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Lob & Hudel

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An Spott und Hohn ist in diesen

Tagen in Wien kein Mangel. Keine ausgediente Remise, kein unbekanntes Extrazimmer, kein verödeter Pfarrsaal, ja kaum ein aus der Mode gekommenes Kino, in dem sich nicht allabendlich neue und immer jüngere Kabarettisten versuchen.

Kenner der jeweiligen Szene berichten, daß die Zahl der Wiener Kabaretts bereits die der medial propagierten In-Beisln zu überschreiten droht, wobei jene Angabe freilich mit Vorsicht zu genießen ist, sind doch nicht viele der Neo-Beisln schon wieder out, bevor sie jemals in gewesen waren, das heißt, bevor eine größere Zahl von zahlenden Besuchern in ihnen drinnen gewesen ist.

Für Schmach und Schande sorgen Untersuchungskommissionen und deren Berichte in periodischen Publikationen. Das heißt, eigentlich sorgen ja die Untersuchten für ihre eigene Schmach und die Schande ihrer Freunde. Aber ihre Schmach würde eine sehr persönliche bleiben, wenn sich nicht die Inquisitoren aus Politik und Presse eifrig um die Öffentlichkeit ihrer Schande bemühten.

Natürlich fehlt es auch nicht an — pädagogischem — Tadel und an — politischer — Schmähung. Vor allem Unbeteiligte und Unbefug te haben kritische Hochkonjunktur in diesen Tagen. Was dem einen sein Theaterdirektor, ist den anderen ihr Weihbischof. Es ist schon erstaunlich, welch anspruchsvolle Themen heutzutage kernige Salzburger, emsige Alemannen und wurstige Wiener bewegen.

Mich bewegt etwas ganz anderes: Was ist in der Zeit von Spott und Hohn eigentlich aus Anerkennung und Zustimmung, aus Belobigung und Belohnung geworden, und ich meine keineswegs Orden und Schmattes! Denn davon gibt es nach wie vor reichlich.

Es soll Politiker geben, die tränenden Auges jeden Abend beim Heurigen versumpfen, weil sie sich tagtäglich abstrampeln, aber niemand ihnen ihre Mühsal dankt.

Von Hausmännern wird berichtet, die an Suizid denken, weil kein berufstätiges Eheweib ihnen Anerkennung für die geleistete Wischarbeit ausspricht.

Man hört von Lehrerinnen und Lehrern, die trotz aller Pensionsberechtigung an einen Berufswechsel denken, weil sie Tag für Tag allen individuellen Emanzipationsanstrengungen ihrer Wohl- standssprößlinge trotzen und sie dennoch von den Eltern derselben verwaltungsgerichtlich verfolgt werden.

Von enttäuschten Staatspolizisten, entnervten Parteifunktionären, entmutigten Kirchensteuerbeamten und ernüchterten Parkwächtern ganz zu schweigen.

Liebe Tugendhüter und Fleiß- bolde, verehrte Philantropen und Altruisten, ich habe frohe Kunde für Euch und Eure geschundenen Seelen: Eben wurde das Internationale Institut für Lob & Hudel gegründet. Getragen vom äußerst gemeinnützigen und auch noch nicht untersagten Verein für soziale Anerkennung und individuelle Bestätigung.

Werden Sie — gegen eine geringe Aufnahmegebühr — Mitglied, und Sie erwerben ein vereinslebenslanges Anrecht auf positiven Zuspruch. Mitglieder schreiben oder telefonieren und geben ihren—geheimen — Lob & Hudel-Code ein, und Lob und Hudel fließt reichlich und postwendend. Im Eilfalle kommt die Rückmeldung und fernschriftlich oder über den allseits wuchernden postsicheren Telefaxdienst. Was auch immer Sie tun — es wird gelobt, was auch immer Sie lassen - es wird gehudelt.

Selbst Gelegenheitspoeten sind vor Anerkennung und Bewunderung nicht sicher. Vorausgesetzt, sie sind Vereinsmitglieder. Ich bin es.

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