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Man oder was?

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Man will es ja allen recht und man will auch immer alles richtig machen. So ist man eben, als informierter und kommunikativer, leistungswilliger und gesellschaftsbewußter, kurz: als Zeitgeist-Mensch. Genau, man ist eben kein Un-Mensch, kein Hinterwäldler, kein Bieder-Meier, basta! Man will die Trends zur Kenntnis nehmen, sie überdenken, untersuchen und - gegebenenfalls — sich nach ihnen richten. Man will auf der Höhe und in der Mitte sein, man will Tempo machen! Und was macht man? „Man“ macht alles falsch!

Das Wörtchen „man“ bringt's an den Tag. Man hat nämlich rein gar nichts gelernt, man ist genau all das, was man unter keinen

Umständen mehr sein wollte, und man ist alles das eben nicht, was man so sehnlich zu sein sich bemühte.

Seit gestern weiß ich, wer „man“ schreibt, sagt, ja auch nur denkt, der ist ein Matscho von der übelsten Sorte, einer, der Frauen nicht nur unterdrückt und ausbeutet, nein, jemand, der sie auch zutiefst demütigt, und zwar aus Prinzip. Gestern habe ich die neuesten Richtlinien aus dem Sozialministerium über die sprachliche Gleichbehandlung von Frau und Mann gelesen, und da sah ich plötzlich schwarz auf weiß, was alles ich in meiner männlichen Borniertheit bislang überlesen, überhört und übersehen habe.

Das soll mir fürderhin nicht mehr passieren, ich gelobe Läuterung, Besserung, ich will ja — siehe oben—alles allen recht und richtig machen, vor allem schriftlich. Wenn wir Schreiberlinge nicht mit gutem Wortspiel vorangehen, wie sollte wer dann im wirklichen Leben je das Rechte tun, pardon, sagen? Freilich, was ist denn das „Rechte“? Was soll man denn mit dem handlichen und, wie ich bislang irrtümlich meinte, recht unpersönlichen „man“ tun, das Frauen so viel emanzipatorisches Ungemach bereitet? Soll es durch eine Passiv-Konstruktion ersetzt werden, wie eben in diesem Satz, oder soll man dem Beispiel von progressistischen Gazetten folgen und jeweils man/frau oder frau/ man schreiben, was weder schön ist noch korrekt sein kann.

Außerdem regt sich bei der

Schrägstrich-Lösung mein männlicher Gleichberechtigungssinn: Wenn schon der „Mann“ zum „man“ verkürzt wird, warum wird dann nicht auch die „Frau“ amputiert, vielleicht zu „fra“ oder zu „rau“?

Aber, Hand aufs geschlechtsneutrale Herz, kann das die schriftliche Lösung des geschlechtlichen Problems sein, hat frau/mann oder fra/man mit dem

Schrägstrich, der Amputation den emanzipatorischen Stein der Weisen — und was ist mit den Weisinnen? — gefunden, und wie ist das überhaupt mit den Artikeln, die im Osterreichischen ja so entlarvend „Geschlechtswörter“ heißen? ! Zwar ist nicht nur der „Butter“, sondern auch der „Gehalt“ männlich, aber wieso ist eigentlich die „Republik“, sei sie nun eine des Bundes oder der Bananen, weiblich, von der Regierung und deren Bildung ganz zu schweigen?

Wie das Problem entwurzelt wird, radikal eben, lehren uns die Engländerinnen und Engländer, die „Englischmenschen“. Für sie heißt „man“ eben zu allererst „Mensch“, hat „man“ nichts mehr zusätzlich vorzuweisen, dann ist der Mensch ein Mann, hat er noch eine Vorsilbe, hat er also deutlich mehr als ein Mann, dann ist er eine Frau, der Mensch, und nicht der „Mann“.

Und damit ja nichts Disemanzi-patorisches mehr passieren kann, haben die Kinder Albions die Geschlechtswörter brutal sterilisiert, wollte sagen „neutralisiert“. Es gibt nur noch eines, und das hat eben kein Geschlecht mehr: That's the Solution, isn't it?

Ich weiß nicht recht, was sollen wir nur tun?

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