ünd Tonaufzeichnungsanlagen - pro Familienmitglied natürlich. Und alles in Stereo und bunt. Nur Putzi bellt vor einem
Im ersten Jahrzehnt nach der Jahrtausendwende war die erste Welle der Schulreform — wenn auch nur vorläufig — beendet. In der Multimedienkonferenz erklärte das bildungsministerielle Reformkollektiv den Fortschritt offiziell für eingetreten: die Lehrenden aller Schulen, von der Pränatalakademie bis zum Geria-gogischen Institut, trugen fortan den Titel eines „Professors" oder einer „Professorin", diskriminierende Zusätze waren nicht mehr.allerhöchstens zwischen geschwungenen Klammern, zugelassen.Die allgemeine Gesamtmatura war schon länger eingeführt worden. Nur wurde sie immer
Es ist beschlossene Sache: Unser Sohn muß Arzt werden. Wir haben die möglichen Berufe immer wieder geprüft, aber so richtig überzeugt hat uns nur die ärztliche Karriere. Schon ich hätte ja eigentlich nach dem Willen meiner, wie sich später herausstellte, weisen Eltern Arzt werden sollen, aber ich konnte mir, vielleicht irritiert durch eine besonders schön-geistige, bildungsverbürgerlichte Erziehung, nicht so recht vorstellen, daß ich mein Lebensglück im lebenslänglichen Erforschen von Körperöffnungen, im jahrzehntelangen Betatschen von nicht immer ansehnlichen Körperteilen, oder
Samstag, etwa gegen 22 Uhr, hatte Dr. Helmuth Luckskanderl, ' dienstältester Generalsekretär unter den westeuropäischen Oppositionsparteien, gleichermaßen gelangweilt wie dienstbeflissen und routiniert die Spätnachrichten im Lokalfernsehen seines Urlaubsortes verfolgt. Nach der üblichen, allerdings durch ein alpines, alkoholisches Getränk verlängerten Inkubationszeit — immerhin war es Dezember, Dr. Luckskanderl im Skiurlaub und solchermaßen reichlich auf innere Befeuerung angewiesen — schloß er scharf und schaltete schnell.Der vorgenommene akustische Seitenhieb hatte zwar nicht
Christoph S. liebte intensiv: das Leben ganz allgemein, seine beständig wachsende Familie recht besonders. Auch das Risiko war ihm immer einen Flirt wert, und zur Sicherheit hatte er eine ganz enge, ja eine durchaus intime Beziehung. So konnte es nicht anders kommen, als daß Christoph zur leichten Beute von gewandten Versicherungsmaklern gleich welcher Sparten, Spielarten und Risikobereiche wurde.Weil aber Christoph S. schon von klein auf dazu neigte — was blieb ihm als zweitgeborenem Stiefsohn eines ehemals altkatho-lischen Sektenbischofs in einer ländlichen Kleinstadt denn schon
In der Wochenendausgabe der „Neuen Freien Tageszeitung“ stand es. Unter Kleinanzeigen, versteckt und verschämt, dennoch nicht zu überlesen: „Suchen dringend Daten aller Art, auch gebraucht oder mehrfach übertragen, Datenmassen bevorzugt, aber nicht Bedingungen, schon vorgenommener Datenschutz kein Hindernis. Zahlen jeden Preis. Belohnung nicht ausgeschlossen. Auszeichnungen nach Vereinbarung. Eilofferte an den Verlag. Kennwort Bumidasch“.Damit freilich hatte sich der Datenwerber verraten, denn Bumidasch war und ist nichts anderes als das Bundesministerium für Datenschutz und
Ich liebe Bahnfahrten. Vor allem die langen Bahnfahrten, in einem Coupe der besonders weichgepolsterten Klasse, in Fahrtrichtung und — allein. Der sanfte Schienenstoß schüttelt behutsam Tagesärger aus meinen Gedanken. Dieselben entfernen sich vom Ärger noch immer nicht überwiesener Honorare und schwingen sich auf zu Höhen lyrischer Schichtenwolken. Ideen zu bewegenden mehrbändigen Romanen, zu ergreifenden Dramen, zu lyrischen Zyklen fliegen mir mit einer Regelmäßigkeit zu wie die Masten der Oberleitung an meinem Abteilfenster vorbei. Ich schwimme in einem poetischen Meer, da ist